Wir haben den Frühling übersprungen
"Inzwischen bin ich sieben Monate hier. Habe ich Fortschritte gemacht? Habe ich mich verändert?" Chouchette nutzt einen Moment der Ruhe, um die letzten Wochen in Strasbourg zu reflektieren.
Halli hallo liebe Leute!
Ja, ich mal wieder.
Nur ein paar kleine Worte von mir, es ist alles bisschen still heute.
Mir geht es eigentlich ganz gut. Trotz ständigem erschrockenem Feststellen, dass die Zeit uns davonrennt und wir beginnen, die dahin fließenden Monate lieber an unserer Umgebung festzustellen, als an uns. Die Weide an der Ill, dem Fluss direkt vor meiner Haustür, ist frisch geputzt und leuchtet mit all ihren grasgrünen neuen Blättchen. Gestern war es so warm, dass wir stundenlang am Flussufer in der "Petite France" saßen um uns alibi zu bräunen.
Kurzer Rückblick: Januar zwei wunderbare Seminare in Cannes und Saint-Brieuc. Sind mit dem Nachtzug zwölf Stunden durch ganz Frankreich getuckert und am nächsten Tag am Mittelmeer angekommen. Theaterkurs und Sommer, Palmen, strand und Muscheln für eine Woche. Danach Lyon. Eine Wahnsinnsstadt in die ich bereits beschlossen habe umzuziehen... Februar lustig Karneval und März so dies und das. Viele neue Frauen im Foyer, alles wächst, gedeiht, wird lebendiger. Drinnen und draußen. Ach, und allerhand Babys. Gott, ich liebe Babys. Und ich nehme sie auf den Arm wann immer ich nur kann. Auch wenn das als erzieherische Maßnahme für die Muttis vielleicht manchmal weniger von Vorteil sein sollte.
Ja, und dann war ich auch wieder kurz zuhause. Erst kam Papa, dann ich und nächste Woche Maman zu Besuch. Ein Glück haben wir den Nato-Gipfel überstanden, alle kriechen wieder aus ihren Löchern hervor und man sieht wieder andere Dinge als die Farbe BLAU.
Inzwischen bin ich sieben Monate hier.
Habe ich Fortschritte gemacht?
Habe ich mich verändert?
Irgendwie hab ich echt keine Ahnung. Nicht mal davon, ob ich besser Französisch spreche...
So langsam beginne ich, was sich eventuell deprimierend anhören mag, den Touristen raushängen zu lassen. Alles auszuprobieren, Museen abzuklappern und Photos zu schießen.
Die Beziehung mit manchen meiner Frauen könnte sich zudem als problematisch erweisen. Denn der Abschied naht. Na toll.
All solche Dinge eben, die ich versuche, gekonnt - oder auch nicht - zu ignorieren. Halte mein Gesicht und die vom Wochenende müden Augen in die Sonne. Schreibe Berichte bei offenem Fenster und dem Frankreich-Strasbourg-Sound im Hintergrund. Mein Fischli blubbert fröhlich im Aquarium herum, die Glocken läuten und alles ist so wie es sein soll. Ob ich will oder nicht.
Ich sitze in meinem Zimmer und weiß nicht was ich machen soll.
Rausrennen um alles einzufangen und nichts zu verpassen?
Ich sitze am Fluss und lese. Unter der Weide, die wohl gemeinsam mit mir den Frühling übersprungen hat und den Sommer vorzieht als hätte sie es eilig ihm zu zeigen was sie kann.
Keine Schmetterlinge im Bauch. Die Luft hat einen Duft von Glück.
Ich warte.