Wien diskutiert: Solidaritäts- oder Flüchtlingskrise?
Über die aktuelle Flüchtlingskrise und die Rolle Österreichs im europäischen Spannungsfeld.
Täglich erscheinen in den Nachrichtenheader der Presse Schlagzeilen zur Flüchtlingskrise, nicht nur in Österreich sondern in ganz Europa. Ein Flüchtlingsgipfel folgt auf den anderen und doch will sich die europäische Gemeinschaft nicht so recht in eine Richtung bewegen. Es hakt im Getriebe der Europäischen Union. Es stehen sich die Koalitionen der „Willigen“ und „Unwilligen“ gegenüber. Doch welche Rolle spielt Österreich bei diesem Entscheidungsdilemma? Deutschland, Österreich und Schweden sind die Länder, die derzeit die meisten Flüchtlinge innerhalb Europas aufnehmen. Im vergangenen Herbst arbeiteten die Nachbarland Deutschland und Österreich noch Hand in Hand für ein offenes, solidarisches, ja ein menschliches Europa. Doch plötzlich dreht sich die österreichische Fahne im Wind der gegenläufigen Stimmung aus Teilen der Bevölkerung Österreichs. Obergrenzen, die zuvor von Kanzler Faymann als unsinnig deklariert wurden, gelten nun als ultima ratio. Zäune werden errichtet, wo zuvor Schengen leibhaftig gelebt wurde. Und es fielen schwere Worte von der österreichischen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): „Wir müssen an einer Festung Europa bauen“. Worte die an Zeiten erinnern, die sich keiner von uns zurücksehnt. Also ist die Lösung für die Flüchtlingskrise gefunden? Europa einzäunen und abschotten? Umfragen zeigen zwar, dass weite Teile der österreichischen Bevölkerung den aktuellen Kurs der Regierung gut finden, doch gleichzeitig würden bei anstehenden Wahlen die Regierungsparteien weniger Stimmen erhalten als sie derzeit innehaben. Wien diskutiert: Solidaritäts- oder Flüchtlingskrise? Nicht jeder in Österreich unterschreibt den harten Kurs und die Alleingänge der Regierung mit den Balkanstaaten. Von nicht wenigen Österreichern und Österreicherinnen wird die Meinung vertreten, dass es sich mittlerweile weniger um eine Flüchtlingskrise, sondern vielmehr um eine Solidaritätskrise in Europa handelt. Die eigentlich nur auf europäischer Ebene auffindbare Problemlösung wird derzeit mehr und mehr durch nationale Alleingänge erschwert. Zeigt doch gerade das unermüdliche Engagement der zahlreichen freiwilligen Helfer und Helferinnen in Österreich und anderen EU-Ländern, die tatkräftig bei der Versorgung und Integration der Fluchtsuchenden anpacken, zeigt, wie Solidarität aussieht. Ob das derzeitige Handeln der Regierung Österreichs im europäischen Sinne solidarisch ist und ob die Verhandlungen bzw. die Ergebnisse der anstehenden EU-Gipfel zu diesem Thema es sein werden, das wird sich noch zeigen. Aber die Frage bleibt berechtigt im Raum: Bestreiten wir derzeit in Europa eine Flüchtlingskrise oder nicht eher eine Solidaritätskrise?