Wenn man zu lange nicht mehr geschrieben hat…
Wenn man zu lange nicht mehr geschrieben hat, stellt sich die Frage, wo man anfangen soll und was man überhaupt noch berichten kann. Ich habe mich für die einfachste Variante entschieden: Ich berichte über morgen.
Nun ist also Sommerzeit und stärker als jemals zuvor wird mir bewusst, wie viel Zeit ich schon in Chişinău verbracht habe. Schon alle Jahreszeiten habe ich zumindest zum Teil miterlebt, über sieben Monate habe ich hier verbracht, schon manchen Freiwilligen überlebt, also kommen und gehen sehen und in schon zweieinhalb Monaten wird meine Zeit hier vorüber sein. Doch was hat sich seit den ersten Tagen hier geändert? Offensichtlich ist: Ich wache nachts nicht mehr von bellenden Straßenhunden auf, kann das Rattern unseres alten sowjetischen Kühlschranks überhören und auch ansonsten kann ich von mir behaupten mich an alles mehr als gewöhnt zu haben. Wenn ich die Straßen der Stadt entlang gehe, finde ich keinen Anstoß mehr an den immer gleichen Wohnblöcken und die Preise in den Supermärkten lösen in mir keine Glücksgefühle mehr aus. Doch ein Alltag voller Gewohnheit bedeutet nicht, dass er nicht trotzdem außergewöhnlich sein kann. Noch immer muss ich mir manchmal erst bewusst werden, in was für interessanten Situationen ich mich befinde und welche Möglichkeiten der Auslandaufenthalt in Moldawien mir bietet. In den letzten Monaten haben wir eine Band gegründet, mit ihr im Asylantenheim gespielt, wir haben an einem Tag der Sprachen deutsche Klischees wider- oder belegt und gleichzeitig viele andere Sprachen kennengelernt, ich habe vor russischsprachigem Publikum „Alle Vöglein sind schon da“ gesungen und auf der Posaune gespielt, wir haben mit meinem Projekt eine Exkursion in das Armeemuseum unternommen, wir haben bei dem Topspiel der ersten moldawischen Fußballliga und bei dem Länderspiel Moldawien gegen Schweden mitgefeiert oder zumindest gefiebert, meine Freundin hat mich hier besucht, wir sind gemeinsam nach Cricova (zweitgrößter Weinkeller der Welt) gegangen, haben Orhei Vechi, eine der touristischen Hauptattraktionen Moldawiens, besichtigt und und und…
Zu viele schöne und interessante Erlebnisse, um sie in einen Bericht zu packen. Also, Blick nach Vorne. Was wird das letzte Viertel des EFD mir bieten, oder eher was kann ich noch erleben? Meine Eltern werden mich besuchen kommen und sich auch ein Bild von der Stadt machen, die – so leid es mir tut – wahrscheinlich der unansehnlichste Wohnort meines ganzen Lebens gewesen sein wird. Und so freue ich mich im April meinen Augen auch wieder einmal ein wenig Abwechslung bieten zu können. Mein Weg wird mich in die Ukraine führen. Lwiw, oder für uns besser verständlich und aussprechbar Lemberg, wird der Ort unseres sogenannten Mid-Term Trainings sein, das für mich schon eher ein End-Term Training darstellt. Außerdem will ich auch noch nach Odessa, das mir viele schon als schönste Stadt an der ganzen Schwarzmeerküste wärmstens empfohlen haben. Apropos warm: Der moldawische Winter, der mir vorher als die kälteste Zeit meines Lebens angedroht wurde, hat sich als eher harmlos herausgestellt. Dem würde mein spanischer Mitbewohner aber sicher widersprechen. Er ist, wie wir alle froh, dass es wärmer wird und jetzt die sommerliche Zeit zumindest dem Namen nach begonnen hat. Unwirklich, aber wahr: Den Sommer werde ich schon wieder in Deutschland verbringen. So nah und fern kann so manches aneinander liegen.