Wenn ich mal etwas ausschweife..
Ein bisschen über Geschichte und Ansichten.
Wie klein die Welt doch auch im großen Chongqing ist, habe ich in den letzten Tagen erfahren, als ich über meine WG-Mitbewohnerin Kontakt zu einem Deutschstudenten bekommen habe, der zufällig der Freund einer anderen Freundin von mir ist. Er ist Student im ersten Semester und sollte als Hausarbeit einen Ausländer über seine Meinung zum chinesisch-japanischen Krieg im 2.Weltkrieg interviewen. Ein ziemliches anspruchsvolles Thema, wie ich finde, besonders, wenn man erst seit 8 Wochen Deutsch studiert. Deswegen hatte er auch eine Studentin aus einem höheren Jahrgang mitgebracht, die meine Antworten verstehen und übersetzen konnte. Es ging darum wieviel ich über den Krieg weiß, was ich von ihm halte und welchen Einfluss der Krieg meiner Meinung nach auf die Beziehung der beiden Länder hat.
Die Antwort finde ich für mich sehr offensichtlich. Denn es ist so, dass die japanische Regierung sich zu keinem Zeitpunkt einsichtig zu den Kriegsverbrechen geäußert hat. Das ist bis heute ein großes Thema in China, habe ich den Eindruck, auch bei der jüngsten Generation. Aber hier gibt es unterschiedliche Stellungen, denn viele junge Leute differenzieren, dass die heranwachsende Generation in Japan nicht mehr für den Krieg verantwortlich ist und sehen in japanischen Serien, Liedern, Shows, Stars, Mode und Schönheitsidealen eher eine Bereicherung. Dennoch denke ich, dass ihnen in der Schule ein sehr emotionales Urteil über den chinesisch-japanischen Krieg vermittelt wird. Es gibt auch viele Chinesen, gerade die ältere Generation, die Japan sehr misstrauisch gegenüberstehen und eine sehr abweisende Haltung gegen die Japaner, im Vordergrund gegen die Regierung, haben. Ich denke, dass sich viele Menschen hier einig sind, dass Japan in der Besserung der Beziehungen den ersten, großen Schritt machen muss, um wieder Vertrauen zu erlangen. Auch in Chongqing kann man Spuren der Gewalt und Grausamkeit der japanischen Armee im zweiten Weltkrieg finden. In Chongqing gab es einen Luftschutzbunker, in dem sich zum Ende des Krieges mehrere hundert Menschen verschanzt hatten, der von japanischen Kampfflugzeugen bombardiert und zerstört wurde, so dass die Menschen im Innern erstickten.
Seit ich vor zwei Monaten den Film „John Rabe“ gesehen habe, der von einem Deutschen handelt, der im 2. Weltkrieg während der Besatzung von Nanjing eine Schutzzone für Zivilsten mit errichtet hat, hadere ich mit mir, ob ich diesen Film beim monatlichen Kinoabend des Sprachlernzentrums zeigen kann. John Rabe hat mit der Errichtung der Schutzzone viele chinesische Zivilisten vor japanischen Bomben beschützt und wird manchmal in Deutschland als der Schindler von Nanjing bezeichnet. Der Film ist eine ziemliche raue und unverschönerte Darstellung der damaligen Verhältnisse mit Einblendung einiger Originalaufnahmen der Nanjing Besetzung und des Nanjing-Massakers. Es ist eine chinesisch-deutsche Koproduktion, was für unsere Schüler natürlich interessant ist. Außerdem ist es auch erstaunend zu sehen, in welchen Momenten China und Deutschland in der Geschichte schon einmal miteinander in Berührung waren. Mein Problem mit dem Film ist aber, dass ich finde, dass wir Deutschen im Sprachlernzentrum das ohnehin teils schlechte, japanische Image nicht noch verschlechtern müssen, indem auch wir als „Außenstehende“ quasi das Bild der „bösen Japaner“ verstärken.
Während ich meine Gedanken so niederschreibe wird mir ziemlich deutlich, dass ich den Film nicht zeigen werde – Danke dafür! Allen, die das Thema allerdings ein bisschen interessiert, kann ich den Film sehr empfehlen.
Die letzte Frage des Interviews bestand darin, ob ich denke, dass meine Freunde viel über den chinesisch-japanischen Krieg wissen – eine sehr interessante Frage, die ich im Rückzug auch auf deutsche Geschichte bezogen gestellt habe. Tatsächlich lernt man in China in der Mittelschule wohl ein paar Grundlagen über die NS-Zeit. Ich denke unser Wissen über den 2. Weltkrieg in China und China allgemein, könnte wesentlich mehr sein, daher bin ich sehr dankbar, dass ich heute die Gelegenheit bekommen habe, ein bisschen in das sensible Thema eintauchen zu können. So ruckelig das Interview durch die Sprachbarriere auch teilweise verlaufen ist, das „Auf Wiedersehen“ des Studenten, als wir fertig waren, war auf jeden Fall bezaubernd gut!
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