Wenn der Ananaswagen kommt
Was sich hier so ereignet...
Einmal in der Woche, abgesehen vom Mittwoch, wenn Luis Alfonso die Fundacion mit neuen Nahrungsmitteln beliefert, werden wir in San Francisco von einem die Runde machenden Laster beehrt. Ein junger Mann am Steuer, der andere behaende auf der Ladeflaeche des Pickups, die ueber und ueber mit den leckeren Fruechten bestapelt ist. So beladen quaelt sich der Wagen die steilen Berge des Dorfes hoch, spielt dabei eine kleine Melodie, wie ein Eiswagen und ruft das Angebot aus. Nicht, dass ich mich dort bedienen wuerde. Ich bin kein Ananas-Kaeufer. Trotzdem bin ich irgendwie froh, wenn die Zeit wieder reif ist (und die Ananasse auch) und er sich durch die engen Strassen schiebt und ein Teil der woechentlichen Dorf-Routine wird. Denn dann merke ich, dass schon wieder eine Woche voll spannender Erlebnisse und ueberwundenen Hindernissen hinter mir liegt. Davon moechte ich euch nun ein wenig erzaehlen:
Unter der Woche, wenn wir Freiwilligen in der Fundacion oder wahlweise morgens in der Schule sind, gibt es fuer mich genau 2 moegliche Zustaende: entweder alle Kinder und sogar noch ein paar Tias haben irgendetwas, wobei ich helfen soll, alle gleichzeitig natuerlich, oder aber ich verbleibe in Ueberfluessigkeit, weil niemand Hilfe braucht oder jeder sein eigenes Ding macht. Das Schluesselwort heisst "Gleichgewicht", aber es ist echt nicht so einfach dieses System aufzubrechen.
Von 2 bis 3 Uhr machen wir, Celine und ich, in Haus 2 zumeist mit den Kleinsten die Hausaufgaben, eher damit die strenge Tia A., aka Darth Vader, die das Ganze mit Argusaugen beobachtet, zufriedengestellt ist, als dass die Kids davon so viel mitnehmen. Denn das eigentlich Wichtige ist das Lesenlernen, was wir der "pereza", also Muedigkeit oder Faulheit entgegen, versuchen durchzuziehen. Eines meiner Wochenhighlights war der Moment, als Alisón endlich die Vokale einwandfrei voneinander unterscheiden konnte. Sind alle Hausaufgaben erledigt stehen die Aktivitaeten mit uns Freiwilligen an. Die Kinder werden in vier Gruppen unterteilt und den Voluntaeren zugeteilt. Zusammen machen wir dann mal eine, mal anderthalb, selten zwei Stunden lang Spielstunde auf Englisch, Bastelkurs oder spielen gemeinsam Fussball. Ab 17 Uhr wollen die Kids meistens Fahrradfahren oder auf den Spielplatz, was wir genehmigen und um halb 6 geht es zum abendlichen Rosenkranz-Beten in der Kapelle. Im Anschluss putzen die Kinder die Wohnhaeuser und alle Wege in der Fundacion, um nach dem Abendbrot um halb 7 ins Bett zu gehen. Fuer uns Freiwillige endet der Tag dann zum Glueck noch nicht, denn wir verbringen die Abende gemeinsam mit Kartenspielen oder neuerdings auch mit Filmen auf dem Laptop gucken, denn aus einem der uebrigen Betten bauten wir uns ein Sofa in den ansonsten recht kahlen Gemeinschaftsraum.
In der Schule gibt es auch einiges fuer uns zu tun. Da es nur zwei Lehrer, aber sechs verschiedene Altersklassen gibt, sind wir dort eine willkommene Aushilfe. Wir arbeiten mit kleinen Gruppen, ermutigen die Kids die Aufgaben zu machen oder bessern das Schulgelaende aus. So viel mir letzte Woche die Aufgabe zu, die Huepfkaestchen oder Himmel-und-Hoelle-Spiele zu erneuern und irgendwie entstand daraus ein Gemeinschaftsprojekt. Nun ziert den Schulhof das wohl einzige Huepfkeastchen mit einem siebeneinhalb Feld.
Morgens, wenn wir nicht in der Schule sind, ist es schwierig, sich von der Arbeit fernzuhalten, weil es immer etwas zu tun gibt. So haben wir in der Funda eine Art Inventur durchgefuehrt und alle Moebelstuecke dokumentiert, Regale aufgebaut oder im Garten Salat und Mangold umgepflanzt. Daher hatte ich auch bislang so wenig Zeit, diesen Blog weiterzuschreiben und muss es gerade echt ausnutzen und ganz viel hier loswerden :) Aber ich muss sagen, mir gefaellt es echt, dass nie Langeweile aufkommt und ich mich immer nuetzlich machen kann, denn zum Helfen bin ich ja schliesslich hier!
An den Wochenenden, wenn wir in Bogota oder anderen Orten sind ist der Tagesrhythmus ein ganz anderer, ein viel freierer. Niemand kuemmert sich darum, ob mein Bett ganz penibel gemacht ist oder das Haus aufgeraeumt ist, was auf dem Land wirklich besonders wichtig ist. Manchmal wohnen wir in Hostels, letztes Wochenende habe wir vier uns ein Apartment in Chapinero gemietet. Die Aktivitaeten des Wochenendes sind immer ziemlich aufregend und vielseitig. So waren wir bei einer sehr noblen Tag der deutschen Einheit Feier von der deutschen Botschaft in Bogota, oder im Naturpark Chicaque, wo wir ganz viele wunderschoene Naturlandschaften und eine besonders dicke Nebelwand bestaunen konnten. Aber abenteuerliche Dinge zu machen ist gar nicht mein uebergeordnetes Ziel hier in Kolumbien. An den Wochenenden lerne ich am liebsten Menschen hier kennen, denn ich liebe den Austausch der verschiedenen Realitaeten. Ich bin auch abends einfach gerne bei Marlene, einer sehr netten und omihaften Dame, um mit ihr zu plaudern oder bei Diana und Camilo, wo wir gemeinsam kochen und ich ganz viele kolumbianische Begriffe lernen kann. Die kolumbianische Gastfreundschaft hier zu erleben ist fuer mich etwas ganz besonderes, wofuer ich sehr dankbar bin.
Hier sind noch einige meiner Sternmomente:
-dass wir im Dorf auf den Tanzlehrer Ronnal gestossen sind, der uns im Tausch gegen Englischunterricht die lateinamerikanischen Taenze beibringt, in einer privaten Tanzstunde, jeden Mittwochmorgen in der Fundacion
-dass wir nun einen Gaskocher im Haus 3 haben und uns Tee und Waermflaschen machen koennen
-Nora hat ihr Workbook mit mir zusammen durchgearbeitet und kann nun ein neues beginnen :)
-das WM-Qualifikationsspiel Kolumbien gegen Peru im Dorf zu gucken und die grosse Freude, dass wir naechsten Sommer ganz oft im Dorf Fussball gucken koennen, denn Kolumbien ist in Russland dabei!! :D
Vielen Dank an alle, die diesen Text gelesen haben, die mir gespendet haben und die sich fuer das, was ich hier mache, interessieren und mich mit Kommentaren oder Spenden unterstuetzen :) Bis bald, ihr Lieben!! Kampf den Kakerlaken!
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