Was so in der Zwischenzeit passiert ist
Milka erlebte eine bunt erleuchtete Vorweihnachtszeit in Estland. Inklusive Kühe melken, Kerzen ziehen und abgebrochener Autoschlüssel. Über die Feiertage gönnte sie sich einen kurzen Heimaturlaub.
Hier kommt mal wieder nach längerer Pause ein Update von mir. Wo fang’ ich den am besten an?
Die Adventszeit in Maarja Küla war nicht wirklich besinnlich, alles ging seinen gewohnten Gang. Nur an den bunt-blinkenden Tannenbaum- und Fensterdekorationen hat man gemerkt, dass Weihnachten nicht mehr weit sein kann. Jemand hat mal zur mir gesagt, die Deutschen hätten Weihnachten erfunden. Wenn ich mir die Adventszeit hier in Estland so angucke, könnte das glatt stimmen.
Als ich im September in Deutschland weggeflogen bin, gab es schon in den Geschäften vereinzelt Weihnachtsartikel. Finde ich eigentlich auch nicht wirklich, toll, da geht die ganze Vorfreude flöten, wenn man die Weihnachtssachen schon fast das ganze Jahr durchkaufen kann. Aber in Tartu habe ich als drauf gewartet, dass wenigstens so ein paar Lichter auftauchen.
Am ersten Advent (was ja eigentlich richtig ist) erstrahlte dann auch endlich Tartu im Lichterglanz. Es gab auch ein Weihnachtsmärktchen. Märktchen deshalb, da auf dem Rathausplatz unter einer riesigen Tanne vier Stände standen. Nicht wirklich üppig, wenn man die deutschen Weihnachtsmärkte gewohnt ist. Advent ohne einen Weihnachtsmarktbesuch ist irgendwie nicht wirklich ein richtiger Advent, aber ich kann ja nächstes Jahr alles nachholen, was ich jetzt verpasst habe. Weihnachtsmärkte, ich komme :-P.
In Maarja Küla habe ich ein bisschen Weihnachtsstimmung verbreitet, in dem ich für jedes Haus einen Adventskranz gebunden habe und für meine lieben Bewohner habe ich einen Adventskalender gebastelt. Diese Stimmung haben dann bunt-blinkende Lichterketten in den Bäumen wieder zunichte gemacht.
An jedem Adventssonntag kam Ly ins Dorf und hat päkapikk gespielt. Päkapikk sind Zwerge, die in der Adventszeit den Kindern in Estland kleine Geschenke bringen. Wir haben neue Küchensachen, einen Fön und noch allerlei anderen Kram bekommen, besonders viele Süßigkeiten. Die Woche vor Weihnachten waren wir dann noch zu Besuch in einer Camphill-Dorf. Das ist auch eine Einrichtung für geistig Behinderte Menschen, aber im Gegensatz zu Maarja Küla versuchen sie möglichst autark zu leben. Sie betreiben einen Bauernhof und machen ihre Milchprodukte selber. Auch in Pahkla, so heißt die Einrichtung, arbeiten Freiwillige.
Huko kam dann auf die lustige Idee, dass wir ja einen Freiwilligenaustausch durchführen könnten. Wir eine Woche in Pahkla und die Pahkla-Freiwilligen eine Woche in Maarja Küla. Mal sehen, was daraus wird.
In Pahkla haben wir uns dann zuerst ein Adventsspiel angeguckt und danach sind wir durchs Dorf gelaufen, haben uns die Kühe und Schweine angeguckt. Nachher haben Christian und ich dann noch beim Melken mitgeholfen. Sehr lustig, aber ich bin echt froh, dass mich keine Kuh getreten hat, so dämlich wie ich mich beim Melken angestellt habe. Außerdem konnten wir auch noch Kerzen ziehen. Huko war voll stolz auf seine perfekte Kerze, die war aber nicht lange so perfekt, seine kleine Tochter hat sie in die Hände bekommen. Meine sah aber auch nicht schlecht aus, finde ich.
Als wir dann zurück nach Maarja Küla fahren wollten, ist Huko leider der Schlüssel des BMWs abgebrochen, das ist eine Schrottkiste, aber eigentlich bin ich froh, dass es ihn gibt, sonst könnte ich hier kein Auto fahren. Eigentlich hätte ich ja den BMW fahren sollen, aber ich hatte Huko gebeten, mit seinem Auto fahren zu dürfen, da ich bei der Hinfahrt ein paar Mal schon ziemlich ins Schlittern gekommen bin, da es nachts geschneit hatte. Ansonsten hätte ich vielleicht den Schlüssel abgebrochen. Zum Glück hatten wir den Ersatzschlüssel mit dabei, aber damit war das Problem der zugefrorenen Tür immer noch nicht gelöst. Nach einiger Zeit, haben sie es dann mit einem Föhn probiert und tatsächlich, die Tür ging auf. Also zurück nach Maarja küla. Mit einem Essensstopp, bei dem Huko und ich dann wieder die Autos getauscht haben, da Huko nicht wirklich in der BMW passt, was muss der Mann auch so groß sein?
Auf alle Fälle war es ein erlebnisreicher Tag und ich bin voll kaputt ins Bett gefallen. Über Weihnachten war ich dann nicht in Maarja Küla, bin nach Hause geflogen. War echt schön, all meine Freunde wieder zu sehen. Meine zehn Tage zu Hause waren echt gut gefüllt, aber das war gut so. Ich konnte fast alle sehen und es gut getan und mir wieder Kraft gegeben. Der Abschied am Flughafen war dann wieder nicht so schön, aber es wollen mich viele Leute besuchen kommen, da war es dann nicht ganz so schwer. Da mein Flieger etwa zeitgleich ankam, wie der Bus nach Tartu abfuhr, musste ich in Riga übernachten. Eigentlich dachte ich, dass ich bei Dirk in Riga pennen könnte, der hatte aber leider ein Wintercamp, also wurde daraus nix.
Ich wusste also nicht, wo ich in Riga hin sollte. Eigentlich wollte ich mich dann über Nacht in irgendeinem billigen Hotel einquartieren, aber ich saß im Flugzeug dann neben einer voll netten Frau, die zufälligerweise in Riga arbeitet und mir spontan einen Schlafplatz bei ihr in der Wohnung angeboten hat. Das habe ich natürlich ohne Zögern angenommen. Wir haben dann noch einen nächtliche Spaziergang durch die Altstadt von Riga gemacht und Claudia hat mir alles sehenswerte gezeigt. Sie ist Architektin und konnte mir dann natürlich alle interessanten Gebäude zeigen.
Am nächsten Tag hatte ich dann fast den ganzen Tag Zeit, bis mein Bus nach Tartu ging. Habe mir dann noch alles im Hellen angesehen und noch alle anderen interessanten Punkte in Riga abgeklappert. War schon ein interessanter Tag und wenn man weiß, wo man hingehen kann, ist Riga eine echt schöne Stadt.
Wieder zurück in Estland war ich dann spät abends, deswegen habe ich bei Huko in Tartu geschlafen, da ich nicht mehr ins Dorf gekommen wäre. Es hatte sich eigentlich nicht wirklich was verändert, deswegen hatte ich auch bald das Gefühl, dass ich eigentlich nicht weg gewesen war. Genau wie in der Schule, da hatte man auch schon nach dem ersten Schultag das Gefühl nie Ferien gehabt zu haben.
Etwas hat sich doch verändert: Unsere Bewohner gehen jetzt zur Schule, oder besser gesagt, die Schule kommt zu ihnen. Maarja Küla ist jetzt sozusagen eine Filiale einer Gartenschule in Räpina. Wie gewohnt arbeiten unsere Bewohner mit dem Werkenlehrern zusammen, aber jetzt haben sie auch Unterricht in Estnisch, Mathe und so weiter. Am Monat war die Einschulung, wenn man das so nennen kann, ich konnte leider nicht dabei sein, worüber ich ziemlich sauer war. Ich hatte an dem Tag Küchendienst, Huko hatte aber gemeint, dass es kein Problem wäre, wenn ich auch mitkommen würde. Leider war das eine falsche Annahme, da die Bauarbeiter auch was Essen wollten und sich das nicht einmal selbst machen konnten. Also musste ich im Dorf bleiben, ich hab den Bauarbeitern die Pest an den Hals gewünscht. Ich glaube zwar nicht, dass die Einschulung sonderlich interessant war, aber ich wäre einfach gerne dabei gewesen. Es hat nicht sollen sein.
So hatte ich halt einen ruhigen Tag im Dorf, da fas niemand da war. Das war jetzt in Kurzform so das Wichtigste, was in den letzten zwei Monaten passiert ist.
Ich versuche mich öfter hier zu melden. Versprochen.