Was ist Armenien?
In dieser Reportage geht es um die Richtigstellung von verschiedenen Unwahrheiten über das Land Armenien.
"Bitte wo willst du hin?" Das war die Reaktion der meisten, als ich erzählt habe, was ich nach der Schule machen will. Meistens war die zweite Frage dann: "Und wo genau liegt das?" Nach der Erläuterung, dass Armenien zwischen der Türkei, dem Iran, Aserbaidschan und Georgien liegt, folgte meist ein Blick, der zwischen Bewunderung und Entsetzen schwankte, und die Frage, was ich denn da machen wolle. Für die meisten war dann klar, dass ich verrückt sei mitten in ein "Krisengebiet" zu fahren. Tatsächlich begegneten mir zahlreiche Vorurteile, Halbwissen und vollkommen falsche Schlussfolgerungen zum Thema Armenien. Diese Reportage möchte ich nun damit füllen, ein paar von diesen Unwahrheiten richtig zu stellen.
1. Armenien ist kein muslimischen Land und man muss kein Kopftuch tragen. Obwohl Armenien an ein Paar mehr oder weniger muslimischen Länder angrenzt sind Moslems hier so gut wie nicht vorhanden.Ich habe bis jetzt keine einzige Frau mit Kopftuch gesehen. Armenien ist ein christlich-apostolisches Land, und war, man glaubt es kaum, das erste Land der Welt, welches das Christentum zur Staatsreligion ernannt hat. Das sieht man an den zahlreichen und wunderschönen Kirchen, die man eigentlich überall in den Städten, aber auch außerhalb finden kann.
2. Armenien ähnelt von der Mentalität Osteuropa. Obwohl man wegen der Lage vermuten würde, dass Armenien nordafrikanisch oder arabisch sein müsste, ist Armenien eher osteuropäisch. Das kommt daher, dass Armenien ein Teil der Sowjetunion war. Durch die enge Verbindung zu Russland und anderen osteuropäischen Ländern haben die Armenier diese Kultur in ihre eigene einfließen lassen. So spricht ein Großteil der Bevölkerung russisch und auch die Architektur lässt einen manchmal glauben, man wäre in Osteuropa. Man sieht durchaus Einflüsse von nordafrikanischen Ländern, wie zum Beispiel an den vielen orientalisch-arabischen Teppichen, oder am Essen, welches man sicher auch im Türkeiurlaub finden konnte.
3. Armenien hat ein gut funktionierendes Schulsystem. Die Schule ist kostenlos und jeder hat ein Recht die Schule zu besuchen. Die Schulpflicht umfasst 9 Jahre und danach kann ein jeder entscheiden, ob er weitere 3 Jahre zur Schule gehen will, um danach die Universität zu besuchen, oder ob er von der Schule abgehen will, um zu arbeiten. Es gibt viele Universitäten, sowohl staatlich,als auch private. Man kann sich aber auch dazu entscheiden in einem anderen Land zu studieren, das "Armenische Abitur" ist in fast allen Ländern anerkannt. Die Analphabetenrate ist sehr niedrig, sie liegt bei 1% und die Alphabetisierungsrate bei Jugendlichen liegt bei 99,8%.
4. Armenien hat sauberes und trinkbares Wasser. Beinahe überall kann man direkt aus dem Wasserhahn trinken, und auch Wasserspender auf Straßen kann man ohne Bedenken nutzen. Armenien hat einen großen Süßwasservorrat und ist auch mächtig stolz darauf.
5. Armenien hat eine eigene, alte und komplizierte Sprache, namens Hajeren, und auch eine eigene Schrift. Die Sprache ist nicht verwandt mit der russischen Sprache und ähnelt auch nicht der türkischen, aber sie ist verwandt mit der griechischen und iranischen Sprache. Die armenische Schrift wurde Anfang des 5. Jahrhunderts von dem Gelehrten Mönch Mesrop Maschtoz entwickelt und besteht aus 39 Buchstaben. Weltweit wird armenisch von circa 9 Millionen Menschen gesprochen, davon leben 3,2 Millionen Menschen in Armenien.
Das war eine Richtigstellung der 5 größten Unwahrheiten, die mir in meiner Vorbereitungszeit begegnet sind. Natürlich ist wohl kein Mensch immun gegen Vorurteile, und Halbwissen, nach dem Motto "der beste Freund des Schwagers der Mutter hat gesagt, dass", ist auch prinzipiell nichts schlimmes, aber man sollte vorsichtig sein, mit dem was man sagt oder zu wissen meint. Am besten lernt man ein Land natürlich nur kennen, wenn man es selbst besucht. Und hiermit lade ich jeden Leser dazu ein, Armenien (und mich) besuchen zu kommen.
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