Was bedeutet hier eigentlich Alltag?
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Offiziell beginnt unser Arbeitstag täglich um 14.00 Uhr. Nach Schulschluss trudeln so langsam die ersten Kinder im Peeteli ein. Gemeinsam wird dann der Tisch gedeckt. Sobald das Essen auf dem Tisch steht wird erst mal ein Bibelvers oder eine kleine Bibelgeschichte vorgelesen, meist in russischer Sprache. Im Anschluss wird noch ein Tischlied gesungen. Dies erfolgt auf Russisch, Estnisch, Norwegisch und auf Deutsch (Danke für dieses gute Essen…). Anschließend darf gegessen werden. Es gilt die Regel: Frauen und Mädchen zuerst. Danach nehmen sich dann die Männer und die Jungen vom Essen.
Das Mittagessen hier besteht zu 95% aus Fleisch, meistens Schweinefleisch. Nicht so einfach für Menschen die es nicht gewohnt sind jeden Tag Fleisch zu essen. Zudem gibt es zu jedem vollständigen Mittagessen zusätzlich noch Brot. Das bedeutet, wenn es z.B. Kartoffeln mit Fleisch und Gemüse gibt, wird dazu noch Brot gegessen. Außerdem gehört zu jedem Mittagessen genauso Sauerrahm. Einfach überall hier wird Sauerrahm dazu getan. Sogar in die Suppe oder auf den Kuchen.
Nach dem Mittagessen werden zuerst einmal alle Hausaufgaben erledigt. Nach bestem Wissen und Gewissen versuchen wir die Kinder soweit es geht dabei zu unterstützen. Das ist allerdings nur beschränkt möglich. Für Hausaufgaben in Estnisch sind unsere Sprachkenntnisse leider noch nicht ausreichend genug. Bei Mathe und Englisch hingegen kommen die Kinder inzwischen schon selbst auf uns zu, weil sie wissen, dass sie dort Hilfe von uns erwarten können. Zur Hausaufgabenbetreuung kommen jedoch täglich noch zwei Lehrerinnen ins Peeteli. Die Hausaufgaben sind online abrufbar und werden täglich von den Betreuern im Peeteli ausgedruckt. Gleichzeitig haben die Eltern die Möglichkeit online ins Klassenbuch einzusehen und die Noten der Kinder sowie Verhaltensbemerkungen nachzuvollziehen.
Nachdem die Hausaufgaben erledigt sind beginnt die freie Beschäftigungszeit. Entweder basteln wir dann mit den Kindern, gehen raus und spielen Fußball oder beaufsichtigen die Kinder beim Inlinerfahren. Manchmal gibt es auch Themennachmittage. Da werden z.B. Postkarten selbst gestaltet von den Kindern, Weihnachtsdekoration wird gebastelt, Kerzen werden mit Serviettentechnik verschönert oder es werden Plätzchen gebacken. Manche selbstgemachten Dinge, wie z.B. Armbänder, werden manchmal verkauft. Das eingenommene Geld wird im Anschluss an unterschiedliche Einrichtungen gespendet. Die Nachmittagszeit wird aber auch genutzt um für bevorstehende Events zu proben. Aktuell wird das Theaterstück für das Weihnachtsevent einstudiert. Dazu wird ebenfalls an den Kostümen und am Bühnenbild gebastelt. Natürlich werden auch die Geburtstage der Kinder gefeiert. Dazu versammeln sich alle gegen 17.00 Uhr mit Kuchen und Kerzen und einem Geburtstagslied am großen Tisch und essen dann gemeinsam. Grundsätzlich gibt es nachmittags 17.30 Uhr nochmal Tee und Kekse für die Kinder. Vor ein paar Wochen wurde das Peeteli mit 700 Stück Aufbackbrötchen beliefert (als Spende). In der Regel gibt es hier keine Brötchen. Amina und ich haben uns zur Aufgabe gemacht diese Brötchen schmackhaft herzurichten und den Kindern am Nachmittag anstelle von Keksen anzubieten. Zu gesund konnten wir die Brötchen aber auch nicht belegen, da sie die Kinder sonst wohl nicht essen würden. Aufgebacken, mit Käse, Wurst und einer Salat-Gruken-Mayonaise Mischung haben wir die Brötchen dann an die Kinder verteilt. In wenigen Minuten waren diese dann auch verspeist. Dazu erhielten wir die Rückmeldung: „Oчень вкусно!“- sehr lecker.Mission erfüllt. :)
Um 18.00 Uhr gehen dann alle Kinder nach Hause, bis auf die, die im Peeteli wohnen. Für uns heißt es dann noch ein bisschen aufräumen und dann begeben auch wir uns auf den Heimweg.
Vier Stunden hört sich jetzt wahrscheinlich ziemlich wenig an. Bei diesen 4 Stunden handelt es sich jedoch lediglich um unsere Regelarbeitszeit. Praktisch schaut das allerdings ein bisschen anders aus. Alle 2 Wochen helfen wir z.B. beim Lebensmittelpakete packen. Im Anschluss werden diese dann an die Familien ausgeteilt. Oft werden wir kurzfristig gefragt ob es möglich wäre, nicht vielleicht ein paar Stunden früher zur Arbeit zu kommen. Gründe dafür können z. B. sein: gespendete Lebensmittel in der dafür vorgesehenen Lagerhalle zu zählen und zu erfassen, Lager-Umräum-Arbeiten, Events vorbereiten, die Ausgabe von Kleiderspenden vorbereiten, Zuarbeiten für die Sekretärin, usw. Einige Events finden manchmal auch an den Wochenenden statt. Natürlich sind wir dann auch anwesend. Auch gibt es manchmal Ausflüge wie nach Südtallinn oder Lettland, welche dann einen oder mehrere Tage beanspruchen. Im Moment hat das bevorstehende Weihnachts-Event höchste Priorität. Die Vorbereitungen dafür sind vielfältig und aufwendig. Aber auch die Weihnachtspost muss verschickt werden. Vor Jahresschluss geht es hier eben noch mal richtig zur Sache. Hin und wieder gibt es natürlich auch Vormittage an welchen uns einzelne Kinder zugeteilt werden und wir mit ihnen ins Schwimmbad oder ins Kino gehen (wie bereits im letzten Beitrag beschrieben). Unsere Arbeit erfordert allerdings auch viel Eigeninitiative. Wenn nicht gerade planmäßige Dinge anstehen an den Nachmittagen, liegt es ebenso bei uns die Kinder zu beschäftigen. Spontanität und Kreativität ist da gefragt und das ist nicht immer eine leichte Aufgabe.
Jeden Dienstag und jeden Donnerstag findet von 9.00 Uhr bis 10.30 Uhr unser Estnisch-Sprachkurs statt. Seit letzter Woche Dienstag gibt es jetzt auch noch einen Russisch-Sprachkurs für uns. Eine Slawistik-Studentin hat sich dazu bereiterklärt uns zu unterrichten (worüber wir sehr froh sind). Wir arbeiten im Peeteli zwar mit russischsprachigen Kindern, aber das alleine reicht einfach nicht aus um unser russisch zu verbessern. Wir wollen unsere Sprachkenntnisse verbessern um auch mal ein bisschen mehr mit den Kindern in ihrer Sprache kommunizieren zu können. Deswegen setzen wir uns jetzt jeweils dienstags und donnerstags nach unserem Estnisch-Sprachkurs für eine bis anderthalb Stunden mit dieser Studentin zusammen und lernen russisch.:) Natürlich müssen wir uns auch außerhalb der Kurse zum Lernen befleißigen. Manchmal fehlt einem dann am Abend aber auch die Motivation dazu, weil man einfach nur noch müde ist. Mittwochs begeben wir uns auch schon vormittags zur Arbeit weil wir an diesem Tag nach wie vor für das Mittagessen zuständig sind.
Unsere Arbeit hier ist also sehr vielseitig und wir werden eigentlich so gut wie zu jeder Aufgabe hinzugezogen, für welche das Stammpersonal hier einfach nicht die Zeit hat. Flexibilität gehört hier demnach zum Tagesprogramm.
Was ich eigentlich auch mal ganz interessant finde: Unterschied zwischen Estland und Deutschland, gibt es da einen?
Ja den gibt es. Wo fang ich da am besten an? In Estland gibt es zum Beispiel keine Bäckereien. Es ist also nicht möglich sich mal eben morgens vor dem Sprachkurs (weil man mal wieder verpennt hat) noch schnell ein belegtes Brötchen beim Bäcker zu holen. Da geht’s auch schon weiter, Brötchen gibt es hier einfach regulär nicht. Standardmäßig wird Brot gegessen. Estland ist wohl auch bekannt für sein gutes Brot. Ich persönlich konnte mich davon noch nicht überzeugen lassen. Brot, Torten/Kuchen oder anderes Süßgebäck können jedenfalls in jedem Supermarkt gekauft werden.
Von den Kassenbändern im Supermarkt kann ich auch ein Lied singen – sooooo kurz. Wenn Amina und ich einkaufen gehen, muss eine von uns bereits vorne stehen und die kassierte Ware schnell einpacken währenddessen die andere noch hinten steht und die restlichen Lebensmittel aufs Band packt, denn der gesamte Einkauf passt einfach nicht drauf. Was macht man hier bei einem Familieneinkauf?? Alleine – undenkbar.
Nicht nur, dass es in den Wintermonaten nur noch so gut wie 4 bis 5 Sonnenstunden gibt, nein, selbst in dieser Zeitspanne wird es nicht mal mehr richtig hell. Als Einwohner hier ist man verpflichtet Reflektoren an seiner Kleidung zu tragen. Tut man dies nicht, kann es zu hohen Geldstrafen kommen.
Falls man hier bereits im September frieren sollte in seiner Wohnung - Pech gehabt. Die Zentralheizung wird erst Mitte Oktober von der Stadt eingeschaltet.
Läden wie Rossmann oder DM?? – Fehlanzeige. Hygiene- und Kosmetikartikel gibt es in den größeren Supermärkten. Andere Artikel wie Pflaster oder dergleichen sind in Apotheken erhältlich.
Wenn man in Estland irgendwo zu Besuch ist bringt man Blumen mit. Das gehört sich hier einfach so.
Ob über das Internet wählen oder Unterlagen unterzeichnen – in Estland wird alles dafür getan, dass man seinen Alltag ohne großen administrativen Aufwand bewältigen kann. Das bedeutet weniger Bürokratie, und Bereiche wie das Gesundheitswesen oder der Bildungssektor werden transparenter und effizienter.
Sauna versteht sich hier auch ein wenig anders. Für die Esten ist die Sauna eher ein Ort wo sie sich waschen können. Es gibt keine Ruheräume oder dergleichen. Es gibt 1 oder 2 Saunen und einen Nassraum in welchem Duschen und Fußbäder zur Verfügung stehen. Es gibt aber auch die Art von Sauna so wie sie in Deutschland bekannt ist. Diese können hier auch separat gemietet werden um Sauna-Parties zu veranstalten. Eine wohl auch sehr beliebte Beschäftigung. Eine Mischsauna darf hier allerdings immer nur in Badebkleidung betreten werden.
Supermärkte oder große Kaufhäuser (wie in Dresden die Altmarktgalerie z.B.) haben hier von Montag bis einschl. Sonntag bis 21.00 Uhr geöffnet. Einzelne Supermärkte haben sogar täglich bis 23.00 Uhr geöffnet.
Die beste und beliebteste Schokoladenmarke in Tallinn ist „Kalev“. Es gab bisher auch wirklich noch keine Schokolade von dieser Marke die mir nicht geschmeckt hat.
Estland hat eine wunderschöne Natur von Sümpfen und Mooren bis hin zu Nationalparks und natürlich zum Meer.
Freies WLAN gibt es hier an sehr vielen öffentlichen Plätzen.
Auch zum Schulsystem in Estland hier noch ein kurzer Einschub:
Vorschulprogramme für alle fünf-und sechsjährigen Kinder sind Pflicht und finden entweder in den Kindergärten oder in den Schulen mit vom Staat bezahlten Pädagogen statt. Das Bildungswesen gliedert sich in den Vorschulbereich, Grundschule (Primärbereich, Klasse 1- 4), weiterführende Schulen (Sekundarstufe 1, Klasse 5-9), höhere weiterführende Schulen (Sekundarstufe 2, Klasse 10-12), berufsbildende Schulen, Hochschulen und Universitäten. In Estland gilt eine neunjährige Schulpflicht (Primär- und Sekundärstufe 1), die mit Erreichen des siebten Lebensjahres beginnt und nach Abschluss der neunjährigen Ausbildung bzw. mit dem 17. Lebensjahr endet. Nach Abschluss der Sekundarstufe 1 können die Schüler zwischen einer berufsbildenden Schule bzw. beruflichen Ausbildung mit dem Besuch der entsprechenden Berufsschule oder einer weiterführenden Schule (staatliche oder private Gymnasien) der Sekundarstufe 2 wählen. Der erfolgreiche Abschluss der 12.Klasse/ Berufsausbildung berechtigt zu einem Universitätsstudium oder dem Besuch einer berufsbildenden Akademie.
So viel dazu erstmal! :)
Bis demnächst.
Eure Maria :)