Warum eigentlich „Gap year“?
Die Problematik dieser Begrifflichkeit
Als ich mich dazu entschlossen hatte, nach dem Abitur ein „Gap year“ einzulegen, habe ich gar nicht so oft über diese Begrifflichkeit nachgedacht. Dieser Anglizismus ist schon so allgegenwärtig, dass man diesen gar nicht mehr hinterfragt. Erst als feststand, dass ich nach meinem „Gap year“ in Litauen, noch ein weiteres „Gap year“ hintendran hängen werde, habe ich angefangen, mich mit der Bezeichnung für meine aktuelle Lebenssituation auseinanderzusetzen. Ziemlich schnell bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich diese Bezeichnung überhaupt nicht passend finde und schon immer die Anführungszeichnen („ “), bei der Verwendung mit andeute. Denn ohne die Begrifflichkeit und ihren Ursprung zu recherchieren, finde ich, dass sich „Gap“, übersetzt „Lücke“, einfach nicht richtig anhört. Schließlich habe ich ja keine Lücke in meinem Leben, die mit nichts gefüllt ist, ganz im Gegenteil. Aber vor allem wenn ich jetzt noch ein weiteres Jahr ins Ausland gehe und man das wieder als ein „Gap year“ abstempelt und dies mit jedem Jahr im Ausland so weiter geht, habe ich ja irgendwann mehr „Gap years“, wie keine „gap years“.
Das hat mich dazu motiviert, der Begrifflichkeit mal auf die Spur zu gehen. Was bedeutet überhaupt „gap year“? Laut dem Wörterbuch Oxford definiert man „Gap year“ wie folgt: “ a period, typically an academic year, taken by a student as a break between school and university or college education.” (Oxford Languages). Ins Deutsche übersetzt, bedeutet „gap year“ Brückenjahr, Zwischenjahr (dic.cc) oder wenn man es wortwörtlich übersetzten würde, Lückenjahr.
Auch nachdem ich die Definition kannte, finde ich es nach wie vor nicht wirklich treffend, meinen Freiwilligendienst als „Gap year“ zu beschreiben. Schließlich befinde ich mich ja nicht in einer Lücke oder in einem Zwischenjahr. Denn wenn ich mich in einem Zwischenjahr befinden würde, würde das ja voraussetzten, dass ich weiß, was ich danach machen werde. Darüber hinaus ist dieses Jahr ist genauso vollwertig und von Lernerfahrungen geprägt, wie die Jahre zuvor und auch danach sein werden. Nur eben unterscheidet sich die Art und Weise, in welchen Bereichen und durch welche Gegebenheiten ich mir Bildung in den Jahren aneigne.
Während man Schul-, Ausbildungs-, und Hochschulsystem von formeller Bildung spricht, welche hierarchisch geprägt ist und Leistungsnachweise und Verpflichtungen mit sich bringt, findet nicht formelle Bildung beispielsweise durch einen Freiwilligendienst statt. Hierbei geht es um jede Form von Bildung, die auf freiwilliger Basis passiert. Darüber wird auch viel in den Vorbereitungs,- und Zwischenseminaren gesprochen, denn jeder soll seinen Aufenthalt als Lernerfahrung zu verstehen wissen. Vor allem als Lernerfahrung im interkulturellen Kontext.
Abschließend würde ich der Begrifflichkeit eines „gap years“ am ehesten mit der Begründung zustimmen, dass es sich in meinem Freiwilligendienst nicht um formelle Bildung gehandelt hat, weswegen der Teil der Definition zutrifft, dass ich mich in einer akademischen Pause befinde. Denn ich befand mich zu dem Zeitpunkt nur sehr wenig in einer formellen Bildungsinstitution und das Lernen hat überwiegend auf informellen Weg stattgefunden. Doch eigentlich trifft dieser Teil auch nur bedingt zu, weil auch ich mir in diesem Jahr Bildung, in formalen Bildungseinrichtungen angeeignet habe, es war nur nicht meine Hauptbeschäftigung. Beispielsweise durch meinen litauischen Sprachkurs, der zwar nicht mit Leistungsnachweisen abgeschlossen wurde, aber trotzdem sich nicht groß von meinen Französisch und Spanisch Klassen in der Schule unterschieden hat.
In Litauen hat sich anstelle der Begrifflichkeit „gap year“, die „academic break“ als Begrifflichkeit eingebürgert, was ich viel passender finde, sollte dieses Jahr zwischen formeller Bildungsabschnitten stattfinden. Doch auch viele absolvieren einen Freiwilligendienst erst nach dem Studium. Zudem gibt es auch Menschen, die nach dem Schulabschluss nie wieder eine formale Bildungseinrichtung besuchen, dann benutzt man ja auch nicht für die darauffolgenden Jahre den Begriff „Gap year“. Genauso wenig, bei Menschen, die es zu irgendeinem Zeitpunkt, absolvieren. Außerdem macht man ja keine „Gap“, bzw. doch, aber nur von der formellen Bildung, doch keine von allgemeiner Bildung, da man sich in Auslandsjahren, ganz viel wissen aneignet. Schließlich wird eins Auslandsjahr ganz oft, als Lernerfahrung im interkulturellen Kontext beworben!
Quellen:
https://www.oxfordlearnersdictionaries.com/definition/english/gap-year?q=gap+year
https://www.dict.cc/?s=gap+year
Bildungsformen | Netzwerk Stiftungen und Bildung (netzwerk-stiftungen-bildung.de)
https://www.entwicklungsdienst.de/fileadmin/AKLHUE_Relaunch/Statistische_Erhebung_Outgoing_2017.pdf