Vorgeschmack auf den Winter
Am vergangenen Donnerstag schneite es das erste Mal in Oslo. Was einige Tage später bleibt, ist aber leider nur Glatteis. Außerdem: Impressionen meines Arbeitstages.
Ja, bei mir hat es tatsächlich schon einmal geschneit, auch wenn ich dem Wetterbericht nicht so recht trauen wollte. Als ich dann aber am Donnerstagabend nach dem Klettern nach draußen trat, kamen kleine weiße Flöckchen vom Nachthimmel gesegelt und am nächsten Morgen sah es im Garten schön weiß aus! Leider ist der Großteil davon jetzt wieder weg, nur das Glatteis hält sich hartnäckig. Nächste Woche sollen es auch Plusgrade werden... Das Wetter spielt eben verrückt, hier in Norwegen. In Geilo waren es gestern z.B. -20°C und heute -2°C - eine Differenz von 18°C!
Und da ich euch ja eigentlich nie so richtig von einem meiner Arbeitstage erzählt habe, werde ich das jetzt mal tun, auch wenn der Freitag kein normaler Arbeitstag in dem Sinne war, denn ich war den ganzen Tag auf Arbeit, weil am Abend das Herbst(!)treffen begann.
Also, ich habe mir inzwischen erlaubt, meine Aufstehzeit von viertel auf halb acht zu verschieben. Da das ja nicht so früh ist, wie zu Hause für die Schule dazumal (6 Uhr 10...), nehme ich mir hier auch die Zeit zum Frühstücken - vorzugsweise Marmeladenbrot, aber damit die Proteine auch nicht zu kurz kommen, mindestens eine Scheibe mit Schinken oder Käse dazu. Außerdem trinke ich hier fast täglich Milch, die schmeckt hier wirklich besser als in Deutschland, zumindest die Milch von "Tine". Dann mache ich mich auf zu meiner U-Bahn-Station, wobei diese sich aber oberirdisch befindet, die U-Bahn ist eigentlich erst nach der Station Majorstuen im Zentrum eine richtige U-Bahn. Im Norwegischen heißt sie übrigens T-ban, tunnel ban.
Nach ca. fünf Minuten bin ich dann schon am Ullevaal Stadion angelangt. Theoretisch könnte ich auch laufen, da müsste ich dann 20 Minuten einplanen. Mache ich aber nur, wenn mir gerade danach ist, was bisher ganze zwei (!) Mal vorkam. Gleich daneben liegt mein Arbeitsplatz, das "Idrettens Hus" (Haus des Sports), welches direkt an das Ullevaal Stadion gebaut ist.
Durch den Haupteingang gehe ich aber selten, denn für mich ist es praktischer, den Eingang zu nehmen, über dem groß die Lettern "NORGES FOTBALLFORBUND" prangen, durch den man z.B. auch zum Norwegischen Golfverband gelangen kann - wobei Golf für mich ja kein Sport ist, aber das ist ein anderes Thema...
In der dritten Etage (also laut norwegischen Maßstäben eigentlich in der vierten Etage, denn Erdgeschoss = Erste Etage) sitze ich, aber leider nicht am Fensterplatz. :) Nach Erklimmen von unzähligen Treppenstufen komme ich endlich oben an - nein, Scherz, ich nehme fast immer lieber die Treppe als den Fahrstuhl, das hält außerdem fit.
Dann heißt es, das lange Büro zu durchqueren, die Kollegen, die schon zu so früher Stunde da sind, begrüßen (es kommt oft vor, dass es totenstill ist und nur Per einsam vor seinem Rechner sitzt). Per ist natürlich immer schon vorher da und merkt wahrscheinlich an meinem Gang, dass ich es bin, der sich da von hinten anschleicht. Ich schmeiße dann auch meinen liebenswerten Arbeitscomputer an, der mich mit seiner, sagen wir, Langsamkeit oft genug an den Rand des Wahnsinns bringt.
Dann sind Per und ich aber schon zum Treffen mit den Skikreisangestellten gegangen, die anlässlich des Herbsttreffens angereist waren und als das vorbei war, bin ich runter in die Kantine gerauscht und habe ein paar belegte Brote, Saft und Kaffee für die versammelte Belegschaft abgeholt. Kein leichtes Unterfangen bei zahlreichen Türschwellen und Türen, die nicht so nett sind, sich von selbst zu öffnen. Ich selber durfte dann runter in die Kantine essen gehen, da war ich auch ganz froh drüber, denn da gibt es immer so viel Verschiedenes zu essen, dass auch ich garantiert etwas Essbares für mich darunter finde, fast jedes Mal z.B. einen schönen leckeren Salat. Zwar wird schon wieder intern diskutiert, ob man den Lunsj für den Skiverband nicht wieder nach oben in die Skistube verlagert, aber noch essen wir in diesem schönen großen und lichtdurchfluteten Lunsjsaal. Am Freitag gab es Frühlingsrollen mit Reis, passender Soße und Salat. Ich habe mir außerdem noch eine Tomatensuppe dazu gegönnt. Ist also manchmal fast wie ein deutsches Mittagessen, aber häufig esse ich auch nur Salat und Schnitte, wenn ich nun aber Klettertraining habe, ist es sehr praktisch, zwei Mal warm esen zu können, das gibt Kraft!
Danach gab es für mich noch viel zu tun, denn es rief mein liebster Freund und Feind: Die Kopiermaschine! Freund insofern, als dass sie mir relativ zügig alles Mögliche ausdruckt und sogar zusammenheftet, Feind insofern, als dass sie bei mehreren und somit zeitaufwendigeren Kopien automatisch zum Streitobjekt wird, manchmal einfach einen Ratsch hat oder ständig über Papiermangel klagt. Irgendwann war ich aber auch mit dem Kopieren fürs Herbsttreffen fertig, denn ich hatte wohlweislich schon zwei Tage vorher damit angefangen und den netten kleinen Stapel kann man sicher auf einem der Bilder erspähen (eins ist etwas verwackelt, aber da sieht man auch ein bisschen vom Rest des Büros).
Dann habe ich einen Läufer für die FIS-Liste registriert (FIS ist der Internationale Skiverband), denn am 1. November muss alles fest sein, dann erscheint die neue FIS-Liste und wer da nicht draufsteht, der kann nicht starten. Vergebliche Mühe gab ich mir in Bezug auf die Transponderliste. Transponder, das sind diese kleinen Dinger, die die Läufer über den Knöcheln befestigen müssen, denn sie übermitteln die Zeit an Sender, die an der Strecke stehen. Wer von euch ab und zu mal Wintersport schaut, der wird sehen, dass wenn der Athlet an bestimmten Stellen vorbeiläuft, plötzlich seine Zwischenzeit auf dem Bildschirm erscheint - der Transponder macht's möglich. Und ich muss die neuen Transponder der Athleten für die kommende Saison registrieren. Leider ist es da häufig so, dass in der Datenbank Dubletten (?) existieren, also dass ein Athlet zwei- oder noch mehrmals vorhanden ist. Diese vielen Identitäten wieder zu einer zu machen, das hat mir den letzten Nerv geraubt, ich musste es erst einmal verschieben.
Mich erreichte dann auch eine Mail von unserem Pressemann Claes-Tommy Herland mit den offiziellen Maskottchen der WM 2011 in Oslo - also ich finde sie nicht besonders hübsch und dann soll man denen auch noch Namen geben... Da find ich den Zeichner ansehnlicher, ein wenig, zumindest. :)
Außerdem hatte ich aber noch ein schönes Gespräch mit meiner Mentorin Kristine, das war mir sehr wichtig, erstens, weil ich gerne mit ihr rede und zweitens, weil es auch etwas gab, über das ich mit ihr sprechen musste. Sie war erst am Mittwoch aus Val Senales wiedergekommen, wo die Sprint- und Allroundmannschaft der Herren und Damen ihr Höhentraining absolviert haben.
Am Abend ging dann das Herbsttreffen los, in dessen Zusammenhang ich einige nette Menschen (wieder)traf, so z.Bsp. Benthe Asp aus Steinkjer oder Stimmungskanone Asgeir Moberg aus Bardu in der Region Troms.
Zackig ging es am nächsten Tag weiter, auch wenn ich erst einmal meine U-Bahn verpasste, weil ich nicht wusste, dass die am Wochenende von 8 bis 10 Uhr nur aller halben Stunde fährt. Ich kam gerade noch rechtzeitig hinein, um die offizielle Verkündigung meines Namens mitzukriegen, denn ich stand hier knapp vor einem Herrn namens Andersen als Erste auf der Teilnehmerliste für das Langlauftreffen.
Wenn ich mich die ganze Zeit konzentriert hätte, hätte ich sicher auch das meiste der Sätze verstanden, aber da wird man wirklich müde davon, deshalb habe ich es meinem Sitznachbarn Aage, unserem Sportchef, gleichgetan und ein bisschen im Internet rumgestöbert oder fleißig Obst gegessen. Na ja, nicht nur Obst, auch ein bisschen schwedische "Daim"-Schokolade. Oma Gudrun, du würdest vor Neid erblassen, wenn du sehen könntest, wie viel "Daim" es hier gibt, in allen Längen, Breiten, kurz gesagt: Größen, in anderer Schokolade drin, als Kuchen, was auch immer. Hier ein Zeugnis meiner Zwischenmahlzeit mit der Einladung zur NM (Norges Mesterskap=Norwegische Meisterschaft) als Hintergrund. Der Text darauf ist Dialekt (man schreibt hier mit Vorliebe in Dialekt) und ist mit ein paar Nynorsk (dieses andere Norwegisch...) - Kenntnissen aber zu übersetzen: "Ich komme zur NM - kommst du?"
Weil wir das Herbstreffen ja in den Räumen der "Ullevaal Businnes Class" (UBC) abgehalten haben, konnte man auch schön ins Stadion (Heimrasen des Vaalerenga IF und der Nationalmannschaft) schauen, also das kann ich sonst auch, aber hier hatte man richtig Zeit dafür.
Nicht nur zu Hause in Dresden ging beim Spiel Dynamo Dresden - Hansa Rostock die Post ab, auch im Ullevaal Stadion war einiges los, da der Heimatverein Vaalerenga IF gegen den Lilleström SK antreten musste (Lilleström ist gleich bei Oslo). Ich wollte nämlich ein Päckchen von unserem Chefausstatter Björnar für mich aus Pers Auto holen, welches sich in der Garage befand und musste dafür einen Umweg machen, denn viele Durchgänge waren gesperrt, damit auch keiner unbehelligt reinkam. Polizei war auch da und ich musste meine Skiverbandskarte vorweisen, um in die Garage zu gelangen. Da hätte ich mir eigentlich auch ein bisschen das Spiel anschauen können, vor allem als ich gegen Ende desselben noch einmal runter musste, um ein Päckchen von Björnar aus dem Lager zu holen, da konnte ich dann ganz unbehelligt durch den VIP-Bereich stolzieren... Immer geht das leider nicht, weil meine Skiverbandskarte mir nicht die Türen des Fußballverbandes öffnen kann, da muss mich eben jemand durchlassen oder es ist einfach offen. :)
Von Björnar bekam ich jedenfalls nützliche Sachen für den Winter und Per ist natürlich immer darauf bedacht, dass auch alles, was noch fehlt, auch noch nachkommt. Björnar selbst ist wieder auf dem Weg nach Val Senales, diesmal aber mit dem Flugzeug, oho! Denn sonst fährt er mit Vorliebe von Norwegen ins Val Senales oder auf die Seiser Alm mit dem Auto!
Abends gab es dann ein gemeinsames Mittagessen mit allen Herbsttreffenteilnehmern mit Lachs in der Vorspeise und irgendeinem Kotelett als Hauptspeise, das Dessert war besser, kam aber nicht an das vom Lunsj heran. So viel zum Essen. :) Danach wurden Diplome für die engagiertesten Menschen in den Skivereinen verteilt und auch noch für den aktivsten Skiklub. Auch bekamen verschiedene Vereine Geldprämien von den "Freunden des Langlaufsports" (Langrennsportens venner), vertreten von ihrem 85-jährigen Vorstandsvorsitzenden Frank Pedersen, einem sehr netten Menschen.
Unterhalten wurde ich an diesem Abend aber vor allem von Asgeir Moberg, der mich ja wegen meiner Norwegischkenntnisse (und beginnenden Nynorskkenntnisse) ständig über den grünen Klee lobt, aber auch berichtigt, wenn ich etwas falsch sage. Im Gegenzug habe ich sein Deutsch etwas ausgebessert, denn wenn er ab und an als Stadionsprecher fungiert, kann es vorkommen, dass er Deutsch sprechen muss.
Asgeir war dann wohl bis ca. um drei Uhr nachts wach... da verstand ich, was Per meinte mit, wenn ich mich bei der Filmnacht zu "Herr der Ringe" (mehr dazu unten) nicht wachhalten könnte, solle ich Asgeir anrufen, der würde das schaffen...
Kurz nach 11 war ich dann wieder zu Hause und habe mit meinem Papi und lieben Brüderchen Telefonkonferenz gehalten. Denn meine Ellis sind ja nun 6 Wochen im Urlaub, 5 Wochen Neuseeland und eine Woche Australien, um dort unser ehemaliges Gastkind Torrin zu besuchen. 36 Stunden Reisezeit, da ist meine lange "Herr der Ringe"-Nacht gar nichts dagegen! (Ich gehe nämlich zusammen mit meiner Freundin Annija aus Lettland, die hier auch Freiwillige ist, zum "Großen Kinotag", der traditionell mit dem Nachtmarathon der "Herr der Ringe"-Filme eröffnet wird, von Freitag 5. Nov. 23h59 bis Samstag 6. Nov. 10h45! Ich habe mir den Freitag zum Schlafen freigenommen...)
Heute wurde dann noch einiges zur WM in Oslo besprochen sowie ein paar andere Sachen, und mit dem Lunsj abgeschlossen. Morgen habe ich frei, denn ich habe ja eine ganze Woche durchgearbeitet und mal schauen, was ich da tun werden - auf jeden Fall erst mal lange schlafen!
Bis zum nächsten Mal,
Eure Henni