Von Müllern und Eseln - Rumänien im Abstiegskampf
"Ein rumänisches Sprichwort besagt: 'Wenn man durch Arbeit zu Reichtum käme, müssten die Mühlen den Eseln gehören.'" Frauqui berichtet über die zunehmende Unzufriedenheit der Rumänen.
Der östlichste Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist angetreten zum Wettlauf mit den großen Brüdern im Westen. Denn obgleich die hohen Tiere in Ländern wie Deutschland und Frankreich mit einem gönnerhaften Lächeln auf den vermeintlichen Trümmerhaufen der post-kommunistischen Nation hinabblicken, steigt aus der Asche der Ceauşescu-Ära eine neue Regierung auf, die das Rennen gewinnen will - um jeden Preis!
Und während man sich in Deutschland über Meldungen wie eine neue Fast-Food-Steuer in Rumänien amüsiert, haben die hiesigen Angehörigen der stetig schrumpfenden Mittel- und kontinuierlich wachsenden Unterschicht wenig zu lachen.
Das internationale sozialistische Online-Magazin "World Socialist Web Side" wirft einen Blick auf die geplanten Reformen der neu gewählten Basescu-Boc-Regierung. In dem Artikel "Rumänien: Neue Regierung bereitet soziale Angriffe vor" vom 12. Januar berichten Diana Toma und Markus Salzmann von den Plänen der sozial-konservativen PDL, die Massenentlassungen, Gewaltkürzungen und weitere Reduzierungen des ohnehin schmalen Budgets für das rumänische Gesundheitssystem implizieren.
Nach dem politischen Chaos im vergangenen Herbst, das die Handlungsunfähigkeit des Parlaments sowie die Abwahl von Regierungschef Emil Boc zur Folge hatte, fährt der wiedergewählte Premier schwere Geschütze auf. Und dass ihn das bei einer aktuellen Arbeitslosenquote von ohnehin 7,8 Prozent nicht zum Volksheldenmacht, versteht sich von selbst. Warum er dann wiedergewählt wurde, müsste man sich an dieser Stelle fragen. Doch bei der Betrachtung des politischen Gesamtbildes wird deutlich, dass auch die konkurrierende sozialdemokratische Partei PSD keine Alternativen zu bieten hat; außerdem sank durch die Massenausstiege im Oktober die Glaubwürdigkeit der Partei zusätzlich.
In einem sozialistischen Magazin wird natürlich zu allererst der Finger auf den Bourgeoisestaat mit seinen vermögenden Strippenziehern gerichtet. Doch in Rumänien sieht es aktuell tatsächlich so aus, als könne man zur Zeit mit Geld alles erkaufen.
An dieser Stelle ist es nötig, die Situation eines rumänischen Durchschnittsbürgers zu verdeutlichen:
Die Kaltmiete einer Bloc-Wohnung in einer mittelgroßen Stadt liegt in der Regel zwischen 200 und 300 Euro. Der durchschnittliche Lohn eines Angestellten oder Arbeiters liegt gleichzeitig etwa zwischen 250 und 400 Euro. So liegt es auf der Hand, dass selbst in einer Doppelverdiener-Familie nach dem Abzug von Heiz-, Wasser-, Elektrik- und Lebenserhaltungskosten nichts übrig bleibt - besonders, wenn Kinder vorhanden sind!
Aus dieser Situation heraus wächst ein deutlich sichtbares Netz aus Korruption, besonders von Beamten und im Dienstleistungsgewerbe. Wer im Krankenhaus eine angemessene Behandlung erwartet, muss trotz Versicherung tief in die Tasche greifen und ein Strafzettel lässt sich mit ein paar knisternden Scheinen des Neuen Rumänischen Leu mühelos aus der Welt schaffen.
Die Rumänen sind sauer - und das aus gutem Grund! Die Minderheit der Großverdiener des Landes kann sich gewissermaßen politische Immunität erkaufen und sitzt an den Hebeln hinter Machthabern und Gewerkschaftsverbänden. Für die Mehrheit der Geringverdiener dagegen verschlechtert sich die Lebenssituation zusehends. Mit einem Anstieg der Benzinpreise wird nicht nur Autofahren, sondern auch Lebensmittel durch eine Steigerung der Importkosten teurer. Bleibt das Gesundheitsbudget tatsächlich gleich, müssen davon zunächst die Defizite des letzten Jahres ausgeglichen werden, sodass am Ende deutlich weniger bleibt. Von den "Servicekosten" ganz zu schweigen.
Aber welche Alternative gibt es in Rumäniens finanzieller Misere? Kann dadurch, dass heute der Gürtel enger geschnallt wird, morgen tatsächlich ein Aufschwung erreicht werden?
Was die Menschen in Rumänien angeht, so interessieren sie diese Fragestellungen herzlich wenig. Ihre Wut richtet sich gegen die Regierung, gegen den unscheinbaren Mann mit der rahmenlosen Brille, der ihnen mit blumigen Worten ihren sozialen Abstieg schmackhaft zu machen versucht.
Ein rumänisches Sprichwort besagt: "Wenn man durch Arbeit zu Reichtum käme, müssten die Mühlen den Eseln gehören." Und der Unwille der Esel gegenüber dem Müller könnte die Mühlen des Landes schon bald zum Stillstand bringen...