Von hohen Preisen, einem kurzen Wintereindruck, Traktortouren und Urlaubplänen
Becci berichtet unter anderem vom Farmleben: „Ich arbeite nun nachmittags, wie ich es mir gewünscht habe, auf der Farm, was super ist. Nun melke ich fast jeden Tag, verteile Stroh im Stall, werfe Heuballen durch die Gegend und trinke in der Pause Kaffee mit frisch gemolkener Milch. Ein weiteres Highlight bei der Farmarbeit: ich darf nun Traktor fahren!“
Seit meinem letzten Eintrag ist wieder ein Monat vergangen und nun bin ich schon seit vier Monaten in Norwegen. Mein letzter Eintrag war kurz vor meinem freien Wochenende mit Odilia in Oslo. Das kommt mir schon unendlich lange her vor und seither ist viel passiert.
Das Wochenende in Oslo zusammen mit Odilia war super. Wir sind unendlich viel gelaufen und haben viel gesehen und es tat gut einfach mal aus Solborg raus zu sein. Der einzige Nachteil, den wir deutlich zu spüren bekamen: wenn man sein freies Wochenende in Oslo verbringt, muss man reich sein. Norwegen ist einfach ein sehr teures Land und man sollte entweder zum Geizkragen werden oder aber einfach nicht mehr in Euro umrechnen. Trotzdem werde ich dieses letzte Wochenende mit Odilia in schöner Erinnerung behalten. Ich habe jetzt das Gefühl, mich ein wenig in Oslo auszukennen, weil wir so viel gelaufen sind. Außerdem mag ich die Stadt immer mehr.
Den Freitag haben wir mit Stadterkundung und dann abends mit einem Besuch in einer netten Kneipe verbracht. Samstags wollten wir Shoppen gehen was jedoch wegen der Preise unmöglich war. Die meiste Zeit haben wir uns in Grøneløker (einem Stadtteil von Oslo) aufgehalten, in dem es viele nette Cafés, Second-Hand-Shops und ausgefallene Läden gibt. Samstagabends sind wir dann ins Kino gegangen und Sonntag am Hafen und im Vigeland-Park gewesen. Als wir Sonntagabend zurück in Solborg waren, hatten wir zwar kein Geld mehr und waren super müde, aber umso glücklicher.
Das Wochenende darauf ist Odilia dann nach Hause geflogen. Wir haben eigentlich das ganze Wochenende Abschied gefeiert, waren Freitagabend im nächsten Ort weg und haben dann Samstag hier gefeiert. Sonntagmorgen habe ich sie zum Flughafen gefahren, denn ich darf, nun da ich drei Monate hier bin, auch hier Auto fahren! Wir waren beide so müde und es war viel zu früh als das wir hätten großartig traurig sein können.
Trotzdem war es ein komisches Gefühl zu wissen, dass sie nun weg ist, denn bis dahin kannte ich Solborg nur mit Odilia. Seitdem sie weg ist, telefonieren wir jedoch einmal die Woche. Und vorgestern hab ich erfahren, dass sie über Weihnachten herkommt. Darauf freue ich mich schon sehr. Ich glaube, ich hab mit ihr eine Freundin gefunden, die ich so schnell nicht wieder verlieren werde. Seitdem sie weg ist, verbringe ich mehr Zeit mit den Italienerinnen oder auch mit den anderen Deutschen hier.
Nach und nach wurde es hier immer winterlicher. Die Tage wurden immer kürzer und nun wird es schon um halb fünf dunkel, dass heißt, wenn ich vom Nachmittags-Workshop nach Hause gehe, kann man die ersten Sterne sehen.
Seit dem 17. Oktober hat hier das Winterhalbjahr begonnen. Das bedeutet, dass einige Workshops nicht mehr existieren und andere aufmachen. Der Garten zum Beispiel ist im Winter geschlossen, so auch die Syltetøy-Gruppe. Stattdessen haben der Woodworkshop und die Weberei aufgemacht. Ich arbeite nun nachmittags, wie ich es mir gewünscht habe, auf der Farm, was super ist. Nun melke ich fast jeden Tag, verteile Stroh im Stall, werfe Heuballen durch die Gegend und trinke in der Pause Kaffee mit frisch gemolkener Milch. Ein weiteres Highlight bei der Farmarbeit: ich darf nun Traktor fahren! Was aber den Nachteil hat, dass ich nun zu den Leuten gehöre, die im Winter zum so genannten Snowcleaning eingetragen sind.
Letzte Woche Dienstag wurde ein neues Kalb geboren, was ich leider verpasst habe, weil ich vormittags ja weiterhin koche. Jedoch könnte es heute Nacht die Chance geben, die Geburt des nächsten Kalbes mitzuerleben. Vielleicht werde ich nachher noch mal in de Farm vorbei schauen.
Eigentlich war fast der ganze Oktober noch recht sonnig, ein richtig schöner Herbst, der am 22. Oktober plötzlich vorbei, war als es anfing zu schneien. Zunächst nur ein wenig Schneeregen, was in Anbetracht des Datums für mich schon phänomenal genug war. Als ich dann am Sonntagmorgen (23.10.2005) aus dem Haus trat, um zur Farm zu gehen (es war mein Melkwochenende) lagen zehn Zentimeter Schnee! Ich war wirklich beeindruckt und verwirrt, weil ich plötzlich das Gefühl hatte, es ist bald Weihnachten oder doch zumindest schon Ende November. Die nächsten Tage schneite es weiter, so dass wir dienstags stolze 30 Zentimeter Schnee hatten. Es war recht kalt, aber trotzdem sonnig zwischendurch. Die Landschaft hier ist ja so schon beeindruckend, zusammen mit dem Schnee war es wirklich unbeschreiblich schön! Ich war soso glücklich, weil ich mir unbedingt ganz früh ganz viel Schnee gewünscht habe, schließlich bin ich in Norwegen!
Ich hätte nie geglaubt, dass so viel Schnee einfach so wieder wegtauen kann. Ende der Woche wurde es jedoch plötzlich sehr warm und innerhalb kürzester Zeit war der ganze Schnee so schnell wie er kam auch schon wieder weg! Es war zwar nur ein kurzer Eindruck des Winters aber ich freue mich jetzt schon auf den Schnee, der länger bleiben wird. Auf jeden Fall weiß ich nun, dass warme Socken und Wollunterwäsche hier dringend nötig sein werden.
Vom 24. bis 28. Oktober hatte ich einen Kochkurs! Morgens haben wir immer alle zusammen gekocht und außerdem etwas über Essen gelernt, zum Beispiel über Kräuter und Gewürze oder die Zusammensetzung von Pflanzen. War alles in allem sehr interessant und vor allem das Kochen mit vielen Leuten zusammen hat Spaß gemacht, da ich seit einiger Zeit ja recht alleine in der Küche bin. Zum Abschluss waren wir Freitag in einem Museum (Hadeland Folkemuseum) und haben uns angeschaut, wie man vor einigen hundert Jahren gekocht hat.
Ansonsten steht nun fest, das Iselin, die Behinderte, um die ich mich kümmere, umziehen wird und ich somit nicht mehr für sie „verantwortlich“ bin. Ich finde das sehr traurig, weil sie sehr lustig und lebhaft ist und das Haus ohne sie sehr ruhig und langweilig werden wird. Außerdem habe ich nie große Probleme mit ihr gehabt und bin gut mir ihr zurecht gekommen. Jedoch wird sie mir nach ihrem Umzug in der Küche helfen, somit sehe ich sie weiterhin. Trotzdem werde ich sie vermissen.
Letztes Wochenende war das Introductions-Camphill-Seminar in Solborg (ursprünglich war es ja irgendwo in der Nähe von Trondheim geplant). Dass heißt, alle Young-Coworker (Leute, die das erste Jahr in einem Camphill sind) kommen zusammen, um die Geschichte vom Camphill zu lernen und vielleicht eine kleine Ahnung davon zu bekommen, was Anthroposophie ist.
Zu meiner Verwunderung musste ich feststellen, dass ich wohl hier in einem Camphill gelandet bin, das noch mehr oder weniger international ist. Die anderen Camphills bestehen fast nur aus Deutschen. Von 41 Leuten waren 38 deutsch. Das fand ich insgeheim etwas blöd, weil ich ja eigentlich nicht in Norwegen bin, um ganz viele Deutsche zu treffen. Trotzdem hatten wir jede Menge Spaß und ich hatte das Gefühl, dass ich in der ein oder anderen Diskussion über mehr oder weniger intelligente Fragen mein Gehirn mal wieder mehr benutzt habe, als ich es hier im Alltag tue. Denn beim Kochen und bei der Farmarbeit denkt man doch nicht all zu viel. Auf jeden Fall kennt ich nun ein paar Leute in Norwegen und Schweden, die ich ja auch mal besuchen und so ein wenig mehr von Norwegen oder sogar Schweden bereisen könnte. Im Februar ist das nächste Seminar, dann irgendwo in den Bergen!
Tja, und heute bin ich seit genau vier Monaten hier! Morgen kommen meine Mutter und ein Freund zu Besuch und sie bleiben bis nächsten Mittwoch. Das Wochenende verbringen wir in Oslo und am Sonntag kommen wir dann nach Solborg zurück. Die nächste Woche wird seltsam werden, denn alle Behinderten verreisen zusammen mit fast allen Co-Workern. Das heißt, das Dorf ist ganz leer! Ich bleibe jedoch hier, weil ich ja Besuch bekomme. Einerseits schade, andererseits freue ich mich schon auf meine Mama!
Auch mein erster Urlaub steht nun fest. Ich werde vom 15. bis zum 22. Dezember in Deutschland sein und hoffentlich ganz viele Leute wieder sehen! Aber bis dahin dauert es ja noch etwas und zunächst einmal freue ich mich sehr auf dieses freie Wochenende und die wohl etwas ruhigere nächste Woche!