Vine, vine primăvara (rumänisches Frühlingslied)
Salut an alle! Die letzten Monate sind wie im Flug vergangen und es ist wirklich mal wieder höchste Zeit, euch auf den neusten Stand der Geschehnisse zu bringen. Endlich hat der Frühling Einzug in Rumänien genommen, die Natur hat sich in kürzester Zeit von schneebedeckt zu braun und kahl und dann zu strahlend grün und blühend verwandelt, sodass wir in den letzten Wochen schon des Öfteren über 20 °C hatten. Neben dem Frühling sind auch einige Besucher ins Land gekommen und wir hatten eine sehr abwechslungsreiche Zeit, in der wir fast jedes Wochenende Gäste in der WG beherbergt haben.
Im Februar kamen mich nach ein paar Freunden meiner Mitbewohner zunächst Lilith und Bibi aus Deutschland besuchen. Wir hatten eine sehr lustige Woche und konnten aufgrund des ausnahmsweise schon wunderbar warmen Wetters unsere Ausflüge nach Sovata in die Berge und nach Cluj sehr genießen und auch alle positiven Facetten von Târgu Mureș auskosten. Direkt im Anschluss empfing ich mit großer Wiedersehensfreude meine liebe Schwester Lea, die nach ihren letzten Prüfungen zwei Wochen der Semesterferien in Rumänien verbringen wollte. Nachdem nach einer Woche noch meine Cousine Doro hinzustieß, verbrachten wir zu dritt einige abenteuerliche aber auch sehr entspannte Tage, in denen ich vor allem die Natur des Landes endlich einmal richtig zu Gesicht bekam. Von unserem ersten Ziel Sibiu aus, fuhren wir mit dem Bus in die Karpaten nach Păltiniș (deutsch: Hohe Rinne), Rumäniens höchstgelegenen Luftkurort. Aufgrund des frühlingshaften Wetters im Tal, waren wir überrascht von den Schneebergen und zahlreichen Wintersportlern, die uns dort auf um die 1500m Höhe erwarteten. Dennoch hielt dies uns nicht davon ab, den Aufstieg in höhere Gebiete zu wagen - erst als wir immer wieder im hüfttiefen Schnee stecken blieben, beschlossen wir, dass es nun wohl Zeit zum Umkehren sei und wir waren froh, uns am Ende mit heißer Schokolande im Skiliftrestaurant aufwärmen zu können. Nach dem Wochenende in Sibiu, in denen wir außerdem noch das sehr interessante Astra Freilichtmuseum besichtigen, in dem auf einem weitläufigen Gelände traditionelle Häuser, Werkstätten, Mühlen und Kirchen aus verschiedenen Teilen des Landes ausgestellt sind kehrten wir zurück nach Târgu, wo meiner Lea und Doro auch meine WG-Kumpanen kennenlernen durften. Auf dem Weg legten wir noch Zwischenhalte in Slimnic bei einer Zitadelle mit eigenem Garten im Inneren und der Kleinstadt Mediaş, in welcher der Einfluss der Siebenbürger Sachsen in Form einer deutschen Kirchengemeinde und eines deutschen Gymnasiums noch deutlich spürbar ist, ein. Ein paar Tage später fuhren wir außerdem noch nach Turda, um im nahegelegenen Cheile Turzii zu wandern, wobei wir von zwei sehr anhänglichen, aber auch freundlichen Hunden begleitet wurden.
Nach diesen schönen Tagen, ging es für mich das zweite Mal nach Braşov, da dort unser Midterm-Seminar stattfand. Abgesehen davon, dass dieses Training leider noch kürzer war als das On-Arrival, verbrachten wir erneut ein paar geniale Tage mit vielen neuen internationalen Bekanntschaften und mindestens ebenso vielen interessanten Eindrücken und für mich war es sogar noch schwerer am Ende Abschied von allem zu nehmen. Auch die Stadt Braşov faszinierte mich noch um einiges mehr als bei unserem ersten Ausflug dorthin im Oktober und es hat sich mit seiner wunderschönen Lage am Rande der Karpaten definitiv zu einer meiner Lieblingsstädte in Rumänien entwickelt. Zum Glück ging es nach dem Midterm-Seminar gleich ereignisreich weiter ohne Langeweile aufkommen zu lassen, da inzwischen die internationale Reiselust ausgebrochen zu sein schien. Freiwillige, Bekannte aus Deutschland und Eltern meiner Mitbewohner durchreisten Rumänien und wir freuten uns natürlich immer, die Gäste in Târgu Mureș willkommen zu heißen.
Dass die Temperaturen nun endlich ein wenig in die Höhe gingen, wurde auch von unseren Kollegen in der Foundation begrüßt, die uns einige Male mit zum Wandern, um Târgu Mureș und Sovata einluden und auch mit den Kindern aus meiner PERSEVERENTA-Gruppe gingen wir nun immer öfter auf den Spielplatz oder Spazieren. Insgesamt fühlte ich mich trotz einiger Eingewöhnungsschwierigkeiten mit den Wochen immer wohler in diesem Projekt und auch wenn die tägliche Routine, die erforderliche Geduld und das viel zu frühe Aufstehen mich noch immer ATRIUM nachtrauern ließen, war ich bei dem erneuten Wechsel Ende März doch wieder traurig, keine Zeit mehr mit den sechs Kindern der Gruppe verbringen zu können.
Im letzten Projekt START lag der Schwerpunkt zunächst auf dem Vorbereiten von Bastelmaterialien, die in den Kursen für Kinder zwischen zwei und neun Jahren zum Einsatz kommen. Zusätzlich unterstützen wir die Mitarbeiterinnen auch in einigen Gruppen, so bin ich beispielsweise dreimal die Woche vormittags in einer Art Spielgruppe für Kleinkinder (also Singen, Spielen, Basteln), in der auch ein Junge aus meiner alten PERSEVERENTA Gruppe teilnimmt, um zunehmend in den Kontakt mit normal entwickelten Kindern zu kommen. In letzter Zeit gab es aber neben dem gewöhnlichen Stundenplan auch einige Extraevents, so fand nach Ostern beispielsweise das „Frühlingscamp“ für Kinder in deren Schulferien statt, welches den Titel „primăvara în grădină“ („Frühling im Garten“) trug und in dem sich dementsprechend alles um Blumen, Gärtnern und das Landleben drehte. Wir fuhren beispielsweise mit den Kindern in den Garten des Präsidenten der Foundation, um dort Gemüse anzubauen und machten einmal einen Ausflug zu einem Biobauernhof, wo wir lustiger Weise auf einen ausgewanderten Schweizer trafen, der sich mit seiner rumänischen Ehefrau irgendwo im Hinterland von Transsilvanien selbstständig gemacht hatte und dies als die beste Entscheidung seines Lebens bezeichnete.
Insgesamt macht das Reisen im Frühling natürlich auch uns immer mehr Spaß, weshalb wir alle freien Tage optimal zu nutzen versuchen. Am verlängerten Wochenende über Ostern fuhren Ellen, Julia, Pepe und ich endlich auch nach Bukarest, um zumindest einmal die Hauptstadt unseres Aufnahmelandes gesehen zu haben. Trotz vorherig eher negativer Bewertungen dazu seitens unserer Kollegen und Bekannten hier, die fast alle die transsilvanischen Städte bevorzugen, hat mir Bukarest sehr gut gefallen, was vielleicht auch damit zu tun hatte, dass viele Leute übers Wochenende aufs Landen gefahren waren und es deshalb deutlich weniger überfüllt und stressig zuging, als uns prophezeit worden war. Wir übernachteten bei anderen Freiwilligen von unserem On-Arrival Seminar und hatten daher auch schon lokale Stadtführer, die uns wertvolle Tipps zur Besichtigung gaben. Verglichen mit Târgu Mureș ist in Bukarest alles riesig: die Straßen, die zahlreichen weitläufigen Parks und die Gebäude. Das liegt zum einen natürlich daran, dass die Hauptstadt Rumäniens mit ihren rund 2 Millionen Einwohnern deutlich mehr Menschen unterbringen muss als alle anderen Städte des Landes (zum Vergleich: die zweitgrößte Stadt Cluj-Napoca bringt es nur auf etwa 325 000 Einwohner), zum anderen aber auch an Nicolae Ceaușescu, der von 1965 bis 1989 das Land an der Spitze seiner Rumänischen Kommunistischen Partei regierte. Der diktatorische Staatspräsident versuchte sich bewusst vom Einfluss der Sowjetunion zu distanzieren und das Land mit auffälligen, seine Macht demonstrierenden Aktionen unabhängig wirken zu lassen. Von 1983 bis 1989 wurde so sein Parlamentspalast errichtet, eines der flächenmäßig größten Gebäude der Welt, außerdem ließ er den an der Pariser Champs-Élysées orientierten Boulevard Unirii bauen, welcher etwa drei Kilometer lang und auf den Palast ausgerichtet ist.
Als wir schlussendlich nach einer stundenlangen nächtlichen Zugfahrt wieder daheim ankamen, waren wir schon am nächsten Tag zu einem Oster-Mittagessen bei zwei Kollegen aus der Foundation eingeladen. Neben traditionellen Speisen lernten wir dabei auch wieder etwas über die typischen rumänischen Bräuche am Osterfest. In früheren Zeiten war es in der Region üblich, dass die Jungs von Haus zu Haus gingen, den Leuten einen gesegneten Feiertag wünschten und Gedichte im Austausch für einige Ostereier oder den Osterkuchen Cozonac vortrugen. Außerdem wurden die Damen mit Parfüm besprüht und laut ungarischer Tradition sogar mit größeren Mengen an Wasser angespritzt, welches die Erneuerung des Lebens symbolisierte.
Schon eine Woche später traf erneut Familienbesuch von mir aus Deutschland ein, nämlich meine Eltern, meine Oma, meine Patentante Juliane und ihre Frau Claudia. Es war sehr schön, auch mit ihnen Rumänien zu bereisen und ihnen das Land, die traditionellen Eigenheiten und auch mein alltägliches Umfeld ein wenig zu zeigen (eigentlich muss ich zugeben, dass sie die Planung sehr gut selbst unter Kontrolle hatten und daher konnte ich ganz entspannt die Reise in guter Gesellschaft genießen). Neben Târgu Mureș waren wir zusammen in Mediaş, in den Südkarparten und in Sibiu und ich konnte noch einige schöne Flecken Natur, viele Kirchenburgen und andere historisch interessante Bauwerke kennenlernen. Es hat mich gefreut, dass sich bisher alle Besucher selbst davon überzeugen konnten, dass es auch für mich eine wunderbare Entscheidung war, diese wichtigen zehn Monate in Rumänien zu verbringen.
Schon jetzt ist es eine unheimliche Vorstellung, dass nur noch zwei Monate meines Europäischen Freiwilligendienstes übrig sind und der Abschied immer näher rückt. Doch obwohl wir uns natürlich jetzt auch schon wieder Gedanken über den nachfolgenden Abschnitt mit Studium etc. machen müssen, werden wir die verbliebene Zeit definitiv genießen und versuchen, noch möglichst viele gute Erfahrungen einzusammeln.