Vier Straßen, die man in Bordeaux unbedingt gesehen haben muss
Wer eine Stadt kennen lernen will, lässt sich durch die Straßen treiben. Denn nur so kann man die wahren Schätze einer Stadt entdecken: Ein Gefühl, ein einzigartiges Restaurant, ein alter Buchladen oder das Graffiti an einer Hauswand. Vier Straßen in Bordeaux, die voll dieser kleinen Entdeckungen stecken.
Bordeaux Die großen Straßen von Bordeaux sind besonders im Sommer und an den Wochenenden rappelvoll. Nach Angaben des Fremdenverkehrsamtes hat die Stadt an der Garonne sechs Millionen Besucher*innen pro Jahr. Wer nicht aufpasst, verliert sich deshalb schnell im Strom kaufwütiger Tourist*innen und Bordelais, die scharenweise die lange Einkaufstraße Rue St. Catherine herunterpilgern. Dort reiht sich eine großer Markenladen an den nächsten, ohne, dass man die Gesichter der Stadt dahinter noch entdecken könnte. Dabei hat Bordeaux viele Facetten, die man erst so richtig kennen lernt, wenn man durch die kleinen, unbekannteren Straßen streift, die fernab des großangelegten Kommerzes ihre ganz eigene Geschichte erzählen.
Vier Straßen - vier verschiedene Gesichter von Bordeaux
Rue Notre Dame
Die Rue Notre Dame liegt im schönen Viertel Chartrons und ist auf ganz viele Weisen sehenswert. Markenzeichen der Straße ist die wunderschöne Kirche Eglise St. Louis. In der Rue Notre Dame gibt es viele kleine Cafés und Bäckereien, Antiquitätenläden und Restaurants. Nicht umsonst ist die Straße als "Rue des Antiquaires", als die Straße der Antiquitäten bekannt. In den Schaufenster der alten Läden, kann man die Überreste der goldenen Pracht der Bourgeoisie bewundern: Prunkvolle Kronleuchter, goldgerahmte Bilder und feines Porzellan. Wem das zu viel ist, der kommt bei den vielen kleine Concept-Stores und Designerläden für Möbel und Kleidung auf seine Kosten. Das war nicht immer so: Im Jahr 2000, so berichtet die lokale Zeitung Sudouest, ist die Straße noch tot, ausgestorben; viele Läden haben geschlossen. Vor sieben Jahren kommt erstmals wieder Leben in die Straße im Herzen von Chartrons: Eine Boutique nach der anderen eröffnet, am Nachmittag spielen Jungs Fussball auf dem Kirchplatz,und abends wird viel gefeiert. Nicht weit von der Rue Notre Dame liegt der Marché de Chartrons, ein kleiner, quirliger Platz mit vielen Restaurants und Cafés, in dessen Mitte ein alter Pavillion die Halle de Chartrons steht, der heute für kulturelle Veranstaltungen genutzt wird. Im Herbst findet außerdem eine Weinfest in der Straße statt.
Rue de Mirail
Wer einen schönen Weg aus dem Studierendenviertel Victoire in die Innenstadt sucht, sollte unbedingt die Rue de Mirail heruntergehen. Die Straße führt vom Universitätsgebäude Victoire zur Grosse Cloche, dem bekannten historischen Torbogen, der den Weg ins Zentrum bahnt. Die Rue de Mirail verdankt ihren Namen einer Legende aus dem 13. Jahrhundert, die von dem Augustinermönch Saint Louis überliefert wurde. Damals lag in der Rue de Mirail ein Brunnen, zu dem die Bewohner*innen des Viertels gingen um frisches Wasser zu holen. Der Brunnen war ein beliebter Treffpunkt des Viertels und ein wichtiger Platz für die Bordelais. Eines Tages nistete sich eine Wasserschlange im Brunnen ein, die jeden und jede, die ihr in die furchteinflößenden Augen sah, mit einem elektrischen Schlag tötete. Schließlich gelang es einem mutigen Soldaten die Schlang durch eine List zu besiegen: An einem langen Faden ließ er einen Spiegel (franz. miroir) in den Brunnen herab, sodass die Bestie durch ihren eigenen Blick in Flammen aufging. Durch den Spiegel wurden die Anwohner*innen und ihr Brunnen gerettet. Daher ist die Straße auch nach dem Spiegel, der auf Gaskonisch, einer Nachbarsprache des Baskischen "mirail" heißt, benannt. Fern von alten Legenden besticht die Rue de Miral heute durch Einfachheit mit einem großen Schuss Authentizität: Dort gibt es neben teuren Vintageläden auch abgefahrene Secondhandshops, in denen man mit ein bisschen Glück auf echte Raritäten stoßen kann. Außerdem machen gerade viele hippe Bars, Cafés und Designshops von lokalen Künstler*innen auf. Besonders zu empfehlen ist das Big Up Café, ein kleiner Laden der gebrauchte Bücher, Mangas und Vinyl aus allen Epochen verkauft und alles hat, was ein guter Buchladen braucht. Wer den Laden betritt kann sofort die Leidenschaft spüren, die in der charakteristischen Sammlung steckt. Zur perfekten Buchladenatmosphäre gibt’s auch noch billigen Bio-Kaffee, der zum dableiben und schmökern einlädt.
Rue St. Jaimes
Weitergehen lohnt sich dann aber doch, denn von der Rue St. Mirail führt die Rue St. Jaimes weiter ins Zentrum. Diese Straße zählt zweifelos zu einer der schönsten in Bordeaux und ist bei Hipstern ebenso beliebt wie bei Historiker*innen, weil dort noch so viel an das mittelalterliche Bordeaux erinnert. In den historischen Gebäuden sind heute vor allem hippe Bars, Cafés und teure minimalistische Shops mit ausgewählter Hipstermode. Dazwischen einfallsreiche Bars, wie die Jeux Barjo, wo man sich ganz gemütlich für Brett-und Kartenspiele trifft. Im 13. Jahrhundert hatte die schmale, dunkle Straße mit den verruchten Bars noch einen zweifelhaften Ruf, auch wenn sie Knotenpunkt für den politischen und intellektuellen Austausch war. Deshalb wurde sie auch von den meisten Bordelais gemieden - und geriet so, im Gegensatz zur Rue St. Catherine, die parallel zur Rue St. Jaimes verläuft, in Vergessenheit. Erst mit der Umgestaltung im Jahr 2006 entdeckten zuerst die Tourist*innen und dann auch die Bordelais die Straße wieder für sich. Die Rue St. Jaimes, die heute die drei Viertel St. Michel, St. Pierre und Victoire verbindet, führt von der Grosse Cloche, dem mittelalterlichen Wachturm des Rathauses zum malerischen Platz Fernand Lafargue. Der ehemalige Marktplatz übrzeugt mit seiner ganz eigenen entspannten Atmosphäre und den vielen bunten internationalen Restaurants. Da fühlt mich an sich wie in einer kleinen französischen Stadt am Meer und der Trubel der Rue St. Catherine ist ganz schnell vergessen. Der Platzist auch Abends ein Muss: Dann pulsiert hier das Leben und jeder Tisch ist besetzt.
Rue de Parlement – St. Pierre
Die Rue de Parlement-St. Pierre verbindet den Place du Parlement aus dem Jahr 1760 mit dem Kirchplatz der Kirche St. Pierre. Der Palce du Parlement ist Teil der großangelgeten Umgestaltung der Stadt in der Blützezeit Bordeauxs im 18. Jahrhundert: Die mittelalterliche Mauer fiel zugunsten des prachtvollen Place de la Bourse, der zum Symbol des Reichtums der Stadt wurde. Dabei enstand auch der Place de Parlement, der damals noch Place Royal hieß. Heute hat sich die Straße, die in mitten der historischen Pracht nahe der Promenade liegt, zum Tourist*innenmagnet entwickelt, die erst am Abend so richtig lebendig wird. Hier liegt ein Restaurant am anderen; außerdem gibt’s schicke Bistros, Cafés und Eissalons. Die Restaurants präsentieren Austern und Meeresfrüchte auf der Straße, Franz*ösinnen wie Besucher*innen sitzen bei Wein und Cocktails zusammen, erzählen und Menschenmassen strömen durch die kleine Gasse. Besonders ausgefallene Eissorten gehen bei Bonnie Blue über die Theke. Die Besitzer stellen das Eis selbst aus sasionalen Zutaten her. Im Angebot ist zum Beispiel Fenchel-Minztee oder Karotte.
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