Unter Regenschirmen am "Xihu"
Hangzhou, wo mir die "Großartigkeit" fehlte
In der Provinz Zhejiang besuchten wir „die Wasserstadt“ Hangzhou (9 Mio. Einwohner). Sie trägt ihren Spitznamen aufgrund des berühmten Westsees ("Xihu"), eines großen Kanals (Qiantang-Fluss) und wegen dem vielem Regen. Uns wurde gesagt, im Mai seien 20 Regentage üblich. So regnete es also auch während unseres Aufenthaltes. Unser Besuch des Westsees wurde dadurch etwas betrübt. In unseren Augen war es ein einfacher See. In mitten von höheren Hügeln und einigen besonderen Pavillions. Im See befinden sich unter Wasser drei Pagoden, deren Spitzen aus der Wasseroberfläche ragen und deren Abbild auf dem 1-Yuan-Schein zu sehen ist. Die vielen Sehenswürdigkeiten, die sich um den See herum angesiedeln, konnten wir leider nur aus der Ferne sehen.
Die „Tee-Hauptstadt“ Hangzhou beheimatet außerdem Unmengen an Teeplantagen und ist bekannt für den Drachenbrunnentee (Long-Jing-Tee). Während einer privaten Teezeremonie wurden uns verschiedene Teesorten präsentiert: Grüner und schwarzer Tee, Blumentee und mehr. Dabei erklärte uns die Teespezialistin auch die heilenden Kräfte des Tee. Im Rahmen dessen liefen wir in eine typische Touristenfalle und ließen uns von der Situtation dazu hinreißen, (zu) teuren Tee zu kaufen. Der Kauf stimmte uns dennoch sehr froh.
Die „Buddhisten-Hauptstadt“ Hangzhou kann stolze 40 buddhistische Tempelanlagen vorweisen. Den ältesten Tempel, 362 n. Chr. erbaut, besichtigten wir. An einem Berg waren 330 Buddha-Figuren in die Felsmauer eingearbeitet worden. Dem Tempel selbst wohnen ebenfalls einige große Statuen inne, deren Details und Schönheit uns begeisterten. Die langen Ohrläppchen der Buddhas symbolisieren ein langes Leben, so wurde uns gesagt. Wir hatten die Möglichkeit, Gebete inklusive hypnotisierender Klänge mitzuerleben. Anschließend zündeten wir drei Räucherstäbchen an. Von Norden, über Westen und Süden bis in den Osten verbeugten wir uns jeweils drei Mal. Bei jeder Vorbeugung ist der Wunsch für 1. sich selbst, 2. die Famile und 3. die Welt vorgesehen. Diese Wünsche wiederholt man wieder und wieder. Danach steckt man die Stäbchen in eine Art Sand-Wanne vor dem Tempel.
Wir besuchten ein weiteres wichtiges buddhistisches Gebäude. Die Pagode der sechs Harmonien. Sie wurde 970 gebaut und ist 59 m hoch, die wir selbstverständlich erklommen, um uns mit dem Ausblick auf die Stadt zu belohnen.
Unser letzter Stopp war in der Residenz des Hu Xueyan. Er wurde 1823 geboren, war später Bürgermeister Hangzhous und Vorsitzender ganz Süd-Chinas. Außerdem zählte er zu den reichsten Männern der Gegend, was seine Residenz definitiv sehenswert macht. Jede Tür, jedes Fenster weißt interessante Details auf. So findet man zum Beispiel Wolken als Zeichen fürs Paradies. Die Größe seines Wohnsitzes hängt sicherlich auch mit seinen acht Frauen und dreizehn Kindern zusammen, die ausreichend Platz benötigten. Das Schlafgemach seiner „besten“ Frau kostete damals 1 Mio. Yuan. Zusätzlich zu den Schlafgemächern kann man sein Büro, Teehallen, die Räume der Hausdiener, die Mandarin-Enten-Halle, eine 1000-Löwen-Halle (Besuchshalle für einflussreiche Freunde) und den Garten bewundern. Im Garten finden sich „Seesteine“, deren Transport alleine 200.000 Yuan kosteten. Zum jährlichen Mondfest wurde für die Familie von Hu Xueyan immer eine private Oper aufgeführt, die er von einem seiner Balkone betrachten konnte und vermutlich dabei Mondkuchen aß. In einer vorderen Halle befindet sich seine Sänfte, für deren Transport (1200 kg) acht starke Personen benötigt wurden. Den Tag über mussten sie in der Eingangshalle auf einer Bank auf ihre nächste Trag-Einheit warten. Alles in allem konnten wir eine beeindruckende Anlage entdecken, die voll von kleinen Anekdoten und Geschichten ist.
Wieso Marco Polo Hangzhou als „schönste und großatigste Stadt der Welt“ bezeichnet haben soll, kann ich nicht gänzlich nachvollziehen. Von 1132-1276 war sie Hauptstadt, im 13.Jahrhundert war sie der Sitz des weltgrößten Hafens. Die Stadt hat viel an Geschichte, Kultur und etwas Natur zu bieten. Heute allerdings fehlt es ihr meines Empfinden nach etwas an „Großartigkeit“. Ich vermute allerdings, dass dieser Eindruck auch mit unserem Hangzhou-Reiseführer zusammenhängt, deren Deutschkenntnisse, Geduld, Erfahrung und Interesse leider begrenzt waren. Dass die Eindrücke, die man in einer Stadt einfängt, sehr stark mit dem Reiseleiter und auch der Reisedauer zusammenhängen, wurde mir hier bestätigt. Ich bin sicher, dass es mit mehr Zeit und Freiraum möglich gewesene wäre, einen vielfältigeren Einblick in das Stadtgeschehen zu erhalten.
Unserem Reiseleiter konnten wir einige interessante Informationen entlocken: Er erzählte uns, dass das durchschnittliche Einkommen in Hangzhou bei umgerechnet 600-800€ liege, wobei die Hälfte für die Miete einzuplanen sei. In der Stadt seien 500 umweltschonende Elektrobusse unterwegs. Die Stadt-Blume sei Osmanthus. Zu lokalen Spezialitäten zählen in Reiswein eingelegtes Schweinefleisch und Garnelen in Grüntee. Mein Higlight in Hangzhou waren der Anblick der Teeplantagen und die Tempelbesichtigung. Der Regen bestärkte eine leicht mystische Atmosphäre. Es war schön, zur Abwechlsung eine „kleine“ Stadt erleben zu können.