Über Momente, die bleiben
Was zwei Jahren nach meinem Freiwilligendienst noch da ist
Wie seltsam es doch ist, dass wir ein Land so personifizieren: Wir kommen aus dem Ausland zurück und sagen, dass "Südafrika uns nachdenklich gemacht" hat oder wir "uns in Italien verliebt" haben. Dabei haben wir vermutlich einen kleinen Teil dieses Landes gesehen und unsere Realität vor Ort war wiederum nur ein kleiner Schnipsel von allem, was dort passiert. Trotzdem reden wir von den Ländern, in denen wir waren, als wären sie unsere Freunde oder ehemaligen Partner. Ich bin vor zwei Jahren aus meinem Freiwilligendienst wiedergekommen: Oft denke ich an die Zeit in Spanien nicht mehr zurück, aber manchmal erinnert mich ein Anblick, ein Geruch oder ein Duft an Madrid. Dann rede ich auch manchmal davon, dass ich "Spanien vermisse", mit einer großen Prise Nostalgie, dabei fühlt sich mein Freiwilligendienst inzwischen unendlich weit weg an.
Davor wurde mir immer wieder gesagt, dass das Erinnerungen sind, die ein Leben lang bleiben. Ich würde das heute nicht so sagen, weil es die Erwartungen doch ordentlich in die Höhe treibt. Wenn ich so darüber nachdenke, sind es aber gar nicht die Erinnerungen oder die Momente, an die man ab und zu zurückdenkt, die wirklich bleiben. Viel mehr sind es wohl Inspirationen und Gedankenanstöße, die die Zeit danach prägen. Ich glaube nicht, dass ich mich dazu entschieden hätte, Politikwissenschaft zu studieren, hätte mein Mentor in Spanien nicht ohne Ende über die Beziehung zwischen der EU und der Westsahara reden können. Ich glaube auch nicht, dass ich mich im Studium dazu entschieden hätte, mich weiter für Themen rund um Europa zu engagieren oder noch einmal ins Ausland zu gehen, hätte ich keinen Freiwilligendienst gemacht.
Der Kontakt zu Menschen, die im selben Land Freiwilligendienst gemacht hat, ebbt nach und nach ab - dazu sind wir zu zerstreut. Da sind die, bei denen man es schafft, sich das ein oder andere Mal im Jahr über What'sApp auszutauschen, einige wenige, die man wiedersieht, und übrig gebliebene What'sApp-Gruppen, in denen man sich gegenseitig zum Geburtstag gratuliert. Trotzdem haben mir die Bekanntschaften in Madrid gezeigt, wie klein Europa doch ist: In meiner Zeit dort habe ich mir mit meiner französischen Projektpartnerin eine Wohnung geteilt, die auf unserem ersten Seminar ihren Freund kennen lernte, der aus Italien kommt. Als ich nach Deutschland zurückkam, kehrte meine Projektpartnerin nach Frankreich und ihr Freund nach Italien zurück. Gleichzeitig entschloss sich eine meiner besten Schulfreundinnen dazu, einen Freiwilligendienst in Italien zu machen: Und wer entpuppte sich als Leiter ihres ersten Seminars? Eben der Freund meiner ehemaligen Mitbewohnerin!
Der Kontakt zu beiden ist noch da, getroffen haben wir uns auch schon. Sie sind wohl so ein typisches Erasmuspärchen, sprechen die Muttersprache des jeweils anderen nicht, sprechen auch nur schlecht Englisch, kommunizieren auf Spanisch und müssen mal mehr oder mal weniger mit Missverständnissen auskommen. Für die beiden ist ihre Beziehung aber doch eines der Dinge, das geblieben ist. Wenn ich mit meiner ehemaligen Mitbewohnerin darüber spreche, dann taucht da noch viel mehr auf: gemeinsames Kaffeetrinken auf der Terasse der Uni, Nudeln kochen in der Wohnung, unser von der Waschmaschine überschwemmter Balkon, Hauspartys und endlose Stunden in Bussen auf dem Weg zum Strand. Vermutlich sind auch das Momente, die bleiben, deren Gerüche und Geschmäcker dann plötzlich wieder ganz präsent sind.