Über Hirschluch und Prag nach Olomouc
Endlich bin ich angekommen
Ahoj und herzlich willkommen zu meinem zweiten Blog!
Ich sitze nun endlich in meiner Wohnung in Olomouc und schreibe diese Zeilen, damit ihr wieder auf dem Laufenden seid.
Ich fange am besten ganz am Anfang an.
Am 1. September ging es endlich los, meine 35 kg Gepäck waren im Auto verstaut und meine Eltern brachten mich zu meinem ersten Vorbereitungsseminar in Hirschluch bei Berlin.
Am Abend zuvor hatte ich noch die Wegbeschreibung ausgedruckt und stutzte über deren Ende: „dann nach links abbiegen und noch 400m in den Wald“. „Wie das wohl sein wird, werden wir in einer Waldhütte ohne fließend Wasser und Strom leben?“, fragte ich mich.
Meine Befürchtungen erwiesen sich glücklicherweise nicht als wahr ;). Hirschluch ist eine große Jugendbegegnungsstätte, die Platz für die insgesamt 130 Freiwilligen bot.
Am Anfang dachten wohl die meisten, wie ich selbst auch, dass die neun Tage in Hirschluch nie vergehen werden, aber dank des vielfältigen Programms war die Zeit doch sehr schnell um! Es erwies sich insgesamt als eine sehr gute Gelegenheit, noch andere Freiwillige, die in andere Länder gehen werden, kennen zu lernen und den ein oder anderen Besuch klar zu machen.
Noch am Donnerstag war das erste Ländergruppen-Treffen, sodass ich endlich alle die auch nach Tschechien gehen werden, kennen lernte. Man teilte uns gleich mit, dass am letzten Abend jede Ländergruppe etwas, das mit ihrem Land zu tun hat, aufführen müsste. Ich würde sagen, wir haben diese Aufgabe bestens erfüllt ;). Mehr dazu später.
Am Freitag wurden wir je nach Einsatzfeld in Projektarbeitsgruppen eingeteilt. Ich war in der PAG (kurz für „Projektarbeitsgruppe“, ausgesprochen: „Päg“ ;) ) „Altenarbeit“, da Besuche bei älteren Menschen der Hauptteil meiner Arbeit sein werden.
Die PAGs nahmen einen großen Teil der Zeit ein, aber es gab noch genug Platz für andere spannende Angebote:
Gleich am Sonntag ging es aus dem ländlichen Storkow (der Ort zu dem Hirschluch gehört) auf in die Großstadt Berlin. Wir waren jeweils zu dritt zu einem Gottesdienst eingeteilt, um dort unsere Arbeit kurz vorzustellen und nochmals um Spenden zu bitten. Ich war mit meinen Kollegen Ines und Manuel (an dieser Stelle liebe Grüße nach Belgien und Israel) in der Domgemeinde St. Hedwig. Es war ein sehr schöner Gottesdienst und ich fühlte mich ein bisschen wie zuhause denn ich habe dort auch die Lesung gelesen.
Unbedingt erwähnt werden muss auch unsere „Platkat-Klebe-Aktion gegen rechts“. Auch wenn Storkow eine NPD-Hochburg ist, gibt es dort ein Bündnis, das sich gegen rechts einsetzt. Deren Arbeit wurde uns vorgestellt, und es war für uns gar keine Frage, diese zu unterstützen! Also zogen wir mit einigen Plakaten unter dem Arm los, um diese in Storkow aufzuhängen. Wir mussten aber feststellen, dass wir uns auf diese Weise nicht bei allen Einwohnern beliebt gemacht haben.
Ein weiteres Highlight war der Besuch des Hauses der Wannseekonferenz. Wir bekamen dort eine sehr interessante Führung, konnten die Sonne am Wannsee-Ufer genießen und gekrönt wurde das Ganze von einem Zeitzeugengespräch mit Inge Deutschkron. Auch wenn wir alle etwas müde waren, denn die Nächte waren meistens lang, fesselte sie uns zwei Stunden mit ihrer ironischen Erzählweise.
Auch ein vielfältiges Angebot an Workshops bereicherte unser Programm. Ich nahm beispielsweise an einer „lyrischen Wanderung durch die Mark Brandenburg“ teil. Dies war eine gute Gelegenheit, viele neue Gedichte und die Mark Brandenburg kennen zu lernen. Eine sehr schöne Gegend, die viele Überraschungen bot, ich hätte nie gedacht, dass es dort eine Sanddüne gibt. Anscheinend ist diese übrig geblieben aus der Zeit, als die Ostsee noch in Brandenburg war.
Noch am selben Abend fand eine Vorführung des Zirkus „Sonnenstich“ (www.circus-sonnenstich.de) statt. Dieser Zirkus arbeitet gemeinsam mit Behinderten. Es war eine wunderbare Vorstellung mit beeindruckenden Darbietungen!
Nun bleibt noch der letzte Abend zu erwähnen, bei dem unsere Abschlussparty stattfand. Den Auftakt bildeten die „Performances“ von den jeweiligen Ländergruppen. Wir, die Tschechien-Gruppe, hatten ein Medley verschiedener Lieder zusammengestellt, bei denen wir den Text etwas änderten ;). Ihr könnt den Text bei meinem „Treibgut“ lesen.
Gefeiert wurde bis in die frühen Morgenstunden, sodass es sich überhaupt nicht mehr gelohnt hätt ins Bett zu gehen. So standen wir leicht übermüdet am Freitag den 09.09.2011 an der Bushaltestelle in Storkow, wo uns der Linienbus nach Fürstenwalde bringen sollte. Wir warteten und warteten, aber der Bus kam einfach nicht. Es sah wohl danach aus, als ob es mit einem Desaster anfängt. „Wenn wir den Zug in Fürstenwalde nicht erwischen, ist der Zug mit den reservierten Plätzen nach Prag weg…“, das war wohl was wir alle dachten. Und wir brauchten doch die Sitzplätze um den fehlenden Schlaf wenigstens etwas nachzuholen ;). Schließlich wurde aber ein Extra-Bus für uns organisiert und wir erreichten ohne Probleme den Zug nach Prag.
Schlaf wurde uns dank einer feiernden und Karten spielenden Rentnergruppe im Zug nicht allzu viel gegönnt, aber wir kamen pünktlich am „Hlavní nádraží“ in Prag an, wo wir von der ASF-Ländergruppen-Beauftragten Stania abgeholt wurden.
Nun galt es nur noch, unsere Tonnen von Gepäck zu unserer Unterkunft zu bringen. Glücklicherweise gibt es in Prag an den meisten Stellen Rolltreppen, aber der Weg von der U-Bahn zu unserem Appartement, auch wenn es eigentlich nicht weit ist, kam uns wohl allen ewig vor.
Auch danach blieb keine Zeit zum ausruhen, denn wir waren noch in der jüdischen Gemeinde zur Shabbat-Feier mit anschließendem Essen eingeladen. Das war sehr interessant und das Essen war gut, aber danach fielen wir wirklich wie tot ins Bett.
Am nächsten Tag hatten wir sehr viel Freizeit, was uns die Möglichkeit gab Prag etwas zu erkunden. Besonders die Karlsbrücke im Mondschein ist hier zu erwähnen, ein einmaliger Anblick!
Sonntag morgen waren wir zu einem evangelischen Gottesdienst eingeladen. Dieser zog sich etwas in die Länge und auch wenn wir nicht viel von der halbstündigen Predigt verstanden, war uns doch klar dass der Pfarrer wenig mit vielen Worten sagte. Am Ende sollten wir uns und unsre Arbeit kurz, auf Tschechisch natürlich, vorstellen. Sagen wir, es funktionierte mehr oder weniger gut ;).
Anschließend unternahmen wir nochmals einen Stadtrundgang mit Stania und abends waren wir zur Vesper und zum „Abendessen“ im Kloster „Bilá Hora“ eingeladen. Wir erfuhren dabei viel über die interessante Geschichte des Klosters, in dem erst seit 4 Jahren wieder Nonnen leben.
Am Montag startet unsere Spracheinführung ins Tschechische, bei der es aber für mich nicht allzu viel Neues zu erfahren gab. Aber dank der lustigen Animation unseres Lehrers Mila waren es dennoch unterhaltsame Stunden, und ein paar Dinge lernte ich doch noch, beispielsweise die äußerst wichtige Verabschiedungsformel „Nasdar-Bazar“ ;).
Montag war auch ein sehr wichtiger Tag für alle Freiwilligen, die wie ich offene Altenarbeit in Kooperation mit „Živá paměť“ leisten. Wir wurden im Hauptbüro in Prag empfangen und bekamen alle wichtigen Informationen über unsere Arbeit. Ein supertoller Nachmittag, denn nun erfuhren wir endlich etwas Konkretes über unsere Arbeit. Ab diesem Nachmittag konnten wir es kaum noch erwarten, dass es endlich losgeht. Aber es galt trotz Ungeduld noch zwei Tage in Prag zu „überstehen“.
Am Dienstag besuchten wir die deutsche Botschaft. Wir sahen mit eigenen Augen den „Genscher-Balkon“ und konnten dank eines Films hautnah miterleben, welche Zustände dort zur Wendezeit, als 3000 Menschen dort im Garten lebten, herrschten. Danach erfuhren wir im Gespräch mit einer Angestellten noch einiges über die derzeitige politische Situation in Tschechien. Das war sehr wichtig, denn wir hatten alle festgestellt, dass wir auf diesem Gebiet noch nicht sehr viel wissen.
Endlich brach der letzte Tag an! An dessen Nachmittag stand ein Gespräch mit Michaela Vidláková auf dem Programm. Sie war als Kind im KZ Theresienstadt und erzählte sehr eindrucksvoll von ihren Erlebnissen.
Den letzten Abend verbrachten wir mit unserem Tschechischlehrer Mila. In seiner Wohnung zeigte er uns Ausschnitte aus verschiedenen tschechischen Filmen, sodass wir jetzt wissen, welche Filme wir in diesem Jahr alle anschauen müssen.
Donnerstag war es endlich soweit, wir packten wieder unser vieles Gepäck und machten uns auf – alle in verschiedene Ecken von Tschechien! Der Abschied war doch ein wenig schwer, da wir uns ja eigentlich gerade erst richtig kennen gelernt hatten, aber andererseits brannte bei jedem die Vorfreude auf das jeweilige Projekt unter den Nägeln. Und wir werden uns sicher gegenseitig fleißig besuchen.
Es war nun schon ein seltsames Gefühl, im Zug zu sitzen und in eine Stadt zu fahren, die man noch nie zuvor gesehen hatte, in der man nun aber für ein Jahr leben wird. Es war natürlich sehr viel Vorfreude, aber auch ein Stück Ungewissheit.
Ich wurde in Olomouc, nachdem ich mein Gepäck vom Bahnsteig eine Treppe runter und eine rauf geschleppt hatte, sehr herzlich von meiner Mitbewohnerin Barbora empfangen. Sie zeigte mir den Weg zu meinem neuen Zuhause, das sehr zentral in Olomouc liegt. Das Haus von außen gefiel mir sofort sehr gut, bis mir gesagt wurde, dass die Wohnung im 4. Stock sei und es keinen Aufzug gibt. Auch wenn es zunächst unmöglich aussah, habe ich es dank Barboras Hilfe irgendwie geschafft mein Gepäck die Treppen hoch zu befördern.
Anschließend zeigte mir Barbora gleich ein wenig von der Stadt. Ich war begeistert und kann bisher sagen, dass mir niemand zu viel versprochen hat. Besonders der Rathausplatz mit der Pestsäule ist wunderschön. Hier hatte ich am nächsten Mittag auch gleich die Gelegenheit, an einer touristischen Attraktion teilzunehmen. In Olomouc gibt es ganz ähnlich wie in München auch ein Glockenspiel, bei dem sich jeden Mittag ein paar Figürchen im Kreise drehen. In München beschwere ich mich immer, wenn alle Touris den Marienplatz blockieren, um das Glockenspiel zu sehen. Nun aber machte ich die Erfahrung, dass das wirklich interessant ist, wenn man es nicht kennt ;). Aber vielleicht ergeht es mir ja bald wie in München, das ich dann denke: „Diese Touris…“.
So, nun habe ich sehr viel geschrieben und komme nun zum Ende.
Die nächsten Tage werde ich nutzen um Olomouc noch besser kennen zu lernen und mich einzuleben, bis ich dann am Donnerstag die ersten Hausbesuche bei älteren Menschen mache.
Und ich möchte an letzter Stelle noch loswerden, dass mährischer Apfelwein, in dessen Genuss ich gestern Abend kam, sehr zu empfehlen ist.
Jetzt bleibt nur noch allen Münchnern viel Spaß auf der Wiesn zu wünschen ;). Die fehlt mir schon ein wenig, aber hier gibt es auch gutes Bier… und es ist billiger ;))!
Dann bis zum nächsten Blog… Mejte se hezký!
Eure Verena
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