Tutti al mare!
110 km Adriaküste der italienischen Region Emilia-Romagna warten in jedem Jahr auf die Urlauber aus aller Welt, besonders viele kommen jedoch aus Deutschland. Dort liegen Orte zwischen Realität und dem, was wir uns von ihnen erhoffen.
Dieses Jahr mussten sie alle länger warten, Touristen, Italiener und europäische Freiwillige ;-), auf ihr erstes Bad im salzigen Meerwasser der italienischen Adriaküste. Wer zu früh kam, der konnte entweder allein an den Strand gehen oder - natürlich ebenfalls allein - durch die grauen Hotelzeilen der jeweiligen Stadt spazieren. Im Herbst und Winter wirken die im Sommer von unzähligen Touristen bevölkerten Orte wie Rimini und Cesenatico fast wie Geisterstädte. Schön hergerichtet werden die meisten Häuser und Hotels nur ein paar Wochen bevor die ersten Urlauber ankommen.
Auch nach all den Jahren, die seit der „Entdeckung“ der Adriaküste als traditioneller Urlaubsort auch für Ausländer, schon vergangen sind, zieht sie immer noch viele Besucher an, nicht wenige unter ihnen stammen aus Deutschland – jedes Jahr etwa 9-12 Millionen zieht es nach Angaben der italienischen Tourismusagentur (www.enit.it) nach Italien, neben der Adriaküste sind vor allem der Norden mit seinen Seen, die Toskana und die beiden Inseln Sardinien und Sizilien beliebt.
Der größte Mythos bleibt bei aller Begeisterung für „neuere“ Reiseziele jedoch das Meer und sein Strand rund um Rimini, Milano Marittima und Cattolica. Für die Menschen in dieser Gegend ist der Tourismus die wichtigste Einnahmequelle. Verständlich, denn in der Sommersonne ist ein Tag am Strand die wohl schönste Beschäftigung. Auch wenn der Großteil der Küste von privaten Bädern bedeckt ist, das Meer ist und bleibt für alle. Wer wirklich schwimmen möchte, sollte nach einem Strand außerhalb der Orte suchen, ansonsten wird er vermutlich enttäuscht sein: Das Meer, an das es Touristen wie Italiener zieht, ist die ersten 50-100 Meter zumeist abgeflacht.
Die Strände der Emilia-Romagna erinnern an das, was im Alltag nicht (mehr) ist, das Klischee von Italien, das Menschen in aller Welt fasziniert und anzieht. Für ein paar Monate im Jahr existiert es hier. Was die Besucher sich erhoffen, das bekommen sie. Nächtelange Partys, gelato wie in alten Filmen und 60er-Jahre-Musik wie beispielsweise „sapore di sale“ (Gino Paoli) in den Bars. Wunderschön und erholsam, aber leider wenig authentisch und das hat seinen Preis, im wahrsten Sinne des Wortes: 15-25 Euro am Tag kosten Liege und Sonnenschirm in einem der Bäder, selbstverständlich inklusive Benutzung der Umkleidekabinen und Duschen; ein Cappuccino kostet statt denen in Italien üblichen circa 1,30 zwischen 2-3 Euro, dafür wird er auch noch nach dem Mittagessen und am Nachmittag ohne mit der Wimper zu zucken serviert - die Touristen zahlen, sie kennen es aus ihren eigenen Ländern nicht anders.
Lange haben sie gewartet, gekommen sind sie trotzdem alle, Italiener wie Touristen, wie in jedem Jahr. Warum denn auch nicht? Es ist fast, als gebe es eine eigene Kultur in diesen Orten, kultiviert und aufrecht erhalten von all denjenigen, die dort ihren Sommer verbringen. Wer Urlaub sucht, macht hier sicher nichts falsch. Wer hingegen reisen will, muss nach dem Alltag der Menschen Ausschau halten – und vielleicht sogar mal „zu früh“ kommen, die Salinen (Meerwasser-Salzgärten) statt den Souvenirshop besichtigen und sich in eine Bar wagen, die so weit wie möglich vom Strand entfernt ist, auf die Gefahr hin, dass darin keiner Deutsch oder Englisch spricht.