Tschechisch learning by doing
Sich in ein fremdes Land zu begeben, ohne die Sprache zu können, ist ein spannendes Experiment. Aber kein Problem, wenn man dann auf nette Leute trifft, die einen überall hin mitnehmen.Und außerdem gibt es ja noch Hände und Füße.
Vom ersten Tag an auf Toulcuv Dvur wurde ich von den Leuten hervorragend aufgenommen. Besonders mein Tutor Tomas hat sich die ersten Monate sehr viel Zeit für mich genommen. Von Konzerten tschechischer Bands, über Besuche bei Freunden, Tageswanderungen in der Umgebung mit anschließendem Kostümball in einem kleinen Dorf, Abiturball und - natürlich, wie in Tschechien üblich - Kneipen- und Kinobesuchen, war alles dabei. Auf diese Weise hatte ich die Möglichkeit durch Tomas und seine Freunde das Leben und die Menschen in der Tschechischen Republik live mitzuerleben. Oder besser gesagt, mit ihnen zu leben.
Auch Marie, meine Chefin, hat sich wirklich lieb um mich gekümmert. Ab und zu ging ich mit ihr, ihrem Freund Ivo und ihren Freunden in die Kneipe. Oder ich war bei Marie zu Hause, wo Ivo mir Sprachunterricht gegeben hat. Über das Gelernte konnte ich dann bei weniger anspruchsvollen Arbeiten wie Aufräumen und Putzen nachdenken und es verarbeiten. Vorausgesetzt, man macht solche Tätigkeiten nicht allein, bieten sie aber auch die Möglichkeit, die erlernten Sprachkenntnisse im Gespräch auszuprobieren und anzuwenden. Auf diese Art und Weise habe ich die ersten zaghaften Schritte in der tschechischen Sprache gemacht.
Tschechische Kinder waren immer etwas erstaunt, wie eine erwachsene Frau so schlecht ihre Sprache sprechen kann. Auch wenn zu Beginn mein Tschechisch noch sehr dürftig war, so war es doch nicht allzu schwer mit den Kindern zu kommunizieren, da man zum Beispiel beim Basteln die Vorgehensweise einfach zeigen kann.
Oft hatte ich das Glück, mit dem gleichen Zivi zusammen zu arbeiten, der noch dazu der Einzige der jungen Leute am Hof war, der wirklich nur der tschechischen Sprache mächtig war. Mit einer wahrhaft bewundernswerten Geduld erklärte Petr mir Dinge oder hörte mir einfach zu. Da er keine einzige Fremdsprache beherrschte, war ich von Anfang an gezwungen, entweder mit Händen und Füßen oder eben auf Tschechisch mit ihm zu reden. Aus dieser Notwendigkeit heraus habe ich meine Angst und Scham, Fehler zu machen, überwunden und konnte meinen diesbezüglichen Perfektionismus ablegen. Denn ich hatte erkannt, dass es hier einzig und allein darum geht, sich irgendwie zu verständigen.
Viele andere Leute, die meistens nur auf Besuch waren, standen meinem sehr gebrochenen Tschechisch doch eher hilflos gegenüber und zeigten wenig Geduld. Manchmal reichte es einfach schon, wenn sie hörten, dass ich einen anderen Akzent habe bzw. langsam spreche. Mit einer abwinkenden Bewegung und den Worten „Da fragen wir lieber jemand anderen.“ gingen sie oft einfach weiter. Trotzdem habe ich immer wieder auf Fragen von Leuten, die mir auf dem Hof über den Weg liefen, geantwortet. Das Auskunft geben gelang mir zudem mehr und mehr, auch wenn mein Tschechisch bis zum Schluß natürlich nicht perfekt war.
Doch ich habe mich nie unterkriegen lassen. Während eines ökologischen Seminars für 17 Jugendliche, die ein FÖJ absolvierten, hatte ich sogar einen kleinen Tschechischsprachkurs mit den wichtigsten Wörtern und Sätzen für die Gruppe vorbereitet. Schon am nächsten Tag konnte man im Speisesaal - zur Freude des Kochs - vereinzelt tschechische Brocken bei unseren FÖJlern vernehmen...