Time goes by...
Das Ausreiseseminar hat Nathalie nicht nur nervös, sondern auch sentimental gestimmt. Nach der Abschiedsparty wird`s dann ernst!
So, da sitze ich nun heute hier vor meinem Rechner und mittlerweile ist sogar mir klar, dass es nun tatsächlich losgeht. Das war nicht immer so: Die letzen Wochen erschien mir mein zehnmonatiger EFD in Alcobendas bei Madrid eigentlich sogar noch in weiter Ferne. Schließlich war ich noch in Hannover beim Madonna-Konzert, habe ein grandioses fulltime Praktikum beim internationalen Literaturfestival Berlin gemacht, war ein paar Mal krank und dann waren es plötzlich nur noch zehn Tage bis zu meinem Abflug!
"Zum Glück gibt es ja das Ausreiseseminar", dachte ich mir, "vielleicht verstehe ich ja da endlich, dass sich mein Leben in nur wenigen Tagen geringfügig ändern wird." Also habe ich meine sieben Sachen gepackt und bin nach Weimar gegondelt. Weimar, wo ich letztes Jahr erst mit meiner ganzen Stufe auf Studienfahrt war. Weimar, wo ich in dem Buchladen neben dem Goethe- und Schillerdenkmal einen Reiseführer für die folgenden Herbstferien in Madrid gekauft habe, natürlich nicht ahnend, dass dies genau ein Jahr später meine neue Heimat werden sollte.
Das Seminar an sich war ganz knorke: grandioses Wetter, tolle Seminarräume und viele nette Menschen. Obwohl es durchaus witzig war, dass wir in unserer kleinen Freiwilligengruppe (wir waren nur zehn) durchaus schon die ersten kulturellen Konflikte zu bewältigen hatten: Die Sprachbarriere (Thüringer trafen auf Baden-Württemberger; Brandenburger auf Bayern...) war tatsächlich für manche kaum überwindbar.:-) Alles in allem kann ich sagen, dass es vier schöne Tage waren, ich mir Fragen gestellt habe, an die ich vorher nie gedacht habe und allerdings auch irgendwie beunruhigter als zuvor wiedergekommen bin. Immerhin dämmerte mir nun so langsam, dass ich eine Woche später in Spanien hocken würde. Und dann wurde ich doch zunehmend nervös... Ich habe sogar angefangen, Listen (to-do-liste, Packliste, Abschiedspartyliste...) zu schreiben, ein für meine Verhältnisse höchst beunruhigendes Zeichen. ;-)
Und dann erwischte ich mich sogar erstmalig dabei, richtig sentimental zu werden: Ich kurvte gerade nichts Böses ahnend mit der Berliner S-Bahn in der Gegend herum, als ein russischer Musiker einstieg und auf seiner Geige zu spielen und dazu ein herzzerreißendes Volkslied zu singen anfing. Da wurde mir klar, dass ich genau dieses schöne Gewohnte aufgebe, dass ich wenn ich zukünftig in die Metro steige, erstmal nicht so entspannt da sitzen werde, sondern eben immer nervös auf den Plan gucke, die nächste Ansage abwarte und mich halt doch irgendwie fremd fühle - nicht ohne zu wissen, dass man mir das mit Sicherheit auch ansieht. Aber diese Momente waren glücklicherweise nicht von langer Dauer und schließlich sagte ich mir irgendwann einfach: "Scheiß drauf, mehr als Packen und dann eben in den Flieger steigen kannste ja sowieso nich machen! Wird ne jute Zeit!".
In diesem Sinne gab ich dann gestern auch meine Abschiedsparty. Und es war schön, meine Leute eben auch sechs Mal zum Abschied zu umarmen. Hab euch lieb!