[Teil 2] Warum Orbáns Politik in Ungarn Erfolg hat
Der zweite Teil meiner Reportage
Die Folgen von Trainon heute
Was das Ganze noch verschlimmert, ist die Situation der ungarischen Minderheiten im Ausland. Mit ungefähr 1,4 Millionen Ungarn in Siebenbürgen, (so heißt das Gebiet in Rumänien, in dem die ungarische Minderheit lebt) lebt die Hälfte der ungarischen Minderheit in Rumänien. Durch gesetzlichen Schutz ist es ihnen seit 1991 dort erlaubt, z.B. Unterricht auf Ungarisch zu halten, ungarische Studiengänge an Universitäten einzurichten, einen Vertreter in das rumänische Parlament zu entsenden und ungarische Zeitungen zu veröffentlichen.[1] Doch die Realität sieht leider ganz anders aus. Immer noch werden die Ungarn unterdrückt, der Hass auf beiden Seiten ist groß, z.B. haben erst im vergangen Juni Rumänen auf einem ungarischen Kriegsfriedhof randaliert[2] und auf die Frage in einer rumänischen Talkshow, ob die ungarische Minderheit Rumäniens einen Autonomiestatus erhalten könnte, antwortete der rumänischen Ex-Regierungschefs Mihai Tudose "Wenn sie irgendwo ihre Fahne aufhängen, werden sie daneben hängen."[3]
Die Angst der Ungarn
„Wir wissen nicht, wer wir sind“, hat letzte Woche ein junger Ungar zu mir gesagt. „Hä“, dachte ich, „jedes Fest in Ungarn dreht sich um alte Tradition, in der Schule lernen die Kinder alle ungarischen Könige auswendig, in jedem Dorf gibt es Volkstanzgruppen, bei jeder Festrede wird das stolze Ungarn erwähnt und da wisst ihr nicht, wer ihr seid?“. Doch das Gespräch mit der Chorleiterin danach, hat mich zum Nachdenken angeregt. Das Problem ist, dass die Ungarn Angst haben, wieder um ihre Kultur und Traditionen beraubt zu werden, wie es einst im Osmanischen Reich durch die Türken und erneut 1920 geschah. Deswegen kämpfen die Ungarn so verzweifelt für ihre Autonomie in Rumänien. Deswegen drehen sich hier alle Fest um die ungarische Kultur. Deswegen lernen die Kinder in der Schule so viel über die ungarische Geschichte. Deswegen will Ungarn erst einmal sich selbst stärken, bevor es mit anderen zusammenarbeitet, ganz nach dem Motto „Ungarn first“. Sich selber finden und wissen, wer man ist. Über das ganze Land ist diese Einstellung verbreitet, das Opfer zu sein. Und Viktor Orbán nutzt diese Angst geschickt aus.
Wie die Politik mit dieser Angst umgeht
Fakt ist, das Viktor Orbán und seine rechtsnationale Fidesz-Partei von der ungarischen Bevölkerung gewählt wurde. Und das im letzten Jahr schon zum vierten Mal. Doch habe ich in den letzten zehn Monaten einen großen Unterschied zwischen der Regierung und der ungarischen Bevölkerung beobachtet. Oft habe ich gehört, dass Viktor Orbán nicht die Meinung des Volks vertrete, vor allen Dingen nicht von den jungen Leuten. Bei den Ungarn über 50 allerdings, konnte ich heraushören, dass sie Orbán mehr oder weniger befürworten. Sie sagen es zwar nie direkt, aber begründen es immer mit dem Erhalt der ungarischen Tradition und der Stärkung der nationalen Identität. Das Orbán ein Rechtspopulist ist, der NGOs unter Druck setzt und seit dem Mediengesetz 2011 die Pressefreiheit quasi zur einer leeren Worthülse gemacht hat,[4] wollen sie nicht sehen oder könne sie nicht kritisch genug beurteilen. Es soll schließlich alles zum Wohle einer starken Nation sein, zum Erhalt der ungarischen Identität und Tradition. Dazu gehört auch, keine Flüchtlinge in das Land aufzunehmen, da sie ja die Kultur „stehlen“ könnten.
Weiter geht's mit dem dritten Teil...
[1] https://www.planet-wissen.de/kultur/suedosteuropa/rumaenien/pwierumaenienethnien100.html
[2] http://transylvanianow.com/romanian-crowd-breaks-into-wwi-graveyard-past-police-hungarians/?fbclid=IwAR2aw_InvUwzqtj_Akf1LNwLsxI4oH9ouxZxm_YGesSjybDVJOtHlR58FUo
[3] https://www.spiegel.de/politik/ausland/rumaenien-regierungschef-mihai-tudose-hetzt-gegen-ungarische-minderheit-a-1187949.html
[4] https://www.zeit.de/2011/09/P-Ungarn-Mediengesetz