Statt Ferien...
Ein Gegenprogramm zu Halloween: "Die Kinder mussten sich alle als kleine Heilige, Mönche und Engel verkleiden!" Außerdem besucht Judith_in_London selber einen sogenannten Retreat und erklärt, was es damit eigentlich auf sich hat...
Es ist Halfterm (= Herbstferien) in England - also es war letzte Woche - und deshalb gibt es keine Schulklassen, die zu uns zu Retreats kommen.
(Ich suche immer noch nach einer passenden deutschen Übersetzung für "retreat"! LEO gibt mir Vorschlaege wie zum Beispiel: Klausurtagung, Rückzug, Truppenabzug, schwächer werden, sich zurücklehnen, auf Exerzitien gehen, sich in sein Schneckenhaus zurückziehen, sich zurückziehen und so weiter...
Also so viel kann ich dazu sagen: Man soll sich hier auf jeden Fall zurückziehen können, ein bisschen vom Alltag Abstand nehmen und zu sich selber und hoffentlich auch Gott finden. Aber das garantiert nix mit "schwächer werden", sondern viel mehr etwas mit stärker werden zu tun!
Ich könnte das Wort aber auch auseinandernehmen! Dann habe ich "re-", was ja bekanntlich "wieder" oder "zurück" bedeutet, und "treat". Dann komme ich auf "etwas wieder aufarbeiten" oder "sich wieder mit etwas befassen", man koennte auch "reflexieren" sagen und das kommt dem Ganzen schon etwas näher!
Also falls irgendwer eine gutes deutsches Wort dafür kennt, kann er/sie mir diesen Vorschlag mal mitteilen! :)
Jedenfalls bedeutet keine Schule für uns keine Arbeit. Keine Arbeit wiederum heißt nicht Ferien!
Nungut, wir hatten Montag und Dienstag frei, weil wir das Wochenende vor der Mission durchgearbeitet haben, aber der Rest der Woche wurde dann nich von uns selber gestaltet.
Father Digby hatte etwas ganz besonderes für uns und die Freiwilligen aus dem SPEC-Zentrum vorbereitet: einen Retreat!
(Ich sollte dieses Wort einfach eindeutschen und "Retriet" nennen!)
Nun durften wir als retreat-leader (Leiter der Retreats) also selber an einem Retreat teilnehmen.
Unterstützt wurden wir dabei einerseits von Father Digby, unserem Pfarrer hier in Wapping, der gleichzeitig Pfarrer für alle Jugendlichen und Kinder in der Diozoese Westminster ist; David, der für die Jugendarbeit in der ganzen Diozoese Westminster verantwortlich ist und alles koordiniert und Sandra, die im SPEC-Zentrum lebt und arbeitet.
Aber wir hatten auch noch zusätzliche "Gastredner", die uns in den drei Tagen etwas von ihrem Verständnis vom christlichen Glauben erzählt haben: Da war David Payne, ein normaler Vater, der für die Diozoese von Westminster arbeitet, Sister Judith, die ich schon in meiner ersten Woche hier in Engalnd kurz kennen gelernt hatte, eine Nonne aus Essex (wo genau, weiß ich grad nicht mehr) und Bischof John, er arbeitet jetzt glaub ich nicht mehr voll als Bischof, weil es ihm etwas zu viel geworden ist und er auch nicht mehr der Jüngste ist.
Diese drei interessanten Persönlichkeiten haben uns also etwas von ihrem Glauben berichtet, von der Liebe Gottes, der Eucharistie, den Wesen des Herzens und allgemein vom Selbstverständis des Christen.
David Payne hatte eine sehr spannende Geschichte, weil er selber vom Glauben abgefallen ist und sich eher Drogen, Frauen, Autos und was weiß ich was zugewendet hat, bevor er doch wieder Gott für sich entdeckt hat.
Er hat uns erzählt, wie wichtig es für uns ist, Gottes Liebe für uns zu entdecken und nicht nur die Theorie (Gott liebt jeden Menschen) zu verstehen, sondern diese Liebe auch wirklich zu spüren.
Sister Judith hat auf ihre sehr einzigartige, enthusiastische und einfach ansprechende Art und Weise Erlebnisse geschildert, die Christen in der ganzen Welt bewegen. Sie ist wirklich einzigartig und wird von allen, denen sie begenet abgöttisch geliebt! Sister Judith sitzt im Rollstuhl und sieht ansonsten auch eigentlich sehr einfach aus, in ihrem grauen Gewand - wie eine Nonne eben! - und doch bringt sie alle Leute in ihrer Umgebung zum Schweigen, wenn sie anfängt zu erzählen und sie strotzt nur so vor Energie und Liebe.
Ja, ich glaube es ist diese Liebe zu allen Dingen, die Gott erschaffen hat, und allem voran Kindern, die sie so besonders macht. Ich habe noch nie zuvor jemanden getroffen, der auf diese Art und Weise so eindrucksvoll ist, so enthusiastisch und optimistisch und einfach im vollen Vertrauen auf Gott lebt. Kurz gesagt, Sister Judith ist einfach nur "WOW!" :).
Ich glaube, ich habe es schon leicht angedeutet, dieser Retreat wurde zum ausführlichen Gebet und über Gott sprechen und so weiter genutzt. Man kann sich das Ganze ungefähr so vorstellen wie den ganzen Tag lang Gottesdienst... und das drei Tage lang - abgesehen davon, dass wir jeden Tag auch einen richtigen Gottesdienst hatten.
Dann gab es noch die drei Gebetszeiten früh, nachmittags und am Ende des Tages, was nicht bedeutet, dass zwischendrin nicht gebetet wurde... Die Zwischenteile, also wenn wir nicht gerade mit Essen beschäftigt waren oder eine kurze Teepause hatten, kann man sich dann wie die Predigt vorstellen, nur eben sehr lang... zwei Stunden am Stück und dann nach dem Mittagessen noch mal.
Bei dem vielen Beten könnte man meinen, ich hatte viel Zeit zum Nachdenken, aber das stimmt nicht. Ich hatte eher das Gefühl, dass ich mehr Zeit gebraucht hätte! Ich meine, da wurden uns stundenlang hintereinander wichtige Dinge über unseren Glauben eingeflößt, aber uns wurde nicht ausreichend Zeit gegeben, damit sich diese Sachen auch stetzen koennen.
Wir wurden damit nur bespült und an die Hälfte kann ich mich bestimmt schon nicht mehr erinnern.
Ich finde, uns wird hier etwas zu wenig Zeit für uns selbst gegeben. Zeit, in der wir unseren Standpunkt genauer verstehen können. Bei den Gebeten, also wenn wir alle (frierend) versammelt in der kleinen Kapelle saßen und beten "sollten", konnte ich mich nicht wirklich konzentrieren, das geht schließlich nicht unter Druck.
Ich hab leider auch dieses Wochenende keine Zeit dazu, weil wir einen Termin nach dem nächsten haben und zwischendurch mal wieder putzen dürfen...
Aber um auf den Retreat zurückzukommen. Im Großen und Ganzen war es ganz schön. Wir hatten viel mit den SPEC-Leuten zu tun und es war wieder gut, sich zwischendurch auch mal mit anderen Leuten zu unterhalten.
Ich hab versucht neue Wörter im Liverpool-Akzent zu lernen. Das ist lustig! Ich finde, ich schlage mich gar nicht so schlecht. Carrie hat trotzdem fast immer was auszusetzen... Scouse (oder so, ich weiß nicht ganz, wie das geschrieben wird) zählt anscheinend als eine eigenständige Sprache und klingt echt witzig!
Ansonsten wäre die schöne Umgebung noch zu erwähnen. Ich habe ja noch gar nicht gesagt, wo wir überhaupt waren. Also der Ort hieß "Buckden" und liegt in Cambridgeshire, also in der Näe von Cambridge. Wir haben in alten "Towers" gewohnt, in denen vor langer, langer Zeit die erste von Henrys acht Frauen im Gefängnis saß!
Um die Towers herum war ein kleiner Park mit Wiesen und einem kleinen See. Jetzt im Herbst sah das alles wunderschön aus! Die Bäume sind alle leuchtend gelb, es gibt viele Vogelschwärme, die durch den klaren blauen Himmel ziehen und die alten Gebäude der Tower und der Kirche davor sehen auch sehr eindrucksvoll aus.
Aber es war alles sehr kalt. Der Sommer ist eben vorbei!
Als wir dann wieder in London waren, ging es gleich auf zum nächsten Programmpunkt: Wir sollten Fr Digby bei einer Veranstaltung für die Kinder in der Gemeinde hier in Wapping helfen, indem wir mit den Kleinen ein paar unserer tollen Lieder singen.
Bei der Veranstaltung handelte es sich um eine Art Gegenprogramm zu Halloween, die Kinder mussten sich alle als kleine Heilige verkleiden, was sehr niedlich war, lauter kleine Nonnen, Mönche und Engel!
Anschliessend haben wir sogar noch ein leckeres Abendbrot bekommen!
Und jetzt sind wir alle geschafft und müde und haben leider kein freies Wochenende vor uns, weil wir das Haus putzen müssen und uns um eine Gruppe Jugendlicher aus Kongo kümmern sollen. Danke.
Ich sollte mir jetzt also mal eine kleine Pause gönnen...
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