St Petersburg in fünf Tagen
Auf abenteuerliche Weise reist Line nach St. Petersburg, um ihre Freundin Marianne zu besuchen. Dabei merkt sie, dass es schwer sein kann, sich zurechtzufinden, ohne Russisch zu verstehen!
Heute Morgen bin ich aus dem Zug gekrochen und hätte mit meiner Mitreisenden beinahe Rigas lieben Boden geküsst, wenn unsere Rucksäcke nicht so schwer gewesen wären. Am Abend des 19.3., also letzten Mittwoch bin ich in Riga in den Latvijas Ekspresis gestiegen um mich aufzumachen, meine Freundin und Mitbewohnerin Marianne in St Petersburg zu besuchen und abzuholen. Sie war schon mehr als zwei Wochen da, weil sie durch ihr Projekt die Chance bekommen hatte dort zu arbeiten.
Die Zugfahrt ging die ganze Nacht und ich war mehr als froh, zwei Deutsche in meinem Wagen kennen zu lernen, denn von dem Moment an, in dem ich den Fuß auf die Stufe des Wagens gesetzt hatte, sprachen auf einmal alle nur noch Russisch. Schon meinen Sitzt zu finden war nicht einfach, und das Gefühl, mal wieder gar nichts um mich herum zu verstehen, was ich von meinen Anfängen in Lettland kannte, kam zurück wie ein ICE. Der Zug, in dem ich saß, dagegen bummelte fröhlich los und ließ netterweise immer mal wieder jemanden irgendwo in die Nacht aussteigen, weshalb ich so gegen Mitternacht eine Liege erobern konnte und mich zum schlafen einkugelte. Nicht, dass es bequem gewesen wäre....
Wir mussten über zwei Grenzen. Die estnische war nett wie immer und an der russischen ging das Papierchaos los. Ein ganzer Haufen strenggesichtiger Menschen in Uniform stieg um halb 2 in den Zug und checkte alles gründlichst durch. Ich hätte nicht gedacht, dass dieses Land jetzt noch so erpicht darauf ist abweisend zu wirken. Marianne hat mich dann morgens am Bahnhof eingesammelt, zu meinem Glück, denn Metro Fahren kann so schwer sein, wenn man nicht mal die Haltestellennamen lesen kann. Ich war eh viel zu beschäftigt meine Umgebung anzustaunen um mich zu orientieren. Alleine die Bahnhöfe und Metrostationen in St Petersburg sind es wert besichtigt zu werden. Und dann erst die Straßen! Voll und laut und schnell... wer sie überqueren will, muss immer zum Sprinten bereit sein. Und alles umgeben von Palästen (zumindest im Zentrum, was ziemlich groß ist) und anderen Prunkbauten.
Wir wohnten zwar zentral, aber nicht in besonders angenehmer Stimmung, denn da wir die Wohnung mit der Mutter und ihrer schwer behinderten Tochter teilten, bei denen Marianne arbeitete, mussten wir uns immer nach deren Tages- und Nachtablauf richten. Tagsüber haben wir die Stadt besichtigt und waren meistens abends zum Umfallen müde. Nur die Samstagnacht wurde anders gestaltet. Gleichzeitig mit uns waren noch drei andere Freiwillige aus Lettland in St. Petersburg und so bekamen wir für eine Nacht Asyl in der Familie, bei der sie wohnten. Und das Nachtleben hat mich wirklich mit den sonst so unfreundlich wirkenden Menschen versöhnt.
Wir hatten viel Spaß in einer art Bar-Disco-Mischung... man muss nur wissen, wo man hingehen muss, wie in jeder Stadt. Und die unglaubliche Gastfreundschaft dieser Familie hat mich dann auch für die unfreundlichsten Postmitarbeiter entschädigt, die ich jemals erlebt habe.
Alles in allem war Russland ein Erlebnis, Abenteuer und ein Test, wie weit ich es aushalten kann. Und ich bin nicht schlecht stolz, dass ich es geschafft habe, mich ein wenig einzugewöhnen und Konfekt in dem wunderbaren Laden nebenan einzukaufen ohne auch nur irgendwie Russisch zu sprechen. St Petersburg ist eine schöne und doch monströse Stadt. Heute Nacht (24./25.3) ging es zurück. Nun sitze ich hier und staune über meine eigenen Bilder, und darüber dass eine Stadt wirklich so aussehen kann...