Spaniens Nachwuchs: Jung & Arbeitslos
Im vergangenen Monat lag die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien bei 49,2 Prozent. Höher als dort ist die Quote aktuell nur noch in Griechenland.
Für mich ist Jugendarbeitslosigkeit kaum ein Wort. In diesem Jahr habe ich mein Abitur gemacht und ich glaube nicht, dass sich meine Freunde und Mitschüler darüber Gedanken machen. Wenn wir um unsere Zukunft bangen, dann geht es eher um die Wahl des richtigen Studiengangs, um das ehrenamtliche Engagement, das sich angeblich so gut im Lebenslauf macht, um die Noten, die nicht ganz so sind, wie wir sie gerne hätten. Wenn wir erzählen, was wir einmal studieren möchten, dann sind mitunter verrückte Fächer darunter – Judaistik, Kommunikation und Bionik. Für manch Ältere sind das Fremdwörter. „Wie? Und da findet man einen Job?“, werden wir gefragt, wenn wir davon erzählen.
Klar, denken wir. Akademiker haben die besten Berufschancen, hat man uns gesagt. Auch die Statistiken unterstützen uns: Im August 2015 berichtete die Europäische Union, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland aktuell bei 6,2 Prozent lag. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das wenig.
In vier Wochen fliege ich jedoch in ein Land, in dem Jugendarbeitslosigkeit sehr wohl ein Wort ist. Neun Monate lang werden ich in Spaniens lebendiger Hauptstadt Madrid als EVS-Freiwillige wohnen. Auf der Suche nach Menschen, mit denen ich schon jetzt Spanisch sprechen kann, telefoniere ich mit jungen Deutschen, die schon einmal in Spanien gearbeitet haben, und skype mit ehemaligen Freiwilligen, die früher einmal einen EVS in Madrid machten – und treffe schließlich auf Sofía.
Sofía lebt in Düsseldorf, ist inzwischen 26 Jahre alt und hat Biologie und Chemie auf Lehrarmt studiert – das klingt zuerst ziemlich deutsch, wäre da nicht Sofías dreiteiliger Name, den ich kaum aussprechen kann. Und da ist noch etwas: Sind Biologie und Chemie hier gerade die Fächer, die ein Lehrer haben muss, wenn er schnell eine Stelle finden möchte, ist Sofía in ihrer Heimat arbeitslos gewesen. Als Au-Pair ist sie nach ihrem Studium nach Deutschland gekommen, hat hier ihren Freund kennen gelernt und ist in Düsseldorf geblieben. Wenn wir chatten, schreiben wir Englisch, so ganz klappt es mit dem Deutsch noch nicht. „Das muss es aber bald – damit ich einen Job finde“, schrieb sie mir einmal.
In Spanien ist die Jugendarbeitslosigkeit ein großes Problem: Laut der Europäischen Union waren im Juni 2015 49,2 Prozent der jungen Bevölkerung Spaniens arbeitslos. Gründe dafür sind viele bekannt: Immer wieder werden Reformen gefordert, um die Arbeitsverträge von jungen Menschen abzuändern, denn viele arbeiten in befristeten Verhältnissen, was es einfach macht, sie wieder zu kündigen. Dazu kommt das Bildungssystem, dem ebenso immer wieder die Schuld gegeben wird: Zwar sind unter den jungen Spaniern zahlreiche mit einem Hochschulabschluss, zu wenige haben jedoch die nötige Praxiserfahrung.
Sofía ist auf dem besten Weg, in einer fremden Heimat glücklich zu werden. Sie ist wegen der Jobchancen gekommen, aber jetzt ist sie auch wegen der Liebe geblieben. Ob es ein seltsames Gefühl ist, seine Zukunft in einem anderen Land als der Heimat suchen zu müssen, frage ich sie an einem Abend, an dem wir beide vor unserem Chat sitzen. „Ja“, antwortet sie binnen Sekunden. „Es ist ein Gefühl von Ohnmacht, weil keiner von uns weiß, was wir selbst dagegen unternehmen können.“