Spanien: Gated Communities
Wie wollen wir in Zukunft wohnen?
Gated Communities werden in Europa immer beliebter. Doch was ist das eigentlich und welche Folgen hat die Ausbreitung dieser Wohnform?
Die Siedlung in der ich in Spanien wohne besteht größtenteils aus identischen, dreistöckigen, modernen Backstein-Reihenhäusern in deren Einfahrt meist zwei Autos stehen. Im Zentrum der Siedlung befindet sich ein Swimming Pool und eine Sportanlage mit zwei Tennisplätzen und einem Fußballfeld. Die Bewohner gehören größtenteils zur Mittelschicht und viele Häuser sind mit Alarmanlagen ausgestattet. Die Alarmanlagen wären vor ca acht Jahren nicht nötig gewesen, denn damals war diese Siedlung noch eine sogenannte „Gated Community“: ein privates, abgeschlossenes Wohngebiet mit strengen Sicherheitsvorkehrungen, sodass sie für unerwünschten Besuch nicht zugänglich sind. Mit „unerwünschtem Besuch“ sind jedoch nicht nur Diebe oder anderweitige Übeltäter gemeint, sondern genau genommen alle, die das privilegierte Leben der Bewohner stören könnten.
Während Gated Communities in Ländern wie den USA, Brasilien oder Ecuador bereits längst normal sind, werden sie nun auch in den EU-Ländern populär. Dies sei laut EU-Kommission ein besorgniserregender Trend, denn die Ausbreitung dieser Wohnform sei vor allem ein Symptom einer sich zunehmend öffnenden Schere zwischen Arm und Reich.
In Spanien sorgten die Wirtschaftskrise und die dadurch zunehmende Arbeitslosigkeit für eine zunehmende Separierung der Ober- und Mittelschicht von der Unterschicht. Auch wenn sich die Wirtschaft langsam wieder erholt, wird das Stadtbild von spanischen Städten wie Madrid oder Toledo sehr von dieser Spaltung geprägt in Form von privaten Zonen, die von Unbefugten nicht betreten werden dürfen und auch nicht als Durchgang genutzt werden können. Dabei spielt vor allem großes Misstrauen gegenüber der weniger wohlhabenden Nachbarn eine Rolle.
Um den weiteren Ursachen für die Entstehung der Gated Communities und deren Folgen, sowie Vor- und Nachteilen auf den Grund zu gehen, wurde das EU-finanzierte Projekt GATEDPUG (Challenge of private urban governance and the rise of gated communities in Europe) ins Leben gerufen. So haben Studien, die im Rahmen dieses Projektes gemacht wurden ergeben, dass die meisten Gated Communities in Gegenden mit niedriger Kriminalitätsrate entstanden sind. Tatsächlich gehe es um das Prestige in einer privaten Siedlung zu leben und Unzufriedenheit mit der öffentlichen Verwaltung oder auch Misstrauen gegenüber der lokalen Polizei, die bei Hauseinbrüchen oder Diebstahl oft unzureichend ermittle. Außerdem bieten die meisten Gated Communities gewisse Extras für ihre Bewohner: zum Beispiel Swimming Pools, Sportanlagen und Spielplätze.
Ein großer Nachteil der Gated Communities ist die Abgrenzung. Das betrifft einerseits die Bewohner, andererseits alle anderen Außenstehenden, denen er Zutritt verboten wird, was den sozialen Zusammenhalt einer Kommune beeinträchtigt. Problematisch ist auch die Privatisierung des Stadtmanagements innerhalb der Gated Communities, denn die Verwaltung eines privaten Wohngebiets liegt nicht mehr in den Händen der Stadt sondern wird von den Inhabern übernommen. Neben der Tatsache dass dies ein Ärgernis für die Stadtplaner ist, führten die rechtlichen Bestimmungen zur Koordination einer Gated Community, denn die Privatisierung eines gesamten Wohngebiets in der Stadt sei eigentlich illegal.
Die Siedlung in der ich nun wohne ist nun keine Gated Community mehr und wieder voll und ganz für alle zugänglich. Viele andere privatisierte Wohngebiete jedoch, nahmen einige strukturelle und organisatorische Änderungen vor, sodass sie weiter als Gated Community existieren können. Darunter eine der bekanntesten und exklusivsten ihrer Art: „La Finca“ in Madrid – von der Zeitung „El Confidencial“ auch als „großer Bunker für VIP's“ bezeichnet- , wo viele Fußballspieler der Mannschaft Real Madrid residieren.
Die Etablierung einer Wohnform, die die Spaltung einer Gesellschaft provoziert, sollte meiner Meinung nach dringend überdacht werden. Das Bedürfnis nach Sicherheit ist groß und ein geschützter, sicherer Wohnraum wird von allen gewünscht. Doch es gibt diejenigen, die sich zusätzlichen Schutz durch eine ständige Überwachung ihrer Wohnungen leisten können, und die anderen, die vor dem Zaun stehen bleiben müssen, weil sie sich derartigen Luxus nicht leisten können.
In Zukunft wird sich die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter schließen, sondern wahrscheinlich sogar weiter öffnen und solange sich Wirtschaft und Politik auf keine Lösungen zur Behebung dieses Problems einigen, muss sich die Gesellschaft mit dieser Situation arrangieren ohne daran zu zerbrechen. Ein gemeinsames Miteinander zu finden ist jedoch schwer, wenn sich immer mehr Menschen zurückziehen und abschotten.
Quellen:
http://cordis.europa.eu/result/rcn/148820_de.html
http://www.spiegel.de/panorama/gated-communities-todsicher-in-der-isolation-a-656192.html
http://www.bpb.de/apuz/176307/gated-communities-und-andere-formen-abgegrenzten-wohnens?p=all
http://www.eleconomista.es/blogs/live-construction/?p=520
http://www.expansion.com/2012/09/04/directivos/1346778404.html