Sofiizacja
"Ist das alles normal hier!" Johansson staunt immer wieder über die wenig "bulgarischen" Bulgaren. Okay, wenn man die Pferdewagen mal außer Acht lässt...
Am ersten Tag haben wir uns vor dem Kulturpalast getroffen, mir eine Handykarte gekauft und sind die Einkaufspromenade Vitoscha runterspaziert. An deren Ende stehen viele Sehenswürdigkeiten, die Kirche Sveta Nedelja, die winzige Sveta Petka, das Sheraton Hotel und Präsidentenamt, das alte Hauptquartier der Kommunisten, die Moschee, die alte Therme, mit deren warmem Wasser ich auch meine Flasche auffüllte. Überhaupt sind in ganz Sofia überall kleine Brunnen, über die sich die Menschen kurz beugen um zu trinken.
Ich war noch kurz bei Kalinas indischem Tanzclub, wo ihre Mutter und Schwester Elli zu uns stießen. Zusammen waren wir in den Markthallen, danach wieder zu zweit über das sowjetische Ehrenmal Richtung Uni. Kalina führte mich durch ein Gewirr von Straße und Läden, bis ich auch nicht mehr wusste, wo lang.
Ich erstand ein Album bulgarischer 60er Jahre Klassiker und Baklava. Wir besuchten auch diverse Modeläden, und Kalina wurde immer genervter, wie die Leute aufblühten beim Anblick des großen blonden Fremden. In der Tat, sogar die Bettler lächelten mich nur an und wollten keinen Cent.
Kalinas gutes Herz jedoch kaufte zwei Roma etwas zu essen, bevor wir endlich an der Nevski-Kathedrale ankamen. Dort war gerade eine Taufe im Gange. Ich habe zum ersten Mal die Gelegenheit, orthodoxe Kirchen systematisch zu besichtigen. Insbesondere der Gesang und die Malereien gefallen mir.
Abends haben mich die Aleksievas und Verwandte zum Essen in ein Restaurant in einem renommierten Viertel an einem Berg über der Stadt mitgenommen. Auf eigene Rechnung, versteht sich, weil die Wohnung ja nicht genug ist. Aber irgendwann wird zurückgeschenkt.
Stereotypzacja
Es klingt so dumm, gerade weil ich insgeheim ja doch denke, ich war schon weg, ich weiß wie das ist, ich bin weniger anfällig für Stereotypen. Aber der Gedanke, den ich am meisten in mir beobachte, ist: Ist das alles normal hier. Gut, es fahren tatsächlich noch Pferdewagen durch die Straßen, wenn auch selten. Die Bulgaren hier sind weit weniger bulgarisch als meine in Magdeburg. Es gibt sogar blonde!
Das Wetter ist glücklicherweise sehr erträglich, keine Hitze wie ich sie erwartet hatte. Alles tolle, neue, coole und hippe ist auf Englisch, nicht unbedingt korrekt, aber immer in lateinischen Buchstaben.