Skandinavische Brise am ghanaischen Meer
Nachdem kreunkernchen ihre Arbeitsposition erfolgreich verteidigt hat, erkundet sie den Kaneshi-Market. Ein toller Sonnenuntergang entschädigt alle Aufregung.
1. März 2008
Zugegeben, nach den Ferien mit meinen Besuchern von daheim, war der Start zurück in den Alltag nicht grad das, was ich mir gewünscht habe. Und auch das während meiner Urlaubszeit erfolgte Erscheinen von zwei norwegischen Sozialarbeitsstudentinnen in Anidaso Fie und die damit verbundenen Irritationen über meine Aufgaben im Projekt, haben mich nicht das erste Mal in Ghana, aber doch das erste Mal in Accra, zweifeln lassen, was ich hier mache und ob ich nicht zu Hause, wo meine Freunde und meine Familie sind, nicht eh' viel besser aufgehoben bin. Was soll denn auch der ganze Stress? Aber wie so oft hier in Ghana, beantworten sich eventuelle Zweifel durch Ghana selbst, denn mit etwas Glück laufen die Dinge doch wieder in geordneten Bahnen. Also setzt man sich zusammen und redet über das, was bisher so gelaufen ist und das, was jetzt ansteht und schwupps, findet man den Weg durch den Dschungel des Ungesagten und Unerklärten und kommt seinem angestammten Platz in Projekt immer näher. Und wenn solche teilweise unschönen, aber nötigen Selbstzweifel und Positionskämpfe ausgekämpft sind, kann man sich mal wieder zurücklehnen und etwas neues kennen lernen. Genauer gesagt, sich diese norwegischen Studentinnen näher anschauen und herausfinden, wo sie herkommen und wie sie den Weg nach Ghana gefunden haben. Und weil sich so was mit Meeresrauschen immer ein wenig einfacher gestalten lässt, verabreden wir uns heute erst mal zum Schlendern über den Kaneshi Market, zum Stoffe anschauen, und dann zum Weiterfahren nach Kokrobite, einem netten Strand etwa 30 Kilometer von Accra entfernt. Die beiden Studentinnen, Berit und Inger, sind mit Anna, einer Kommilitonin, die ihre Praxiszeit in einem Aids-Beratungszentrum im Stadtteil Pig Farm leistet und Eirik einem Anthropologie-Studenten aus Trondheim angekommen. Durch komplexe und schicksalhafte Wege (eben typisch Ghana) wohnen alle vier vorrübergehend in Sakumono, einem Stadtteil in der Nähe der Spintex Road. Schon seltsam, dass sich da vier Norweger in Ghana treffen, wo die doch nur eine Bevölkerung von vier Millionen haben! Aber hier kommt eben die Welt zusammen. Leider aber doch auch mit ghanaischer Verspätung, sodass wir nicht mehr allzu viel Zeit für den Markt haben, um noch vor der Mittagshitze am Strand zu sein. Also geht's auf, die verschlungenen Wege hinter Kaneshi entlang, um zum Trotro nach Kokrobite zu kommen.
Es gibt ja einige Arten von Trotros: fast-kaputte und kaputte; ehemals deutsche oder ehemals niederländische Transporter; laute und leise; große, kleine und dann noch dieses: minimausklein! Das Hineinsteigen wird da nicht nur zum Hindernislauf, sondern auch noch eine Kletterübung aller erster Güte! Aber alles kein Problem, wenn man mal von der extremen Temperatur absieht, die nun mal unter diesen Konditionen herrschen. Schweiß, deine Heimat ist Ghana! Da wird man dann beim Erstreiten des korrekten Wechselgeldes schon ein wenig ungemütlicher. Dennoch entschädigt einen dieses Land für jeden Fehlschlag sofort wieder mit einem ulkigen Ghanaer oder eben einem endlos blauen Meer und einem noch endloseren Strand, wie hier in Kokrobite. Entlang der fußballspielenden Jungens von Fischerboot fünf und sechs, schlängeln wir uns vor zum "obrouni"-Liegeplatz vor dem Korkor Inn vor.
Da wird nach dem obligatorischen Sprung in die Fluten erst mal bräsig in der Sonne gelegen, bis die am Strand von Kokrobite ebenfalls obligatorische "Joyce of Africa", wie sie sich nennt, mit ihrem Schmuck anrückt. Diese alte Amerikanerin, die immer mit einer ghanaischen Beads-Verkäuferin gemeinsam auf der Suche nach kaufkräftigen Weißen rumrennt und mit einer kratzigen Zigarettenstimme ihre never-ending Story über das Leben erzählt, wird natürlich auch bei uns was los. Aber danach müssen wir erst mal (alle schon leicht krebsig geworden...) aus der Sonne flüchten. Unsere schicksalhafte Wahl fällt auf das erwähnte Korkor Inn, um eine Kleinigkeit zu essen. Die Norweger bestellen sich Chicken mit Yam vielleicht die suboptimale Wahl hier. Denn obwohl wir einiges haben, worüber wir uns unterhalten können, sind fast zwei Stunden Wartezeit doch eine etwas sehr lange Zeit, die es zu füllen gilt. Aber dann erscheinen doch noch die Teller, allerdings nicht mit dem, was die Mädels bestellt haben, sondern eben einem andern Tierchen auf dem Teller. "That's Ghana for you!" Von der Enttäuschung getrieben, versuchen wir dann gemeinsam, also mit der vereinten Redekraft von fünf Europäern, den Chef des Hauses doch von einer Preisreduzierung zu überzeugen. Doch auch hier heißt es: "That's Ghana for you". Denn was Servicebedürfnisse angeht, ist Ghana eben doch ein Entwicklungsland, wo gilt: seid froh, dass ihr was zu essen bekommen habt. Nix desto trotz entschädigt der Wahnsinns Sonnenuntergang dann doch alle skandinavischen und deutschen Gemüter, was auch den Einreiseverkehr in die Millionenstadt Accra im angehenden Dunkel der Nacht ein wenig weniger schlimm werden lässt.