Sicherheitstraining, dicke Luft und Rentierschlachtung
Ein neuer Beitrag nach langem von mir. Es gibt viel zu erzählen. Also macht es euch bequem, holt euch vielleicht noch eine Tasse Tee, wie hier in Russland üblich und dann nur noch lesen.
Freitag, 29.10.2010:
Den Freitag verbrachte ich wieder im Büro. Zu tun gab es für mich wieder Recherchearbeit in der Sache GPS-Datenverarbeitung. Sodann sprach ich mit Vera, Susan und Mascha noch den Ablauf des Samoniusfestes, welches am Wochenende stattfinden sollte, durch.
Samstag, 30. und Sonntag 31.10.2010:
Den Samstag widmete ich der Hausarbeit: Küche putzen, Wäsche waschen… Außerdem versuchte ich einen alten Schrank, den einer der Inspektoren unserer WG geschenkt hatte, nachdem wir mehrmals nach einem Kleiderschrank verlangt hatten, zu putzen. Allerdings stellte ich schon beim ersten genauen Blick fest, dass ich in den Schrank nicht meine sauberen T-Shirts legen wollte. Denn der Schrank ist von Pjotr Petrovitsch ausgemustert worden, stand schon eine Weile im Freien und war deshalb ziemlich vermodert, kaputt und dreckig. Dennoch schrubbte ich den Schrank aus. Jetzt werden wir ihn als Schuhrank verwenden. Einen Kleiderschrank habe ich noch immer nicht, lediglich eine Schublade unterm Bett und spätestens wenn der nächste Freiwillige einzieht (Im November kommt noch ein Weißrusse namens Kostja) geht der Platz für Klamotten und andere private Gegenstände im Zimmer der männlichen Freiwilligen aus.
Am Sonntag stand dann das Samoniusfest, also das ursprüngliche Halloween, an. Dazu gingen wir um ca. 14.30 Uhr in den Park. Dort hatte Vera schon einiges vorbereitet und es war sogar schon ein Kind da, dass wohl eine Stunde zu früh gekommen war. Um 15.00 Uhr ging dann das Fest los. Es waren verhältnismäßig viele Kinder da, immerhin neun Stück. Zuerst erzählte Vera etwas über die Herkunft des Festes und das damit der Beginn der dunklen Jahreszeit eingeläutet wurde. Danach wurde gebastelt: Halloweenmasken und Kerzengläser, die man mit verschiedenen Motiven bemahlen konnte. Nachdem jedes Kind etwas vollbracht hatte gab es eine von Vera, Judith und Kay vorbereitete Kürbiscremesuppe. Allerdings kannten die Kinder derartige Speisen wohl nicht, weshalb die meisten nicht von der Suppe kosteten. Aber da bleib dann schon mehr für uns Freiwilligen übrig zum Verzehr nach dem Fest.
Als die Suppe dann wieder weggeräumt war, begannen wir mit einer Rätselrunde. Zur Belohnung gab es Bonbons. Danach ging es weiter mit einem kleinen Wettessen: Drei Äpfel die an einer Schnur hingen, drei Kinder und auf Kommando musste der Apfel von der Schnur gefressen werden, ohne die Hilfe der Hände.
Zum Abschluss wurde noch ein wenig Musik eingespielt und die Kinder durften ein wenig tanzen.
Nach ca. zwei Stunden war das Fest dann vorbei und die Organisatoren konnten mit Recht behaupten, dass es ein kleiner Erfolg war.
Montag, 1.11.2010:
Am Montag half ich nach der Planjorka erstmal ein Schneemobil, das Winterfahrzeug für diese Region, aus der Garage zu schieben, da man mit ihnen nicht auf Steinboden fahren sollte. Danach lief ich zurück zu meinem Wohnhaus.* Dort musste ich helfen aus dem Geräteschuppen einige Schlittenanhänger für die Schneemobile rauszuziehen und etwas für Ordnung zu sorgen. Bevor man allerdings an die Anhänger hinkommen konnte, musste einiges Zeug aufgeräumt werden, das dort im Weg herumlag, wie z.B. Bretter, Teile von einem alten Schneemobil, das alte Schneemobil selbst, so wie einiges an Eisenschrott.
Dienstag, 2.11.2010:
Am Dienstag fand für uns Freiwilligen ein erstes “Überlebenstraining” statt. Dazu kam ein Herr in den Park, der öfters mit Kindern in der Natur unterwegs ist und so etwas wie ein Outdoorexperte ist.
Zuerst gab es eine ca. 1,5 - stündige theoretische Einführung. Danach gingen wir noch kurz raus.
Ich lernte also nun einige Dinge für das Überleben in der Natur und im Winter von Kamtschatka. Einmal ging es um die Ausrüstung, die man immer dabei haben muss, wenn man das Dorf verlässt. Diese umfasst ein Messer; etwas Salz in einer Plastiktüte zur Wundversorgung und zum Verzehr; Streichhölzer, die ebenfalls in eine Plastiktüte eingewickelt werden müssen; ein Walki - Talki; einige winzige Tütchen mit wichtigen Nahrungsmittel, die man in der Natur nicht sofort findet, wie Zucker, Gewürze, Tee; etwas Schnur, die man für verschiedenen Dinge gebrauchen kann; ein Becher, in dem man auch über dem Feuer Tee erhitzen kann; eine kleine Apotheke mit Schmerztabletten, Kohletabletten oder spezifischen Medikamenten, die man benötigt; falls möglich, sollte auch eine Axt ins Gepäck; die Taschenlampe darf natürlich nicht fehlen.
Weiter erklärte unser “Experte” wie wir uns in Kamtschatkas Wildnis orientieren konnte: Da waren einerseits das Zentralgebirge, dass von Nord nach Süd verläuft, die Flüsse, die meistens von West nach Ost fließen, entweder ins Ochotskische Meer oder in das Beringmeer. Außerdem lernte ich, dass der Westhang eines Berges meistens mehr bewachsen und windiger ist als der Osthang. Sodann kann man sich am Wind orientieren: Ist er wie meistens kalt und trocken kommt er normalerweise aus Nord-Ost.
Was tun, wenn ich mich verlaufen habe?? Erste Regel: keine Panik! Um diese nicht aufkommen zu lassen, hilf Wasser trinken oder das kauen auf einem Zweig. Denn dadurch wird man abgelenkt und kommt auf andere Gedanken.
Immer auf Geräusche achten: Motorengeräusche können einem verraten in welche Richtung vielleicht eine Siedlung liegt. Denn die Fahrzeuge sind vielleicht dorthin unterwegs. Allerdings darf man nicht genau auf die Lärmquelle zu gehen. Stattdessen soll man sich einen erhöhten Punkt suchen, sich seinen Ausgangspunkt und den Ort der Lärmquelle merken. Dann kann man genauer erkennen in welche Richtung vielleicht eine Siedlung liegt.
Des Weiteren gab es noch einige Tipps zur Wundversorgung und zur Outdoorküche. So weiß ich jetzt z.B., dass ich Bär mindesten 2,5 Stunden kochen muss und anderen Raubtiere mindestens 1 Stunde. Nur für den Fall, dass ich mal mit meinem Schweizer
Taschenmesser einen Bären erlege und diesen dann kochen will.
Im Freien wurde uns dann gezeigt, wie man am Besten ein Feuer entzündet. Eigentlich nicht unbedingt etwas neues, zumal man ja Streichhölzer hat. Allerdings erklärte der “Experte”, dass man die Äste an einigen Stellen entrinden und das Holz einschnitzen soll, damit dann einige Splitter abstehen an denen dann die Flamme gut angreifen kann. Außerdem zeigte er uns, wie man eine Feuerstelle so kennzeichnet, dass nachfolgende Personen wissen, in welche Richtung man weitergeht. Auch zeigte er uns wie man eine Aufhängung für den Topf baut.
Als unser Feuer dann brannte gab es natürlich auch einen Tee und etwas zum Essen.
Am Abend lief ich noch einmal in den Park. Dort fand eine Vernissage für ein neue Serie von Postkarten (Blumen auf den Bergen von Esso) satt.
Am Abend bereiteten Susan und ich noch Rentierfleisch vor. Wir hatten nämlich eine riesige Menge Rentierfleisch bekommen. Diese steht momentan noch in einem Behälter hinter unserem Haus, im open-air-Gefrierschrank. Einen Brocken davon haben wir schon am Montag ins Haus getan, damit er auftaut. Am Dienstag wollten wir ihn in kleine Fleischstücke aufteilen, einen Teil zum Abendessen anbraten und den Rest Kochen und dann Portionsweise wieder einfrieren.
Obwohl keiner von uns wusste, wie man so einen Fleischbrocken behandelt und welche Teile davon überhaupt genießbar sind, machte ich mich mit einem großen Messer an die Arbeit und begann das Fleisch vom Knochen zu schneiden. Nach einer halben Stunde hatte ich dann endlich den kahlen Knochen in der Hand. Danach musste das Fleisch nur noch kleingeschnitten und gewürzt werden und schon hatten wir ein leckeres Rentiergeschnetzeltes zum Abendessen.
Mittwoch, 3.11.2010:
Nach einer Stunde Russischunterricht am Mittwochmorgen ging ich wieder zur Baßa. Dort half ich dann für ca. zwei Stunden eine Holzverschalung am Geräteschuppen anzubringen.
Nach der Mittagspause sprachen wir (die Volontäre) noch mal mit unserer Mentorin das Sicherheitstraining vom Vortag durch, da wir den russischen Vortrag nicht ganz verstanden hatten.
Im Anschluss an dieses Gespräch widmete ich mich wieder der Büroarbeit.
Aufgrund eines Feiertages am Donnerstag war dann Wochenende.
Donnerstag, 4.11.2010:
Auch wenn der Donnerstag frei war, wartete auf uns Volontäre ein zweites Sicherheitstraining. In diesem Vortrag ging es um Erste Hilfe und Orientierung in der Wildnis, sowie um das Errichten eines Lagers. Wir behandelten Themen wie Erfrierungen an Händen und im Gesicht, Unterkühlung und Knochenbrüche an Armen und Beinen.
Obwohl ich durch einige Jahre Jugendrotkreuz über geringe Kenntnisse verfüge, was diese Themen betrifft, so erfuhr ich dennoch einige neue Dinge, da wir hier davon ausgehen mussten, dass im Notfall weder ein Arzt noch sonst Irgendjemand zur Hilfe gerufen werden konnte, da wir uns in der Wildnis befanden.
So lernte ich z.B., dass man bei einem Beinbruch beide Beine zusammenbinden sollte und dann zusammen in ein Hosenbein schlupfen soll, damit das verletzte Bein fixiert ist. Erfrierungen kann soll man durch massieren mit etwas Stoff/Watte mildern oder wenn man an warmes Wasser kommt die erfrorene Hand/Finger in lauwarmes Wasser halten.
Zum Thema Orientierung sagte man uns, dass man sich in der Wildnis gut an der Windrichtung (die sich auch am Wolkenflug zeigt) orientieren kann.
Allgemein sei es wichtig, dass man sich vor dem Beginn einer Tour im Kopf klar macht, wo man hin will, wie man dort hingelangt und das man dies auch schaffen kann. Denn wenn man sich innerlich nicht auf die Tour einstellt, kann man schnell in gefährliche Situationen gelangen.
Als der Vortrag zu Ende war, schlug Sergej vor, dass wir Volontäre noch am Selben Wochenende raus in die Wildnis sollten, um die neuen Kenntnisse anzuwenden.
Wir drei Deutschen Volontäre hatten jedoch nur geringes Interesse an einer Nacht im Freien, die Temperaturen lagen Nachts ja schon deutlich zweistelligen Minusbereich.
Sergej und Nina konterten dann damit, dass wir diese Erfahrungen aber dringend machen müssen, wenn wir im Januar ihnen bei einem Monitoringprojekt (Zählung und Erfassung von Tierspuren) helfen sollen.
Die Deutschen, also Vera, Susan und ich, verhielten uns aber dennoch distanziert von diesem Vorhaben.
Die Situation verschärfte sich dann etwas, Judith versuchte zu schlichten und bis jetzt ist die Sache noch immer nicht ganz vom Tisch.
Ich versuche nun im Folgenden die verschiedenen Standpunkte etwas zu erläutern:
Sergej und Nina sind zwei Menschen, die sich gerne in der Wildnis aufhalten, um ihrer Arbeit nachzugehen. Dabei schrecken sie auch nicht vor einer Nacht im Freien zurück. Vielleicht bedingt durch ihre russische Mentalität lassen sie jedoch viele Dinge einfach mal auf sich zukommen ohne ausführlich zu planen. So ist es zum Beispiel geschehen, dass die Beiden ungewollt eine Nacht im Freien verbringen mussten, weil sie auf einer Tour eine Hütte zum Übernachten nicht gefunden hatten.
Diese Einstellung führt dazu, dass man sich nicht sicher sein kann, wann man wieder nach Hause kommt und wo man übernachten muss, wenn man mit Nina und Sergej auf eine Tour gehen würde. Denn die beiden haben kein Problem damit, ungeplant in der Wildnis zu übernachten.
Wir Deutschen dagegen würden eine Tour in die Wildnis genauer plane und wüssten, wo wir übernachten können und das wir gegebenenfalls am Abend wieder zu Hause sind. Diese Sicherheiten hat man meiner Meinung nach allerdings nicht, wenn man mit den Russen auf Tour ist. Da kann es dann sein, dass man plötzlich draußen übernachten muss, obwohl man eigentlich abends wieder zu Hause sein wollte.
Bedingt durch diese Auffassung kam es dann zu unserer abneigenden Einstellung einer praktischen Übung im Freien. Denn wir befürchteten erstens, dass wir abends nicht zurück wären, auch wenn man das vor Beginn einer Tour vielleicht gesagt hat. Zweitens sind wir der Meinung, dass wir nicht in Lage kommen werden, dass wir uns ein Lager im Freien errichten, Feuer machen und um unser Überleben bangen müssen, da wir unsere Tour anständig geplant hätten. Natürlich ist uns bewusst, dass man immer unvorhergesehen in ein Notsituation gelangen kann. Die beiden Russen gelangen allerdings, so die Meinung von uns Deutschen, vorhergesehen in Notsituationen.
Aus unserer Haltung und weil wir unseren Standpunkt vielleicht nicht klar ausdrücken können, schlossen die beiden Russen dann, dass wir auch kein Interesse an ihrem Monitoringprojekt haben, denn dafür müsste man ja eine Übung im Freien machen.
Auch wenn wir nicht unbedingt wild darauf sind im Janunar bei minus 30 Grad auf Ski Tierspuren suchen, heißt nicht, dass wir kein Interesse an der Arbeit von Nina und Sergej haben. Allerdings ist das Monitoringprojekt auch nicht unser Projekt und wir opfern unsere Zeit für ihr Projekt. Dennoch erklärte ich mich bereit zumindest ein paar Tage für sie zu arbeiten, in der Hoffnung, dass sie das Monitoringprojekt auch anständig planen würden und ich nicht unvorhergesehen im Schnee übernachten muss, weil irgendeine Hütte nicht gefunden wird. Susan meinte, dass sie wenigstens für einen Tag helfen kann, allerdings will sie zum Abend wieder im sicheren Haus sein. Da Vera selbst einige Projekte hat, wurde sie erst gar nicht mehr gefragt.
Im Großen und Ganzen liegt das Problem also an der Kommunikation. Da wir meistens nicht wissen, was die Russen vorhaben, mit was wir rechnen müssen und ob sie Hilfe brauchen. Außerdem halten sie ihr Projekt für sehr wichtig und haben dabei vergessen, dass wir unter Umständen auch Projekte haben.
Wenn uns Sergej und Nina mehr Sicherheit und Planung zeigen, wären wir vielleicht auch weniger abgeneigt mit ihnen in die Wildnis zu gehen.
Das Resultat dieser Unstimmigkeit ist also, dass wir die Russen für motivierte Outdoorfreaks halten, auf deren Planung man sich nicht immer verlassen kann und die Russen uns wahrscheinlich für faul und desinteressiert halten.
Obwohl wir uns ausgesprochen haben, schwebt trotzdem noch ein Rest davon in der Luft und ich weiß z.B. nicht, ob ich ihnen nun helfen werde oder nicht. Aber das wird sich dann auch noch klären.
So einen Konflikt in Worte zu fassen ist manchmal gar nicht so einfach. Dennoch hoffe ich, dass ich die Situation einigermaßen verständlich darlegen konnte
Freitag, 5.11.2010 bis Sonntag 7.11.2010:
Am Freitag räumte ich mit Vera und Susan unsere Wohnküche um. Einen alten Schrank, den wir für unsere Küche bekommen hatten, stellten wir an die Stelle eines Tisches. Mit dem Tisch konnten wir unseren Esstisch vergrößern, so dass genügend Leute an ihm Platz hatten.
Sodann trugen wir eine Kommode aus dem ersten Stock in die Küche, um damit die Küche optisch von der Sofaecke zu trennen. Dann stellten wir noch den Fernseher auf die Kommode und schon hatten wir uns ein gemütliches Wohnzimmer geschaffen.
Am Abend luden wir ein paar Freunde zu uns ein und brieten uns selbstgemachte Pommes. Dazu gab es Bratwurst, Räucherfisch, Salat, Fischsalat und Kaviar. Also ein richtiges Festmahl. Als wir dann alle einen vollen Magen hatten, gab Sergej auf unserer neuen Gitarre ein kleines Konzert.
Wir hatten also einen schönen geselligen Abend.
Den Samstag nutze ich dann vor allem zum Ausruhen. Außerdem testen Susan, Vera und ich unsere Fernsehecke und schauten uns ein paar schwachsinnige russische Serien an. Auf deutsch würde ich mir so etwas wahrscheinlich nie ansehen, aber auf russisch hatte es noch einen kleinen Lerneffekt.
Am Sonntag war ähnlich wenig Programm. Allerdings gingen wir drei zu einem Cafe im Ort, das nach langer Urlaubszeit endlich wieder offen hatte. Dort verzehrten wir dann einige leckere Piroschki, mit diversen Dingen, wie Fleisch, Gemüse oder Obst, gefüllte Teigtaschen.
Montag, 8.11.2010:
Die Woche begann wie üblich mit einer nicht enden wollenden Planjorka. Danach bereitete ich einige Dinge für die Verlängerung meines Visums vor. Außerdem erfuhr ich, dass ich am Donnerstag oder Freitag nach Petropavlovsk fahren muss, um diese Verlängerungen zu beantragen.
Außerdem half ich noch den Laster des Parks abzuladen. Die Ladung bestand aus Baumaterial und Treibstoff für die Schneemobile des Parks.
Des Weiteren beschäftigte ich mich wieder mit dem Thema GPS: Ich schaute mir die Programme Panorama und ArcGIS an etwas genauer an.
Dienstag, 9.11.2010:
Da seit Montag morgen das Internet ausgefallen war, da man vermutlich die Rechnung nicht bezahlt hatte, verbrachte ich den Dienstag überwiegend mit Lesen von Informationsmaterial über das Programm ArcGIS und GIS (Geographisches Informationssystem) allgemein. Dieses Material hatte mir Susan gegeben, welche das Material auf Grund ihres Studiums besaß. Außerdem probierte ich auch immer wieder am Programm selbst ein paar Dinge aus und machte mich ein wenig vertraut mit den Funktionen des Programms.
Nebenbei gab es auch noch ein paar Dinge zwecks der Visumverlängerung zu klären.
Mittwoch, 10.11.2010:
Der heutige Tag war mal wieder ziemlich verkorkst. Das effektivste war noch die Russischstunde bei Natalia Petrovna am Morgen. Danach bin ich an die Basa geschickt worden. Dort sollte ich eigentlich Sergej und dem Parkmitarbeiter Wolodja helfen. Allerdings hatten die keine Arbeit für mich. Ich hab dann noch kurz ein paar Bretter aus unserem Wohnzimmer getragen und bin dann kurz später wieder zurück gelaufen. Mehr als eine Stunde war also verschenkt.
Im Park angekommen war schon beinahe wieder Mittagspause. Am Nachmittag wurde in ganz Esso dann der Strom abgedreht. Deshalb beschäftigten sich die Volontäre noch ca. 1.5 Stunden mit Putzarbeiten und gingen dann gegen 15.30 Uhr nach Hause.
Donnerstag, 11.11.2010:
Der Donnerstag sollte dagegen zu einem Ereignisreichen Tag werden.
Es war geplant, dass wir Volontäre normal in den Park gehen und dann um 10 Uhr als Beifahrer auf den Schneemobilen des Parks zur jährlichen Rentierschlachtung fahren.
Am Frühstückstisch wurde uns dann mitgeteilt, dass wir zu Hause um 10 Uhr abgeholt werden. Sehr schön, also nicht mal die 20 Minuten zum Park laufen.
Als dann unsere beiden Fahrer (Juri Nikolaewitsch und Pjotr Petrovitsch, zwei Inspektoren des Parks) kamen zogen wir unsere Ausrüstung an. Ich spreche hier von Ausrüstung, da wir meiner Meinung nach in etwa die Ausrüstung eines Polarforschers anlegten.
Hier mal eine kleine Auflistung, der Kleidungsstücke, die ich für die Tour auf den Schneemobilen anzog:
- Normale Unterwäsche wie jeden Tag
- Meine wärmste Funktionsunterwäsche (Langes Unterhemd und lange
Unterhose aus Merinowolle)
- Ein paar dicke Wollsocken
- Meine Trekkinghose
- Eine gefütterte Winterhose zum Drüberziehen
- Ein Rollkragenpullover
- Einen normalen Pullover
- Eine Daunenjacke mit gefütterter Kapuze
- Eine Skimaske, die nur die Augepartie frei ließ und aus speziellem
Windstoppermaterial war (hab ich mir noch in Deutschland gekauft)
- Darüber dann noch die normale Wintermütze
- Eine Skibrille, mit der dann auch noch der letzte Rest Gesicht
verdeckt wurde.
- An den Händen ein paar Baumwollhandschuhe (Fingerhandschuhe)
-und darüber ein paar Fäustlinge, welche ich noch in Deutschland von
meinem Schwager geschenkt bekommen habe.
- Als letztes natürlich noch meine Winterstiefel (Komfortbereich
angeblich bis -30 Grad Celsius)
Als ich dann vor die Tür ging, dachte ich genügend an zu haben. Allerdings kramte Pjotr Petrovitsch aus dem “Kofferraum” seines Schnemobils noch ein paar Jacken für uns (deutsche) Volontäre raus. Also zog ich über meine erste Daunenjacke noch eine zweite drüber. Ich wog nun gefühlsmäßig 50 kg mehr und mein Körperumfang hatte sich um 2m vergrößert. Zumindest fast. Auf jeden Fall lief man dann durch die Gegend wie ein Kosmonaut, kaum noch Bewegungsfähig.
Da wir mit den Fahrern Neun Leute waren hängten wir an die Schneemobile noch überdimensionale Schlitten an. Auf diesen saßen wir dann. Der eine Schlitten hatte noch für jede Person einen Sitz. Mein Schlitten jedoch nur noch einen am Ende. Auf diesen sollte ich mich setzen. Dann wie auf einem gewöhnlichen Schlitten Mascha und Kai vor mir auf einer Matratze. Als ich dann so dick eingepackt, alle Haut verdeckt, auf dem Schlitten saß, meinten meine deutschen Kollegen, ich würde mehr wie eine aufgeblasene Schaufensterpuppe aussehen, aber nicht wie ein menschliches Wesen. Vielleicht hatten sie damit nicht ganz unrecht.
Als wir dann alle auf den Schlitten saßen ging die Tour los. Der Weg führte uns zunächst wieder den holprigen Weg zum Kardon entlang. Der war zwar inzwischen zugeschnitten, jedoch sah er immer noch mehr wie eine Panzerteststrecke aus.
Nach ca. 1 Stunde fahrt, meine Zehen waren inzwischen etwas kalt, kamen wir am Schlachtplatz an.
Dort waren die Rentierhirten gerade damit beschäftigt die Rentiere zu sortieren.
Dies funktionierte so, indem die ganze Herde in einem ersten Gehege eingesperrt war. Von dort trieben die Hirten dann immer ein paar Tiere in ein anschließendes Gehege, welches in einem schmalen Gang endete. Dort wurden die Tiere dann in eine Art Schleuse getrieben, eins nach dem anderen und dann begutachtet. Die einen Tiere wurden dann nach links rausgelassen, wo sie auf ihre Schlachtung warteten. Die anderen, die nicht geschlachtet werden sollten, wurden nach links in ein weiteres Gehege gelassen, von wo aus sie dann wieder in die Freiheit entlassen wurden.
Wir Volontäre konnten bei der Sortierung zuschauen. Geschlachtet wurde allerdings erst am Abend und wir fuhren gegen 12.30 wieder zurück, denn allzu lange hält man es in der Kälte nicht aus, wenn man nur dasteht und nichst tut außer fotografieren und schauen.
Jedoch hatten die Hirten schon am Vorabend geschlachtet. Ich konnte also einige Fleischbrocken, Rentierköpfe und diverse Rentierinnereien im Schnee liegen sehen, die dort auf ihre Verwertung warteten.
Auf der Rückfahrt wurde mir zunächst an den Händen und Füßen kalt. Nachdem wir am Kardon aber in einer mit Holz beheizten Jurte Teepause machten konnte ich mich aufwärmen und danach wurde mir nicht mehr so kalt, obwohl den Großteil der Strecke noch vor uns hatten.
Nach einem Mittagessen zu Hause gingen wir noch mal ins Büro. Dort klärte ich noch einige Dinge mit Judith wegen meiner Visumsverlängerung. Ich musste Passfotos, die ich erst am Dienstag gemacht hatte noch mal neu machen lassen, da sie nicht das richtige Format hatten und halt noch weiteren Behördenkram klären.
Am Sonntag werde ich dann nach Petropavlovsk fahren. Am Montag muss ich mich dann mit einer Angestellten der dortigen Universität treffen. (Die Universität ist meine Einladende Organisation, für das Visum) Von ihr werde ich dann einige Dokumente bekommen. Dann muss ich in ein Büro eines anderen Naturparks gehen. Dort muss ich dann einen Nachweiß holen, wem das Haus gehört, in dem ich in Esso wohne. Dann soll ich mich wieder mit der Universitätsangestellten treffen, um mit ihr dann zum Amt zu gehen und meine Visumverlängerung beantragen. Wenn alles klappt, kann ich am Dienstag wieder zurück fahren.
Diese ganten Behördengänge gehen mir mächtig auf die Nerven. Erstens neun Stunden in die Stadt fahren und dann einen ganzen Tag von etwa 9 bis 21 Uhr irgendwelchen Dokumenten und Unterschriften hinterher jagen. Und das ganze dann auch noch auf Russisch und wenn man Pech hat, dann muss man ein paar Tage später wieder nach Petropavlovsk fahren um das Visum abzuholen. Wenn es ganz schief läuft und ich bis zum 21. Dezember keine Verlängerung habe, muss ich aus Russland ausreisen und von Deutschland aus ein neues beantragen. Aber das wird hoffentlich nicht passieren und ich werde hoffentlich den Behördengang korrekt gehen.
So jetzt habe ich mal wieder einen riesigen Eintrag geschrieben. Ich hoffe er ist dennoch nicht zu lang!
Bis bald David
*Mein Wohnhaus ist ein alter Schuppen, der renoviert wurde und früher als Lagehalle für die Gewächshäuser, die noch immer hinter meinem Haus verfallen, diente. Dieser Umstand brachte dem Schuppen den Namen Basis oder auf Russisch Baßa ein. Heute wird meine Wohnung noch immer so genannt.