Sechs Wochen Tschechien...
Seit drei Wochen ist A_Waitler_in_Prag jetzt schon in der Goldenen Stadt und seit sechs Wochen in Tschechien. Dort wird er für seinen europäischen Freiwilligendienst ein Jahr lang leben und arbeiten.
Ich bin seit drei Wochen in Prag, wo ich im Rahmen des EFD, des Europäischen Freiwilligendienstes, ein Jahr lang leben und arbeiten werde. Diese ersten drei Wochen waren so eine Art Eingewöhnungsphase für mich, da ich noch nicht voll in die Arbeit eingebunden war, sondern vor allem Sprachkurs hatte. Dieser Intensivkurs ist nun aber vorbei und nächste Woche fängt meine normale Arbeit im Salesianerzentrum an. Zeit also, ein Zwischenfazit zu ziehen.
Mariánské Radčice
Doch nur von meiner Zeit hier in Prag zu erzählen, reicht eigentlich gar nicht, da ich schon vorher drei wunderschöne Wochen in Tschechien verbracht habe. Und zwar war die ersten drei Augustwochen in Mariánské Radčice (auf Deutsch: Maria Ratschitz), einem kleinen Dorf in Nordböhmen, zwischen Most und Teplice gelegen, wo ich als Vorbereitung auf meinen Freiwilligendienst ein Praktikum mit Sprachkurs absolviert habe.
Denn dort ist ein deutscher Pfarrer aus dem Münsterland namens Philipp - wir durften ihn duzen und mit seinem Vornamen anreden! -, der mir und Robert aus Sachsen Tschechisch beigebracht hat. Robert kommt von derselben Entsendeorganisation wie ich, der "Initiative Christen für Europa/ICE" in Dresden und bleibt ein Jahr in Mariánské Radčice. Außerdem war noch Johann da, ebenfalls aus Sachsen, der für ein Jahr nach Albanien geht.
In Mariánské Radčice ist ein altes Klostergebäude der Zisterzienser, das bis vor wenigen Jahren zu einer Ruine verkommen war. Philipp ist nun schon seit 2003 dort und möchte diesen ältesten Marienwallfahrtsort Nordbömens - daher auch der Name MARIA Ratschitz - wieder mit neuem Leben erfüllen, indem er dort ein internationales Begegnungszentrum aufbaut. Zum Beispiel arbeitet er mit der Initiative Christen für Europa zusammen, die in Mariánské Radčice Seminare und Sprachkurse für angehende Freiwillige veranstaltet, nicht nur mit drei Leuten wie bei mir, sondern schon auch in einem größeren Rahmen.
So waren ungefähr eine Woche lang Ungarn und ungarisch sprechende Rumänen - es gibt ja in Rumänien eine große ungarische Minderheit -, in Mariánské Radčice, die als Freiwillige nach Deutschland kommen und daher einen Deutschkurs hatten. Auch sonst habe ich in Ratschitz Leute aus aller Herren Länder getroffen. Beispielsweise kam an einem Tag eine Schülergruppe aus Tunesien zu Besuch und die ganze erste Woche waren einige Leute vom Internationalen Bauorden da, die aus Holland, Belgien und der Schweiz kommen.
Der Bauorden organisiert auch so eine Art Freiwilligendienst: Diese Leute arbeiten irgendwo mit und werden dafür dort untergebracht und verpflegt, aber anscheinend läuft das über einen kürzeren Zeitraum, nicht so wie bei einem FSJ oder EFD, zumindest war das in Ratschitz so.
Und mit diesen Bauordlern haben wir, also Johann, Robert und ich, auch gearbeitet. Denn an der dieser Klosteranlage gibt es noch immer viel zu tun: Unter anderem haben wir Fenstergitter gestrichen, an der Hauswand entlang aufgegraben und eine Dränage verlegt, als Auffangbecken für das Wasser dieser Dränage ein eineinhalb Meter breites, zwei Meter langes und zwei Meter tiefes Loch gegraben und drei Stützpfeiler an der Klostermauer gemauert.
Die Leute vom Bauorden waren aber nur ein paar Tage da; die meiste Zeit haben wir František, dem tschechischen Hausmeister, geholfen. Der ist gelernter Maurer, aber es gibt wahrscheinlich nichts, was er nicht kann. Die Arbeit mit ihm war recht lustig, da er nur ein paar Brocken Deutsch und wir nur ein paar Brocken Tschechisch konnten, ansonsten mussten die berühmten Hände und Füße herhalten und am Ende haben wir uns doch immer irgendwie verstanden.
Abends, nach getaner Arbeit, lehrte Philipp Robert und mir jeden Tag ein bisschen Tschechisch, und zwar mit dem Assimil-Programm, das es ja in sehr vielen Sprachen gibt. Aber ich habe auch meine eigene Methode, um Tschechisch zu lernen: Ich hab einfach immer, ob in Mariánské Radčice oder jetzt in Prag Zettel und Stift dabei und frag einfach immer „Jak se řekne česky? = Wie sagt man das auf Tschechisch?“ So hab zum Beispiel bei der Arbeit mit František so Worte gelernt wie kámen (Stein) – übrigens eines meiner Lieblingswörter ;-) - lopata (Schaufel), ryč (Spaten), kolečko (Schubkarren) oder michačky (Mörtelmaschine).
Wir haben in den drei Wochen aber natürlich auch ein bisschen die tschechische Kultur kennen gelernt: So fand an einem Samstag eine tschechische Hochzeit statt, einen Tag haben Philipp, Christopher – der bisherige Freiwillige in Ratschitz – Robert, Johann und ich uns Prag angeschaut und auch die tschechische Bierkultur ist uns in einigen hospodas = Wirtshäuser, Kneipen näher gebracht worden. ;-)
Am Sonntag gingen wir immer auf große „Messtour“. Denn Philipp ist nicht nur Pfarrer in Mariánské Radčice, sondern auch in Osek (zu Deutsch: Ossegg) und Bohusudov (Mariaschein), sodass ich am Sonntagvormittag drei Messen besuchte. Dabei habe ich auch das erste Mal in meinem Leben ministriert. Manchmal, wenn ein paar Deutsche zu Besuch waren, und das war in den drei Wochen öfters der Fall, hat Philipp, der nach sechs Jahren in Böhmen natürlich perfekt Tschechisch spricht und so auch den Gottesdienst normalerweise ausschließlich auf Tschechisch hält, die Predigt in etwas kürzerer Form auch auf Deutsch gehalten.
Und ich muss überhaupt sagen, dass Philipp der coolste Priester ist, den ich je erlebt habe. :-)
Außerdem war noch an einem Wochenende „Pout´“ in Osek. Das ist eine Wallfahrt verbunden mit etwas, das ich als Bayer als „Kirta“ bezeichnen würde, in anderen Teilen Deutschlands nennt man das vielleicht auch Kirmes oder Rummel. Also jedenfalls werden da in den Straßen des Ortes Stände aufgebaut, wo alles Mögliche verkauft, Essen, Getränke, handwerkliche Arbeiten und vieles mehr. Manchmal ist eine Bühne aufgebaut, auf der eine Musikgruppe spielt, und mitunter gibt es auch Fahrgeschäfte. Und in Osek war die Pout´ riesig! Aus meiner Heimatpfarrei Neukirchen beim Heiligen Blut kenn ich das halt so, dass bei einem Kirta auf dem Schulparkplatz nahe der Kirche ein paar Stände aufgebaut sind, aber in Osek waren das ganze Straßenzüge!
Die drei Wochen in Mariánské Radčice vergingen jedenfalls wie im Flug, langweilig war einem da nie. Danach war ich die letzte Augustwoche noch mal daheim und hab mich von meinen Verwandten und Freunden verabschiedet.
Aufbruch und Ankunft in Prag
Am 1. September um 4:48 Uhr morgens, also fast auf die Minute genau siebzig Jahre nach dem Kriegsausbruch, brach ich dann zu meinem Freiwilligendienst in Osteuropa auf. Um diese Uhrzeit ist mein Zug vom Bahnhof Furth im Wald abgefahren, der mich aber noch nicht nach Prag brachte, sondern zuerst noch nach Witzenhausen – der Ort heißt wirklich so :-) - in Nordhessen. Dort fand mein so genanntes „EFD-Ausreiseseminar“ statt. Ab da kann ich übrigens für diesen Blog hier nicht nur auf mein Gedächtnis zurückgreifen, sondern auch auf schriftliche Aufzeichnungen, da ich das erste Mal in meinem Leben angefangen habe, Tagebuch zu führen.
Dort in Witzenhausen habe ich drei Freiwillige wieder getroffen, die ihren EFD auch von der Initiative Christen für Europa aus machen und die ich im April bei einem Seminar beim ICE in Dresden kennen gelernt habe. Die kommen jetzt nach Nordostpolen. Und auch sonst waren da viele interessante Leute, die aus ganz Deutschland kommen und nun wie ich im Rahmen des EFD in alle möglichen Länder Europas geschickt werden. Bei diesem Seminar haben wir ganz genau erfahren, wie der Europäische Freiwilligendienst funktioniert, wie das mit unserer Versicherung ausschaut und vieles mehr. Aber auch Themen wie interkulturelles Lernen oder Möglichkeiten, was man im Ausland gegen Heimweh tun kann, wurden angesprochen.
Am 3. September bin ich dann noch mal heimgekommen und hab fertig zusammengepackt. Das nahm die ganze Nacht in Anspruch und am Ende hatte ich meine Kleidung und alles, was ich sonst noch brauche in zwei großen Reisetaschen und zwei Rucksäcken untergebracht.
Am Morgen des 4. September habe ich bereits meine Stimme für die Bundestagswahl am heutigen 27. September abgegeben. Hört sich jetzt komisch an, war aber der einfachste Weg, denn bei der Briefwahl aus einem anderen Land läuft man ja immer Gefahr, dass der Brief auf dem Postweg irgendwo liegen bleibt und erst verspätet ankommt. Also hab ich praktisch im Büro meiner Gemeinde Briefwahl gemacht. Der Stimmzettel bleibt bis heute, bis zum 27. September, in einem versiegelten Umschlag und wird dann mit den anderen Briefwahlstimmen ausgewertet.
Um 11:49 Uhr habe ich daraufhin endgültig meine Heimat verlassen, wiederum vom deutsch-tschechischen Grenzbahnhof Furth im Wald und bin drei Stunden darauf am Hauptbahnhof in Prag eingetroffen. Dort hat mich Jana, meine Projektleiterin, praktisch meine „Chefin“, abgeholt und wir sind mit der Metro, der Prager U-Bahn, in den Norden Prags gefahren. Dort ist direkt neben der Metrostation das Salesianerzentrum. Auch sonst sind die Verkehrsverbindungen hervorragend, da auch zwei S-Bahn- und eine Bushaltestelle in der Nähe sind. Ein Auto braucht man hier in Prag jedenfalls nicht. Zudem wird mir das Geld für die Monatskarten für die öffentlichen Verkehrsmittel zurückerstattet.
An dieser Stelle gleich ein kurzer Exkurs zum Begriff Salesianerzentrum: die Salesianer sagen dazu immer "Zentrum" und nicht "Kloster", da es ja kein Ort ist, der gemäß dem lateinischen Wortursprung "clausum", also "abgeschlossen" und für andere Menschen nicht zugänglich ist, sondern in diesen Gebäuden ist meist auch Jugendzentrum, manchmal auch ein Studentenwohnheim und andere Dinge wie ein Theater untergebracht.
So ist es auch hier im Salesianerzentrum in Praha-Kobylisy – so heißt der betreffende Stadtteil im Norden Prags. Dort ist im Gebäude ein kleines „Studentenwohnheim“ integriert, das aus drei großen Räumen mit je drei Betten besteht. In einem davon bin ich untergebracht, zusammen mit zwei tschechischen Studenten namens David und Vojtěch. Die waren aber beide erst kurz da, weil das neue Semester, wie bei uns in Deutschland, erst im Oktober beginnt. Deswegen bin ich bis jetzt die meiste Zeit noch allein in meinem Zimmer.
Und in einem der beiden anderen Zimmer wird Bernhard wohnen. Er ist aus Baden-Württemberg und der andere deutsche Freiwillige hier im Salesianerzentrum Prag, kommt aber erst jetzt Anfang Oktober. Eine Etage tiefer ist der Speisesaal, in dem alle Leute, die sich in diesem Haus aufhalten - die Salesianer, die Studenten und die Mitarbeiter in der Verwaltung und im Jugendzentrum – gemeinsam essen, des Weiteren die Zimmer der Salesianer – es sind insgesamt 22 Patres - und ein Gemeinschaftsraum mit tschechischen Zeitungen, einem Fernseher und einer kleinen Bibliothek, in der es auch ein paar deutschsprachige Bücher gibt.
Wieder ein Stockwerk tiefer ist die Kapelle, in der in der Früh die Morgenmesse und abends von acht Uhr bis zwanzig nach acht das Abendgebet stattfindet, wobei ich normalerweise jeden Tag an Letzterem teilnehme. Im Erdgeschoss befindet sich das Jugendzentrum, das von den anderen Stockwerken abgesperrt ist, das heißt, ich muss immer meinen Schlüsselbund dabei haben, wenn ich vom Erdgeschoss in die Kommunität will. Außerhalb des Gebäudes sind auf einem großen Areal noch ein Sportplatz zum Fußball spielen, ein Hockeyplatz und ein Skatepark, alles für die Kinder, die dort jeden Werktag hinkommen können. An das Gebäude angebaut ist auch noch die große Kirche für die normalen Messen der Gemeinde sowie ein Salesianer-Theater.
Die Arbeit beginnt
Am ersten Wochenende habe ich mich zuerst in dem Gebäude orientiert und am Sonntag hat mir Tomaš, ein Informatikstudent und mein „Mentor“, an den ich mich bei Problemen wenden kann, ein bisschen die Stadt gezeigt.
Am Montag, dem Tag darauf, begann dann auch schon mein Sprachkurs. Es war ein dreiwöchiger Intensivkurs, jeden Tag von 9:15 Uhr bis 12:30 Uhr. Die Sprachschule ist in der Nationalstraße, also direkt in der Innenstadt, sodass ich jeden Morgen mit der Tramvaj, der S-Bahn, an der Moldau und der Karlsbrücke vorbeigekommen bin, immer mit Blick auf den berühmten Hradschin – damit ist übrigens nicht, wie in Deutschland meist angenommen, allein die Prager Burg gemeint, sondern der gesamte Hügel, auf dem die Burg steht.
Wie heißt es doch so schön: Die Goldene Stadt. =)
Diesen Sprachkurs hätte ich mir vorher übrigens anders vorgestellt. Ich hab mir halt gedacht, dass ich da mit lauter anderen Deutschen drinsitze, da Tschechien doch ein Nachbarland ist und dementsprechend doch eigentlich viele Deutsche in Prag leben müssten. Aber weit gefehlt! Meine Mitschüler waren Olga aus Russland, Dragan aus Serbien, Silvia aus Spanien und Monika, die deutsche Vorfahren hat, aus Spanien. Was auch recht interessant ist, ist der Grund, warum Monika in Prag ist: Ihr Sohn ist Fußballer und hat einen Profivertrag in der U-19-Mannschaft von Slavia Prag bekommen. Seinen Namen hab ich mir gleich aufgeschrieben – Niall Cousens – vielleicht wird man ja eines Tages noch im richtig großen Fußball von ihm hören! Jedenfalls ist Monika für die Anfangszeit mit ihrem Sohn nach Prag gezogen.
Am Nachmittag dieses ersten Tages bin ich in der Stadt geblieben und habe das Nationalmuseum besichtigt, das am Wenzelsplatz liegt. Denn an jedem ersten Montag im Monat ist dort freier Eintritt und diese Gelegenheit konnte ich als armer Freiwilliger mir natürlich nicht entgehen lassen. ;-)
Der Sprachkurs nannte sich „Beginners Course“, aber er war direkt zu leicht für mich, da ich ja im August in Mariánské Radčice schon ein bisschen was gelernt hab, die anderen im Kurs aber noch totale Anfänger waren. Deswegen bin ich nach dem zweiten Tag zum nächsten Kurs gewechselt, zu den „Advanced Beginners“. Dort hab ich am Anfang kaum ein Wort verstanden, mit der Zeit wurde es dann aber besser. Auch dort habe ich interessante Leute kennen gelernt, Tatsuya aus Kyoto in Japan, ein Brüderpaar, Ali und Zain aus dem Irak, Sarah aus Frankreich, Marina aus dem Uralgebirge in Russland sowie Alexander, der ebenfalls aus Russland kommt, aus Sankt Petersburg, von Beruf Aktfotograph ist und uns auch gleich zwei seiner Werke gezeigt hat. In diesem Kurs war auch eine Deutsche, Mary aus Baden-Württemberg, die wie ich 19 Jahre alt ist. Sie hat ein Jahr lang „Work and travel“ in den USA gemacht und dort ihren tschechischen Freund kennen gelernt, zu dem sie jetzt gezogen ist. Wirklich der Wahnsinn, was man da für Leute trifft!
Mein zweites Wochenende habe ich nicht in Prag verbracht, sondern ich bin mit dem Bus nach Mariánské Radčice gefahren, weil dort Pout´ war, zu der sogar der Bischof gekommen ist. Falls ihr euch jetzt über mein Transportmittel wundert: Das gibt es in Tschechien, dass man auch weitere Entfernungen mit dem Bus zurücklegen kann und es ist, hat man mir gesagt, schneller und billiger als mit dem Zug.
Neben dem Sprachkurs musste ich in den ersten drei Wochen nur zwei Nachmittage pro Woche arbeiten, einen im Büro, wo ich die tschechischen Scanner und Kopierer eingehend kennen gelernt habe, und einen Nachmittag im oratoř, dem Jugendzentrum, wo ich mangels Sprachkenntnissen noch nicht dazu in Lage war, zum Beispiel den Verleih der Sportgeräte zu überwachen und daher die meiste Zeit mit den Kindern Fußball gespielt hab. Die restlichen Nachmittage hatte ich frei, damit ich mehr Zeit zum Tschechisch lernen hatte. Ab nächster Woche gilt dann mein normaler Arbeitsstundenplan.
In meiner zweiten Woche in Prag war auch einiges los: Am Mittwoch haben Jára, einer der Salesianer, mein Zimmerkamerad Vojtěch und ich eine Fahrradwallfahrt zu einer Kirche in Tetín , einem kleinen Dorf ein wenig außerhalb Prags, unternommen. Laut einer alten Urkunde ist dies der Ort, „wo das Christentum Böhmens begann“. Dort ist die Heilige Ludmilla von Böhmen, die erste christliche Herrscherin des Landes, Großmutter des Heiligen Wenzel und böhmische Landespatronin, 921 ermordet worden. Man gedenkt ihrer am 16. September, ihrem Todestag, und deshalb sind wir an diesem Tag dorthin gewallfahrtet.
Am Donnerstag bin ich mit Veronika, die in der Verwaltung der Salesianer arbeitet, und Jan, einem Studenten, der auch hier im Salesianerzentrum wohnt und den alle nur Ík rufen, in die tschechische Staatsoper gegangen. Dort haben wir uns die „Rusalka“ von Antonín Dvořák angesehen. Das ist die bekannteste tschechische Oper und ähnelt dem Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ von Hans Christian Andersen. Zum Glück gab es dabei auch Untertitel in deutscher und englischer Sprache!
Am dritten Septemberwochenende war ich wieder nicht in Prag; ich bin mit dem Salesianer Jára und vier Studenten, die aber nicht bei uns im Salesianerzentrum wohnen, nach Zlín in Mähren, also Osttschechien, nahe der slowakischen Grenze, gefahren. Dort fand am Wochenende ein Festival mit moderner christlicher Musik statt. In Zlín ist auch ein Salesianerzentrum und daneben war eine Bühne aufgebaut, auf der die Musikgruppen aufgetreten sind. Diese waren, da Zlín recht nahe an der Grenze ist, aus Tschechien und auch aus der Slowakei. Eine Gruppe bestand direkt aus Salesianern, alle anderen aus normalen Gläubigen, die Lieder mit religiösen Texten gespielt haben. Das Ganze hieß übrigens "Festival pod věží", also "Festival unter dem Turm", da das Zentrum in Zlín erst vor ein paar Jahren wieder neu gebaut wurde und ein moderner Bau mit einem markanten Turm ist. Unter dieser Adresse kann man sich ein Video davon anschauen: http://www.youtube.com/watch?v=82WOkiieWmA
Irgendwo in der Menge vor der Bühne hüpf wahrscheinlich auch ich. =)
Mein Lieblingslied, das am Freitagabend auch mal gespielt worden ist, kann man sich übrigens auch bei Youtube anhören, und zwar "Hledám tvoji tvář", "Ich suche Dein Angesicht". Noch besser ist aber die folgende Seite, weil da auch der Text dabeisteht:
http://www.karaoketexty.cz/texty-pisni/chvaly-k-bohu/hledam-tvoji-tvar-97749
Hier ist der Text mit der deutschen Übersetzung:
Hledám Tvojí tvář, Pane můj.
Ich suche Dein Angesicht, mein Herr.
Hledám Tvojí tvář každý den.
Ich suche Dein Angesicht jeden Tag.
Po Tobě touží duše má.
Nach Dir sehnt sich meine Seele.
Očekávám slovo Tvé.
Ich warte auf Dein Wort.
Chci jít za Tebou, Ježíši, cestou Tvou.
Ich will zu Dir gehen, Jesus, Deinen Weg.
Chci jít za Tebou, Ježíši, za Tebou.
Ich will zu Dir gehen, Jesus, zu Dir.
Za Tebou, Pane můj, chci jít každý den.
Zu Dir, mein Herr, will ich jeden Tag gehen.
Za Tebou, Pane můj, chci jít.
Zu Dir, mein Herr, will ich gehen.
Am Sonntag hat mir Jára, der drei Jahre im dortigen Salesianerzentrum gelebt hat, die Stadt gezeigt. Zlín ist so eine Art „tschechisches Wolfsburg“. Denn wie Wolfsburg war Zlín vor hundert Jahren nur ein sehr kleiner Ort, dann wurde aber eine Schuhfabrik gegründet, was zu einem riesigen Bevölkerungsanstieg führte. Heute leben dort fast 80 000 Leute. Interessant ist auch, dass diese Stadt von 1949 bis 1990 nach Klement Gottwald, dem ehemaligen kommunistischen Staatspräsidenten der Tschechoslowakei, Gottwaldov genannt wurde, also ähnlich wie bei Leningrad und Stalingrad in Russland oder bei Karl-Marx-Stadt, dem ehemaligen Namen von Chemnitz in der DDR.
Man hat auch Prag nicht an einem Tag aufgebaut!
In Zlín, aber auch sonst, musste ich mich schon geschätzte tausend Mal vorstellen. Dabei sage ich immer folgenden Satz:
"Jmenuju se Chrištoph a jsem novy dobrovolnik v Salesianskem centrum v Praze. Jsem z Nemecka a tam jsem z Bavorska. Bydlím pet kilometru od bavorsky-cesky hranic, blízko Nyrsko, Domazlize a Klatovy."
= "Ich heiße Christoph und ich bin der neue Freiwillige im Salesianerzentrum in Prag. Ich bin aus Deutschland und dort bin ich aus Bayern. Ich wohne fünf Kilometer vor der bayrisch-tschechischen Grenze, nahe Neuern, Taus und Klattau."
Vielleicht ist es Euch bei meinem Namen aufgefallen, ich stelle mich inzwischen schon als "Chrištoph" vor, was man als "Chrischtoph" ausspricht. Das ist die tschechische Version meines Vornamens und meine neue Identität, unter der ich hier ein neues Leben angefangen habe. ;-)
Da ich diese paar Sätze so oft sagen muss, kann ich sie inzwischen schon recht fließend. Deshalb freuen sich meine Gesprächspartner immer und sagen, dass ich schon sehr gut Tschechisch spreche.
Und wenn ich auf die Frage, wie lange ich die Sprache jetzt schon lerne, antworte, "seit Anfang August", können sie es erst recht nicht glauben. ;-)
In Wahrheit sieht es natürlich gewaltig anders aus. Ich hatte zwar den dreiwöchigen Intensivkurs, aber viel kann ich noch nicht verstehen, und erst recht nicht selber sprechen.
Aber Jožka, einer der Salesianer, hat mir ein sehr gutes tschechisches Sprichwort gelernt: Man hat auch Prag nicht an einem Tag aufgebaut!
Am letzten Montag habe ich zum ersten Mal hier in Tschechien mit so richtig unfreundlichen Leuten zu tun gehabt. Und zwar war ich auf der Ausländerpolizei, um mich hier in Prag anzumelden. Das muss man machen, wenn man länger als drei Monate hier lebt. Mary, die Deutsche aus dem Sprachkurs, ist nach dem Unterricht mit mir mitgegangen, da sie schon dort war und deshalb wusste, wo sich das Gebäude genau befindet und wie das Ganze abläuft. Da musste ich zwei Formulare ausfüllen, eines war auf Tschechisch und Englisch, das andere aber nur auf Tschechisch und als ich nach sehr, sehr langer Wartezeit endlich drankam, war es, so wie ich es ausgefüllt habe, nicht in Ordnung.
Die zwei Beamtinnen hinter dem Schalter waren aber unfassbar unfreundlich und zeigten keinerlei Hilfsbereitschaft. Ich hab denen dann auch mein „Activity agreement“, also quasi meinen Arbeitsvertrag, gezeigt, als Beweis dafür, dass ich hier in Prag eine Arbeit habe. Dieser Vertrag ist auf Englisch geschrieben und es gibt ihn in dreifacher Ausfertigung: eine habe ich, eine die Salesianer hier in Prag und eine meine Entsendeorganisation, die Initiative Christen für Europa in Dresden. Aber eine der Beamtinnen hat daraufhin gesagt, dass das alles auf Tschechisch sein müsse, ansonsten gilt das für sie nicht. Mein Einwand, dass die Salesianer, also mein tschechischer Arbeitgeber, dieses Dokument auch nur auf Englisch haben, hat die gar nicht interessiert. Ich müsse es auf Tschechisch übersetzen lassen.
Mary hat mir dann erklärt, das würde bedeuten, dass ich diese fünf Seiten von einem staatlich geprüften Übersetzer übersetzen lassen und dann auch noch von einem Notar beglaubigen lassen müsste, was beides verdammt teuer wäre. Da bin ich schon ziemlich niedergeschlagen nach Hause gefahren, denn so unfreundlich wie dort bin ich erst selten behandelt worden. Jana, meine Projektleiterin, hat mir dann aber erklärt, dass eine solche Behandlung auf der Ausländerpolizei normal ist. Mit den rein tschechischsprachigen Dokumenten kann sie mir weiterhelfen und was den Arbeitsvertrag angeht, wird sie einfach irgendetwas anderes auf Tschechisch schreiben, das wird dann schon passen.
Aber ansonsten bin ich hier in Tschechien bis jetzt eigentlich nur sehr netten und herzlichen Menschen begegnet. Ich hoffe, dass das die einzige Ausnahme bleibt, die ich hier erleben werde.
So, und diesen Nachmittag werde ich mit ein paar Salesianern und einigen Jugendlichen zwölf Kilometer zu Fuß nach Stará Boleslav gehen, wo der Heilige Wenzel 935 sein Martyrium erlitten hat und wo unser bayerischer Papst Benedikt XVI., der dieses Wochenende ja zu Besuch in Tschechien ist, morgen, an Wenzels Todestag, eine Messe halten wird.
Davon erzähl ich euch dann in meinem nächsten Beitrag.
Bis dann und schöne Grüße,
Christoph
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