Schon ein Monat!
Von allerlei großen und kleinen Entdeckungen in Moldawien.
Morgen ist mein erster Monat in Moldawien um. Das ging ganz schon schnell! Und das kommt nicht von ungefähr, denn es ist einiges passiert!
Da wäre zum einen mein Rumänischunterricht. Es wird besser, aber verständigen kann ich mich immer noch nicht wirklich. Inzwischen verstehe ich aber einzelne Wörter in Gesprächen und kann ungefähr abschätzen, worum es geht. Auf jeden Fall schonmal ein Fortschritt!
Neben Rumänisch lernen gehört auch Verlaufen schon fast zu meinen alltäglichen Beschäftigungen. Und darin gibt es jetzt auch zwei unangefochtene Meister. Wenn irgendjemand diese Story toppen kann, kann er sich gerne bei Julia oder mir melden. Bis jetzt hat es noch niemand geschafft!
Der Hintergrund dazu ist der, dass Julia, eine andere deutsche Freiwillige und ich uns eines Tages gegen elf Uhr morgens auf den Weg zu einer Veranstaltung machten. Beginn war um zwölf, doch zu dieser Zeit waren wir schon im falschen Bus und an der falschen Bushaltestelle wieder ausgestiegen. Das Problem war nämlich, dass die Straße, zu der wir mussten Zimbrului hieß. Ich hatte schlauerweise vorher auf den Stadtplan geguckt und als ich die Straße nicht gefunden hatte, Google Maps gefragt. Google Maps fragte daraufhin mich „Meinten Sie: Cimbrului“. Hm, wird wohl richtig sein, vielleicht nehmen die das hier mit eindeutigen Bezeichnungen ja auch nicht so genau.. Um es kurz zu fassen: Wir gingen gefühlte zwei Kilometer, wohin wussten wir nicht, fragten an einer Autowerkstatt nach und wurden in ein Taxi gesetzt. Das brachte uns zum richtigen Ort, der natürlich der falsche war. In dieser Straße, in die uns der Taxifahrer fuhr, gab es keine Nummer zehn, doch genau dort wollten wir hin. Wir liefen also die Straße weiter hinunter, unterhielten dabei noch sämtliche Bauarbeiter, die gerade dabei waren, die Straße zu teeren und sich darüber amüsierten, dass wir nicht wussten, ob wir dort nun durchgehen durften oder nicht, und landeten schließlich in einem Wald. Ja, in Chisinau kann man auch schon mal ausversehen in einem Wald landen, davon gibt es genug. Doch wohin nun? Eins war klar, den Walk of Shame, die berüchtigte Straße der Schande, von der wir gerade kamen, würden wir auf keinen Fall wie die Deppen zurückgehen. Also gingen wir einem Hämmern nach, denn wo Hämmern ist, da sind auch Menschen. So war es auch und schließlich fanden wir jemanden, der uns mit in die Stadt nahm und wieder ein Taxi für uns rief. 100 Lei und drei Stunden später kamen wir dann endlich an der richtigen Adresse auf der komplett anderen Seite der Stadt an. 100 Lei, das ist viel zu teuer für zwei Fahrten in Chisinau, aber immerhin haben wir den Tag von zwei Taxifahrern gerettet, wir doofen westeuropäischen Touristen! Die Veranstaltung ging dann übrigens nur noch 45 Minuten, das alles hat sich also voll gelohnt! Auf jeden Fall hatten wir danach viel zu erzählen und waren nur froh, zu zweit verloren gegangen zu sein und nicht alleine ;)
Meinen ersten Besuch in einem moldauischen Krankenhaus habe ich nun auch hinter mir. Ich war vorher etwas nervös, was zum Beispiel die hygienischen Verhältnisse angeht, aber ich muss sagen, es war alles okay. Meine Mentorin Veronica hat mich begleitet und übersetzt, da auch die meisten Ärzte kein Englisch sprechen. Um den Krankenhausbesuch an sich geht jetzt es aber gar nicht, sondern darum, dass mir dort mein erster richtiger Faux-pas bewusst geworden ist (wahrscheinlich nicht mein erster, aber doch der erste, von dem ich weiß). Es ist scheinbar so, dass sich hier nur Männer untereinander mit Händeschütteln begrüßen, nicht aber Frauen oder gar Männer und Frauen. Ich habe zwar nicht dem Arzt die Hand gegeben, weil Veronica es auch nicht getan hat, aber mir ist in dem Moment eingefallen, dass ich mich an meinem ersten Tag in meinem Projekt, meiner Arbeit abends von dem schichthabenden männlichen Mitarbeiter genau so verabschiedet habe. Das könnte erklären, warum er so verdattert geguckt hat.
Für Lacher und komische Situationen sorgt man hier sowieso ungewollt immer wieder. So landeten einige andere Freiwillige und ich auf der Suche nach einer Party erst im falschen und dann in einem Bus voller junger Polizisten. Wir verteilen uns auf die restlichen freien Plätze. Der Polizist der neben mir saß, probierte ein Gespräch mit mir anzufangen, nachdem aber klar wurde, dass weder ich noch die anderen Freiwilligen ihn auch nur ein Wort verstanden, hörte er nicht etwa auf zu reden, sondern legte erst so richtig los und der ganze Bus war plötzlich lauthaus am Lachen. Wir wissen immer noch nicht genau, was er so lustiges erzählt hat, aber vielleicht ist das auch besser so.
Manchmal ist es auch ein bisschen unheimlich, da ich schon öfter von Leuten angesprochen wurde. Ich glaube es liegt an den blonden Haaren, denn viele Frauen hier blondieren sich ihre normalerweise dunkelbraunen Haare extra auf. Scheint etwas ganz exotisches zu sein, ich habe keine Ahnung. Auf jeden Fall ist es mir schon zweimal passiert, dass Männer auf mich zukamen, irgendetwas sagten und meine Haare anfassten. Schon irgendwie komisch und das ging so schnell, dass ich nicht einmal reagieren konnte, weil ich so perplex war. Ein anderes Mal im Park schrieb mir ein alter Mann seine Handynummer auf, wollte mir ein Eis ausgeben und meine Nummer haben. Nachdem ich das alles dankend ablehnte, behauptete er in brüchigem Deutsch, er würde mich lieben. Da habe ich dann doch ganz schnell die Flucht ergriffen und war, sagen wir mittelmäßig geschockt. Was lernen wir daraus? Die Kombination aus naturblonden Haaren und einem deutschen Reisepass kann manchmal zu nicht vorhersehbaren Reaktionen führen.
Zum Thema Arbeit: Ich war nun schon einige Nachmittage „zum Zugucken“ in meinem Projekt. Ich werde in einer Einrichtung, gleich einem Kinderheim arbeiten, in dem die Kinder für bis zu sechs Monate leben können und einen geregelten Tagesablauf haben. Die Kinder wurden größtenteils aufgrund familiärer Probleme aus ihren Familien genommen, zum Beispiel, wenn die Eltern Alkoholiker sind, es ihnen finanziell nicht mehr möglich war, ihre Kinder zu behalten etc. etc.. Nach den sechs Monaten kommen die Kinder ähnlich wie in Deutschland nach Möglichkeit wieder in ihre Familien zurück oder werden an Pflegefamilien weitervermittelt.
Ich habe bewusst „ich werde arbeiten“ geschrieben, weil man die erste Woche noch nicht als Arbeiten bezeichnen kann. Caron, die andere Freiwillige in dem Projekt (aus Schottland) und ich standen die ersten Tage doch recht unnütz in der Gegend herum. Es kann nämlich dort niemand Englisch, außer einigen Studenten, die dort ab und zu aushelfen. Aber auch von ihnen nicht jeder. Somit war das Produktivste, was Caron und ich getan haben, mit den Kindern zu spielen. Die haben sich über neue Gesichter gefreut und fanden es urkomisch, dass Menschen, die mehr als doppelt so alt wie sie selbst sind, nicht reden können. Selbst die Kleinste (ich habe noch nicht herausbekommen, wie alt sie ist, aber ich schätze sie auf zwei bis drei Jahre) wollte mir Wörter beibringen. Sie hat sie immer wieder wiederholt, mich dann mit großen Augen angeguckt und gewartet, bis ich alles brav wiederholt habe. Und auch einen rumänischen Zauberspruch haben sie mir beigebracht. Ich musste ihn zwar circa 20-mal wiederholen, vergessen habe ich ihn aber leider trotzdem wieder.
Die letzte Woche war ich nicht im Projekt, da alle neuen Freiwilligen zum Ankunftsseminar, dem sogenannten On-arrival-training mussten. Dafür machten wir uns auf in die Ukraine. Zunächst ging es am Dienstag etwa fünf Stunden mit dem Zug nach Odessa, einer Stadt, die in der Ukraine am Schwarzen Meer liegt. Nach einigen Stunden Aufenthalt ging es dann im Nachtzug weiter in Richtung unseres Zieles. Die ersten zwei Assoziationen, die mir kamen, als wir den Nachtzug betraten waren „Flüchtlingslager“ und „Militär“. Klein, eng, alt, voll und insgesamt nicht wirklich einladend. Es gibt immer zwei Betten übereinander und darüber noch eine Ablage für Gepäck. Wenn man oben liegt und die Beine anwinkelt, stößt man mit den Knien an die Ablage über einem. Zuerst hatte ich nicht so viel Vertrauen in die oberen Betten, aber nach der Nacht in dem Zug, habe ich meine Meinung geändert. Trotz des geringen Platzes ist es sehr bequem, es lässt sich gut dort schlafen und gegen Vorzeigen seiner Fahrkarte bekommt man sogar Bettwäsche. Und nichts ist auseinander- oder abgefallen, wenn man mal von Vorhängen am Fenster absieht. Relativ ausgeschlafen und nach einer gefühlten Ewigkeit in Zügen kamen wir dann endlich in Slavske an. Slavske ist ein kleines, verschlafenes Dörfchen irgendwo in der Nähe von Lviv mitten in den Karpaten. Es ist wirklich schön dort, schon beinah romantisch, zumindest als Besucher, denn wenn man irgendwo wirklich lebt, sieht die ganze Sache natürlich immer etwas anders aus.
Nach einer kurzen Wanderung durch das Dorf kamen wir dann auch im Hotel an und bezogen unsere Zimmer. Nach und nach wurde die Gruppe größer und schließlich waren alle angekommen. Wir waren insgesamt 22 Freiwillige, davon der Großteil aus Chisinau. Ich muss sagen, in den vier Tagen, die wir dort waren, habe ich nicht wirklich viel Neues gelernt. Fairerweise muss ich aber dazu sagen, dass mein Vorbereitungsseminar über zehn Tage in Deutschland sehr ausführlich war und ich deshalb das meiste schon wusste, Versicherungsfragen, interkulturelles Lernen und so weiter und so fort. Andere hatten teilweise gar kein Vorbereitungsseminar im eigenen Land oder nur einige wenige Tage, da darüber jede Entsendeorganisation selber entscheiden kann. Ich würde allerdings trotzdem nicht sagen, dass es verschwendete Zeit war, weil man viele netten Menschen aus ganz Europa kennengelernt hat. Bei traditionellem ukrainischen Essen wurden dann auch mal diverse Schimpfwörter und Kinderlieder aus aller Herren Länder gelernt. Auf Schwedisch, Niederländisch, Belgisch, Finnisch, Norwegisch und noch so viel mehr! Wenn das mal kein interkultureller Austausch ist! Nur die Freiwilligen aus der UK waren etwas benachteiligt, da sie keine wie sie es neuerdings nennen „Secret Language“ haben. Doch auch Deutsch war nicht unbedingt eine geheime Sprache, da sich im Laufe des Seminars immer mehr outeten, „ein bisschen Deutsch ich kann sprechen und verstehen“, was mich wirklich überraschte.
Der letzte Abend endete schließlich mit Bier und der Frage, ob es eigentlich irgendeinen international bekannten Musiker aus Österreich gibt oder wir und sogar die Österreicherin nur zur Zeit nicht darauf kommen, am Lagerfeuer. Und der Erkenntnis, dass diese wirklich komische Sprache in dem Lied „Dragostea din tei“ Rumänisch ist und die Band aus Moldawien kommt. Hoppla, das hätten wir nicht erkannt, waren wir schließlich beim Rätseln schon bei asiatischen Sprachen angekommen...
Am nächsten Tag ging es dann auf dem gleichen Weg, den wir gekommen waren, wieder zurück und etwa 23 Stunden später kamen wir in Chisinau am Bahnhof (der übrigens nur zwei Gleise plus eins für Güterzüge hat – in einer Hauptstadt!) an. Das hört sich an wie eine kleine Weltreise und gefühlt war es das auch, schaut man allerdings auf die Entfernungen, fällt einem auf, dass es gar nicht sooo weit ist. Das Problem ist nur, dass Züge hier nicht wirklich schnell fahren, sodass sogar Autos auf holprigen Landstraßen sie überholen und dass man auch schon mal 20 Minuten ohne Grund an einem Minibahnhof irgendwo im Nirgendwo stehen kann. Der Vorteil: man kann sich die Landschaft ganz genau angucken – solange es hell ist. Und obwohl nicht wirklich viel zu sehen ist, bleibt es doch spannend. Wann kommt wohl das nächste Feld? Das nächste „Dorf“? Oder der nächste Fluss? Soweit ich bis jetzt gesehen habe, kann ich sagen, Moldawien ist ein schönes Land und wirkt, obwohl es im Vergleich zu anderen Ländern sehr klein ist, aufgrund der spärlichen Bebauung endlos weit. Ich habe mir fest vorgenommen, dieses Land später noch auf anderen Wegen als per Zug zu erkunden. Wie das dann aussehen wird, gucken wir dann mal ;)
Alles in allem fühle ich mich hier wohl, auch wenn ich noch nicht wirklich „angekommen“ bin. Doch das macht nichts, denn so ist noch nichts wirklich „normal“ und man entdeckt jeden Tag neue Dinge.
Und auch in Zukunft werden hoffentlich noch einige Veränderungen und neue Eindrücke auf mich zukommen, deshalb:
Auf den nächsten aufregenden Monat!