Schnee in Lublin I
Nachdem er schon so viel Gutes darüber gehört hat, besucht Johannson nun selber Lublin. Die Stadt hält, was andere versprochen haben, auch wenn es dort fürchterlich kalt ist.
Lublin hatte immer einen ambivalent Eindruck gemacht. Der Reiseführer schreibt, man sollte sich bei Dunkelheit nicht in den Seitenstraßen aufhalten. Und was ich damals auf der Durchfahrt zur Kanutour vom Bahnhof sah, hätte einer verlassenen Westernstadt alle Ehre getan. Dann hörte man immer wieder verklärte Berichte, wie romantisch schön es dort wäre. Unter anderem von Eva, einer ehemalige Motyka Praktikantin, die dort bereits ein Jahr Freiwillige war und jetzt Erasmus macht. Nach zwei fehlgeschlagenen Anläufen habe ich jetzt endlich nach Lublin geschafft. Und gefroren.
Donnerstag & Freitag
Eva wohnt in einem Wohnheim nahe der Uni, mit zwei EVS Freiwilligen und einem komischen Polen. Donnerstagabend ging es nur noch in die Kneipe im Studentenviertel, über unsere Jugendtraumata reden. Morgens haben wir uns grundsätzlich verquatscht, sodass ich Freitag erst mittags zur ersten Tour durch die Stadt gestartet bin. Und alles Gute über Lublin ist wahr. Die Altstadt verdient ihren Namen und die Gassen haben bereits einen leicht östlichen Einschlag. Broschüren sind auch auf Ukrainisch und Weißrussisch. Die Fassaden des Marktplatzes sind verziert mit exzellent erhaltenen Bildern, nur eine Fassade braucht noch Pflege. Als ich die Motive studierte, sprach mich eine ältere Frau an, die ich zuerst für eine dieser normalen halb verrückten Eingeborenen hielt, die einen Touristen ausgemacht haben. Aber sie war eher Hobbyhistorikerin und erklärte einiges über die Motive und wo wann welches Geschäft einziehen soll.
Überall sind kleinen Kirchen, in denen man einige Minuten verliert, und dann sind da noch die Eingänge in die Hinterhöfe. Nicht um das 'wahre Polen' zu sehen, sondern weil Lublin dort richtig mittelalterlich aussieht. Beinahe italienisch, mit einem Gewirr von Gängen, Patios und Brüstungen um den Innenhof. Dazwischen Cafés und kleine Restaurants. Die Straße runter kommt man schon durch ein Tor auf den berühmten Schlossplatz der unterhalb des ungewöhnlich gestalteten Palasts thront. Der birgt aber nur das übliche Regionalmuseum, darum schaue ich lieber, wohin mich die Seitenstraßen führen.
So schön alles war, so kalt war es auch. In Lodz hatte ich extra alle Wintersachen ausgepackt, da man die ja nur auf dem Fahrrad braucht... im Zug hatte ich dann den ersten Schnee fallen sehen. In Lublin konnte man sich kaum auf den Tourismus konzentrieren, da ich ständig an meine Finger und die nächste Aufwärmgelegenheit dachte. Andererseits gab der scharfe Winter der Altstadt wohl eine ganze besondere Note.
Um vier treffe ich mich schon wieder mit Eva, wir gehen Eierkuchen essen, die Kellnerin muss grinsen weil Eva ein Bier bestellt, der durchgefrorene Johannes aber einen Tee. Abends mit den örtlichen Erasmuslern bowlen. Das hat mir besser gefallen, als unsere Veranstaltungen in Lodz bisher, aber dort sind auch nur 25 ausländische Studenten. Das hat mir gefehlt, regelmäßig mit interessanten Leuten auszugehen. Da war eine Italienerin dabei, Alice, der ich Aufgrund ihrer umfassenden Großartigkeit sofort einen Heiratsantrag gemacht habe.
Zu Hause haben wir uns nachts wie morgens verquatscht. Eva hatte auch immer was Interessantes zu erzählen, entdeckt ebenfalls gerne Sachen ab vom Schuss, hat eben auch schon ein Jahr Aktion Sühnezeichen in Lublin hinter sich. Überhaupt erinnerte mich alles sehr an meinen allerersten Besuch bei anderen Freiwilligen. Im kalten, dunklen Januar vor vier Jahren in Edinburgh, in der warmen, lebendigen Wohnung von Claudia und Jenny.