Schnapsidee
Wenn einer wie ich eine Schnapsidee hat, ist Hopfen und Malz verloren. Mit dieser Idee kann jedoch auch Neues entstehen. Man wird es ausprobieren müssen.
Da habe ich mir mal wieder etwas in den Kopf gesetzt. Ursprünglich wollte ich nur einen Artikel zum Thema „Schreiborte” lesen. An diesen mangelt es nämlich gewaltig. Der winzige Schreibtisch hat sich als suboptimal erwiesen. Genauso die weiße Wand, auf die ich stets starren muss, wenn mein Blick nicht auf dem Bildschirm, in der schönen Schwarzweißwelt verharrt. Nun gibt es in Náchod kaum einen Ort, an welchem man wirklich in Ruhe schreiben könnte. Kaum Cafés, keine Parks und nur Restaurants, die einen nach dem Essen schnellstmöglich wieder loswerden möchten. In der Schule habe ich ein kleines Büro. Dort lässt es sich einigermaßen gut schreiben, allerdings ist es recht kalt und nicht laut, aber eben auch nicht still. Suchte ich das, müsste ich in die Bücherei gehen, was ich bald wahrscheinlich auch in die Tat umsetzen werde. Bis dahin wollte ich mich schlau machen, ob es nicht vielleicht doch den geheimnisvollen Geistesblitz gab, den ich bisher immer übersehen hatte.
Wie erwartet, kam dieser erhoffte Gedanke nicht. Stattdessen wurde ich auf ein Projekt aufmerksam, das der Autor mit den Worten „NaNoWriMo” zusammenfasste. Was ist mit diesem Rätselwort gemeint? Es ist eine Idee, die vereint. Der Volltext heißt „National Novel Writing Month”. Nationaler Romanschreibmonat. Ein Zeitraum von dreißig Tagen, der sich ganz dem Schreiben eines Romans widmet. Seit langem gewinnt mal ein Nicht-Roman den Deutschen Buchpreis und ich entscheide mich, einen Roman zu schreiben. Verkehrte Welten.
Mit dem Genre habe ich bisher keinerlei Erfahrung. Mit vielem kann ich dienen, aber ein Roman? Leider nein. Selbst Ideen dazu hatte ich verhältnismäßig wenige. Es war bisher einfach nicht auf meinem Schirm. Nebst einer Vorstellung, die ich vor unzähligen Jahren als Kind einmal hatte, gibt es nur noch einen einzigen Handlungskomplex, den ich mir in seiner Gesamtheit schon einmal vorgestellt habe. Darin ging es um eine Zukunftsutopie, die sich – einfach gesagt – das Problem des demografischen Wandels zum Thema gemacht hat. In der jüngsten Vergangenheit gab es vor allem von französischer Seite ein paar Publikationen, die diesen Ideen ihre Glaubhaftigkeit nehmen würden. Aus diesem Grund musste ich dieses Projekt pausieren.
Nun stand ich also themenlos vor der Aufgabe, 50.000 Wörter in dreißig Tagen zu schreiben. Das Werk sollte in sich schlüssig sein und keine Logikfehler aufweisen. Die Handlung muss spannend sein, die sprachliche Gestaltung überlegt, vielfältig, gehoben.
Durch reines Überlegen musste nun ein Thema gefunden werden, zu dem ich mehr als ein paar Seiten schreiben kann. Intellekt in Reinform, allerdings nicht in Reimform, sondern in einer prosaischen Schilderung resultierend. Ein paar Ansätze hat man immer. Winzige Ideen, die in vielen denkbaren Geschichten Anwendung finden könnte. Nehmen wir als Beispiel das Motiv Kälte. Das kann man in einem Text über einen kaltblütigen Serienmörder genauso gut einbauen wie in einer Liebesgeschichte, in welcher die Kälte des Winters Raum für wohlig-warme Winternächte bei leise knisterndem Kaminfeuer schafft.
Das lässt mir einerseits viele Freiheiten, andererseits weiten sie den möglichen Inhalt meines Romans derart aus, dass es umso schwerer wird, in dieser Fülle an Möglichkeiten einen Rahmen zu finden, der die Motive und Ideen logisch zusammenfasst.
Wie ich letzten Endes zu einer vielversprechenden Idee gekommen bin, kann ich nicht erklären. Es war wie eine Offenbarung. Erst die grobe Entwicklung. Einen Anfang und ein Ende findet man immer. Dann steigert man sich hinein in die imaginäre Geschichte, die sich gerade im Kopf bildet. Die geplante Romanhandlung wird immer komplexer, was wunderbar ist, es am Anfang jedoch erschwert, die grundlegenden Randfakten festzulegen. Man weiß schon genau, was der Protagonist frühstücken wird, scheitert dann jedoch an der Findung eines passenden Alters, Namens oder Handlungsortes.
Morgen geht es los. Bis dahin wird ein ungefähres Konzept stehen. Nach und nach werden sich die Seiten füllen, um am Ende dann – wenn alles glatt läuft – das zu werden, das ich anfangs im Kopf hatte, als diese wilde Assoziationen begannen, sich im Kopf zu manifestieren.
Auch im Monat November werden weiterhin Texte erscheinen. Das ist der Vorteil, wenn man neben dem Freiwilligendienst nicht viel anderes macht, als zu schreiben. Schon nach zwei Monaten habe ich mein Jahrespensum erreicht, daher sehe ich der Zukunft gelassen entgegen. Die im November stehen bleibende Entwicklung werden Sie frühestens im Dezember oder Januar bemerken.
Zunächst ist jedenfalls der November dran, der einzig und allein dem Roman dienen soll. Ein Monat an sich ist lang. Trotzdem ist der Zeitrahmen knapp bemessen. Diese Knappheit braucht es aber auch, sonst würde es nur ein weiteres nie vollendetes Werk werden. Ein auf dem Friedhof der Bücher begrabener Halbroman. Dazu soll es nicht kommen. Aus diesem Grund gilt ab dem ersten November erste Priorität dem Romanschreiben. Einen Essensvorrat habe ich mir bereits zurechtgelegt. Einen Großteil meiner Freizeit habe ich genutzt, um soviel Essen wie möglich vorzukochen, um es dann schließlich einzufrieren. Auf diese Weise kann ich die Zeit am Abend, die mir nach der Arbeit noch bleibt, optimal nutzen. Nur frische Zutaten wurden verwendet, sodass ich mir wenigstens einbilden kann, etwas dem Körper und Geist Förderliches zu tun und nicht vollständig dem Schreibwahn verfallen zu sein.