Schmückender Hut vieler Emotionen
Solidaritätserlebnis in meiner Freiwilligenarbeit
Auch wenn es manchmal drüber und drunter geht, habe ich während meines Europäischen Freiwilligendienstes in einem soziokulturellem Zentrum schon so viele Solidaritätsmomente erlebt. Es kommt immer darauf an, ob man in ein Gespräch einsteigt oder lieber abwartet. Ich habe gelernt, dass es sich lohnt, Leute einfach so anzusprechen und dann immer weiter nachzuhaken bis sie von alleine erzählen.
Bei einer der Aktivitäten haben wir mit den Einwohnern des Quartiers Crêpes gebacken und anschließend verzehrt. So kam es, dass ich neben einer aus dem Senegal stammenden, für mich wirklich unglaublich kraftvollen Frau saß und ich sie fragte, ob sie nicht mal zu den Französischkursen kommen möchte, um sich von den Schülern über ihre Lebensstory interviewen zu lassen. Gäbe es da auch viele Migranten? Ja, sagte ich, in den unteren Niveaus hauptsächlich. Ihr würden die jungen Burschen so leid tun, sie seien so verunsichert von der fremden Lebensweise, der ihnen nicht verständlichen Sprache und nicht zuletzt seien sie das erste Mal ohne Familie. Sie sähe in ihnen ihre eigenen Söhne. Sie wüsste nicht, was sie machen könne, um ihnen zu helfen. Und sie hat mir Geschichten erzählt, Geschichten von einem unbegleiteten Flüchtling aus dem Senegal. Ein Bekannter rief sie an und vermittelte ihr diesen Jungen. Dieser kam nun zu ihr zu Besuch, sie kochte ein senegalesisches Gericht, umsorgte ihn und sie hätte noch niemals zuvor jemanden gesehen, der so viel auf einmal verschlungen hat. Er erzählte ihr, dass er all die Produkte im französischen Supermarkt nicht kenne und ihm nicht schmecken würden, da er einfach an anderes gewohnt sei. Aus diesem Treffen wurde dann Freundschaft und so wurde dieser Junge ein Teil der Familie. Ihm wurde sogar ein Flugticket gekauft, um bei der Hochzeit ihrer Tochter dabei zu sein. Für sie sei es das normalste der Welt und sie verstehe nicht, warum nicht alle so handeln würden.
In dieser Geschichte stecken Emotionen. Als ich diese Geschichte gehört habe, habe ich Gänsehaut bekommen. Das Thema Migration ist ein mit Emotionen aufgebauschter Swimmingpool. Doch ohne positive Emotionen anderer Menschen würde dieser Junge noch heute leiden. Diese Frau hat dem Fremden direkt vertraut, ihm ihre Empathie geschenkt, ihm in seiner schwierigen Situation geholfen, geteilt, Verbundenheit gezeigt und ganz uneigennützig gedacht.
Sie hat solidarisch gehandelt. Vertrauen, Empathie, Opfer bringen, Helfen, Uneigennützigkeit, Teilen, fehlende Erwartungshaltung, Verbundenheit. All dies nennt sich Solidarität. Der Hut mit dem Namen „Solidarität“ schmückt die viel simpleren menschlichen Emotionen und daraus resultierenden Handlungen. Weil man Empathie empfindet, hilft man. Und damit können wir noch eine weitere Frage beantworten. Warum sind wir Menschen nicht immer solidarisch? Weil wir gelernt haben, unseren Emotionen nicht zu viel Beachtung zu schenken.