Schaflos in Easington
Sheila, das Schaf, und die Ziegen mussten ihr vertrautes Heim und Johannson verlassen. Zur Ablenkung widmet sich der Zurückgelassene daher seiner Arbeit und weiteren Polnischlektionen. Und freut sich, dem Valentinstagtrubel erfolgreich entkommen zu sein.
Jetzt haben wir es also wirklich getan. Ab heute leben Sheila und die Ziegen in Middlesbrough. Das Herzstück unseres tierischen Besitzes ist weg. Nachdem wir noch mal Spaß hatten, sie durch ihr Gehege zu jagen, Nägel zu schneiden und sie dann in den Anhänger zu lotsen, ging es auf zur Clarences Farm. So habe ich zum ersten Mal mit eigenen Augen diesen Moloch von Schornsteinen, Fabriken und heruntergekommenen Häusern gesehen. Dagegen würde Bitterfeld das NABU-Gütesiegel in Gold kriegen. Mit dieser Gasflamme erinnert es sehr an Mordor. Nur, dass hier sogar so ein Wesen wie Sauron die Koffer packen würde.
Mein Gott, ich war wirklich entsetzt. Wir beide fragten uns, wo wir Sheila da hinbringen. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass man in dieser Umgebung Tiere am Leben halten kann. Aber es geht offensichtlich, denn der neue Heimathof hat eine ganze Menge davon. Die Mitarbeiter scheinen auch sehr kompetent zu sein. Und das Beste: die hatten sogar Meerschweinchen da! Johannes war glücklich.
Ausgehzwang
Zurück auf der Farm bietet das jetzt leere Gehege nun allerdings einen trostlosen Anblick. Es fühlt sich alles noch einsamer an. Ich habe noch schnell Fotos von den Tieren für Mareen und Paul gemacht. Eigentlich wollte ich auch noch welche von der Clarences Farm schießen als plötzlich der Film voll war.
Passenderweise haben wir einen schneidenden Kälteeinbruch und morgen muss ich draußen arbeiten. Paul ist auf einem Treffen und hat mich mit dem Ausräumen des Geheges beauftragt. Zum Glück kommt gerade eine neue Ladung Pullover aus der Wäsche.
Grund für seine Abwesenheit ist ein erfreulicher, auch wenn nur Mareen genug Einsicht in die Materie haben dürfte. Obwohl er recht wenig Erfahrung mit Management hat, bekommt mein Supervisor nämlich eine ganze Menge Verantwortung für das Penshaw Monument. Explizit für dessen Entwicklung, worüber er recht froh ist. Ich stelle mir da vor allem eine Riesenmenge Arbeit und Papierkram vor, aber er scheint zuversichtlicher zu sein. Trotzdem, was würde ich morgen für einen netten Job im Wohnwagen geben, für Streichen oder Tapezieren. Wo ich mich schon am Wochenende durch den Frost gekämpft habe. Nun ja, ich sollte dankbar sein, diese Chance überhaupt gehabt zu haben.
Der Preis der Freizeit
Ich bin stolz auf mich, Samstag habe ich den ganzen Tag Zusatzarbeit gemacht. Sonntag konnte ich mich dann zwar nicht vor zehn aus dem Bett zwingen und Regenschauer verhinderten meine eigentlich geplante Aufgabe, aber zumindest habe bin ich heldenhaft Beacon Hill von Müll gesäubert – ständig gegen den Wind arbeitend und auf dem Rückweg noch von einem Hagelschauer überfallen.
Aber so kann ich zwei Tage für ein eventuelles langes Wochenende auf meinem Freizeitkonto gutschreiben. Ich habe gesehen, dass York gar nicht weit von hier ist und ich für knappe zehn Pfund hin und wieder zurückkommen könnte. Wobei ich zurzeit allein von meinem Konto lebe, da das diesmonatige Gehalt noch nicht eingetroffen ist, und ich darauf wohl warten muss, weil unser zuständiger Manager demnächst in Urlaub fährt. Allerdings sollte das keine Probleme machen.
Nach diesem Einsatz auf Beacon Hill wurde mir zum ersten Mal Rugby erklärt. Ich glaub, ich mag dieses Spiel. Auch wenn wir, Schande über Schande, verloren haben. Und dann auch noch gegen Frankreich, auf englischem Boden, nach elf Punkten Vorsprung!
Fotofreude
Letztes Wochenende war ich also mal nicht weg, unter anderem weil Debby keine Zeit für eine Tour nach Durham, ich keine Lust auf einen Ausflug allein und das Wetter keine Aussicht auf Sonne hatte. Darum habe ich jetzt aber ein extra großes Bedürfnis nach etwas Unterwegssein und freue mich auf kommenden Sonnabend, wenn wir den Besuch nachholen. Leider müssen sonst alle arbeiten. Dafür habe ich heute morgen noch vor der Schule schnell den Film vom Farmbesuch abgeholt, dass war noch mal schön anzuschauen. Ich hab ihn den Polinnen mit nach Seaham gegeben, damit auch Madzia es sehen kann, die im Übrigen wohl sehr froh über die Visite bei uns gewesen ist.
Worte zum Erinnern & Tage zum Vergessen
Im gleichen Kontext gab es heute auch meine zweite Polnischstunde. Und wieder einmal kann ich nur staunen wie viele Zischlaute man in einem Wort unterbringen kann. Ein Beispiel: „dschiewienschdscheschiondschiewiensch“. Das ist, eins zwei drei...sechs mal sch. Und alles nur um „99“ zu sagen. Da lobe ich mir die hundert, dass ist ganz einfach „sto“.
Ansonsten habe ich den Valentinstag weitestgehend unbeschadet überstanden. Keine Post oder sonstige Belästigungen und auch der Schokolade verteilenden Kostümtruppe im Supermarkt bin ich erfolgreich ausgewichen. Furchtbar. Der einzige Tag wo man mal froh ist, allein durchs Leben zu gehen. Gestern habe ich mal mit Tini telefoniert, ihr Mario tut mir heute wirklich leid.
Ein Herz für Redakteurinnen
Soviel zu den Neuigkeiten von der White Lea Farm. Wie gewünscht als kleines Häppchen. Ja, letztens wurde es sogar der Redaktion vom Youth-Reporter zuviel. Belassen wir es also bei den zwei Seiten. Sheila ist weg, dass ist ohnehin das Wichtigste. Jetzt haben wir mit der Ente nur noch einen einzigen Sympathieträger hier. Die Gänse sind gerade in der Brunftzeit. Und da sie alle Ganter sind, geht’s in ihrem Gehege gerade rund: sie beißen und schlagen sich das die Fetzen und Federn fliegen. Paul und ich hoffen inständig, dass sie das eine oder andere lebenswichtige Organ treffen. Ansonsten hätten wir immer noch mein Porridge von heute morgen, was mal so richtig daneben gegangen ist, vielleicht kann man sie damit vergiften. Aber so schön ist die Welt ja erfahrungsgemäß nicht.