Roma in Bulgarien
Ein Bericht über die Situation der Roma in Bulgarien.
„Was, du lebst in Pasardschik? Ein ganzes Jahr? Da leben aber viele Roma, das weißt du schon?.“ Mitleidige Kommentare wie diese bekommt man fast jedes Mal zu hören, wenn man mit Bulgaren aus anderen Landesteilen über Pasardschik spricht. Dabei stellten sich mir immer zwei Fragen: warum sehe ich nicht überdurchschnittlich viele Roma in meiner Stadt und warum soll es ein Problem sein, wenn eine der vielen Bevölkerungsgruppen Bulgariens hier stärker vertreten ist?
Die Abneigung der meisten Bulgarien gegen die Roma zeigt sich sehr schnell, wenn man über dieses Thema spricht. Sie zeigt sich aber dadurch - und das ist der Grund, warum mir die „vielen Roma“ nicht sofort aufgefallen sind, dass diese separiert am Rand der Stadt in einer großen Siedlung leben. Betritt man diese Siedlung, betritt man gleichzeitig eine andere Welt, in der man sofort merkt, dass man nicht dazugehört. Diese Abgrenzung ist aber nicht nur räumlich zu bemerken.
Seit die Roma im 14. Jahrhundert aus dem indischen Raum in die Gebiete des heutigen Bulgarien und Rumänien zogen, sprechen sie ihre eigene Sprache, genannt „Romani“. Ihre Lebensweise basierte meistens auf dem Nomadentum, welches jedoch durch das kommunistische Regime in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verboten wurde. Auch andere Maßnahmen wie das Verbot von „Romani“ in Schulen und Straßen sowie die Kürzung des Kindergeldes, um den Kinderreichtum einzudämmen, trugen zur Ausgrenzung und Diskriminierung der Roma bei. Doch auch schon früher, beispielsweise in den 30er Jahren litten die Roma unter Repressalien. So bekam ein Bulgare eine Olivenration von 200g, während ein Roma nur 50g erhielt. Diese Situation ist heute glücklicherweise Geschichte, aber dennoch haben die Roma deutlich schlechtere wirtschaftliche und berufliche Chancen, was zum Großteil durch mangelnde Bildung hervorgerufen wird. In den Sonderschulen Bulgariens sind 32% der Schüler Roma und das bei einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von nur 10%. Auch europaweit lässt sich diese Tendenz beobachten: nur 42% der Roma Kinder schließen die Grundschule ab und die Beschäftigungsquote liegt bei gerade einmal 40%. Aus einem Bericht der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2014 geht außerdem hervor, dass Roma eine deutlich schlechtere gesundheitliche, wohnliche und berufliche Situation haben als der Rest der Bevölkerung.
Mit Hilfe mehrerer EU-Fonds versucht die Regierung Bulgariens, diese Situation zu verbessern, etwa durch obligatorische Vorschuljahre, Bildungsprojekte und Impfkampagnen, jedoch reichte dies bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht aus, um tiefer greifende Verbesserungen zu erzielen. Auch die Diskriminierung in der Gesellschaft bleibt ein Problem, das nur sehr schwer zu lösen ist.
Festzuhalten ist also, dass die Situation der Roma in Bulgarien äußerst schwierig ist und die politischen Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen, das Problem zu lösen. Dabei könnte sich Bulgarien einiges bei anderen Ländern wie Ungarn oder Rumänien abschauen, in denen die Integration der Roma deutlich besser funktioniert.