Resumee über die ersten zwei Monate in Spanien
Eines Tages saß ich in meinem Zimmer und habe einfach mal die Unterschiede zwischen Spanien und Deutschland aufgeschrieben, die mir in meinen ersten zwei Monaten aufgefallen sind. Aus diesen Aufzeichnung ist mein Text entstanden.
Was man hier in Spanien so alles vermissen kann...
In Deutschland dachte ich immer, dass ich keine echte „Deutsche“ bin. Nun bin ich schon seit fast zwei Monaten hier in Spanien und ich merke langsam, dass mir wirklich „deutsche“ Dinge fehlen. Natürlich stell ich mir jetzt wiederum die Frage: „Bin ich vielleicht doch mehr „deutsch“ als ich gedacht habe?“
1. Die Gewohnheiten der Spanier
1.1 Für die Deutschen ist es normal, dass man zur Begrüßung die Hand gibt. Diese Geste lernt man schon im Kindesalter. In Spanien ist das nicht der Fall. Sobald man hier eine Person trifft, egal ob man diese gut kennt oder sie doch völlig fremd ist, kriegt man sofort zwei „besos“, sogenannte Küsschen ins Gesicht gepresst. Für die „distanzierten“ Deutschen kann das anfangs zu Problemen führen! Ich musste mich wirklich daran gewöhnen, von jedem Wildfremden zwei Küsschen auf die Backe zu bekommen und jeder X-beliebigen Person zwei Küsschen auf die Backe zu geben.. und glaubt mir, es fällt mir immer noch nicht leicht, einer völlig fremden Person gleich zwei Küsschen auf die Wangen zu geben!?
1.2 In Deutschland ist es ein Zeichen des Respektes, dass man eine Person ausreden lässt. Wenn eine Person spricht und man doch ein Kommentar dazu abgeben will, wartet man, bis derjenige mit seiner Hauptaussage fertig ist und fügt dann sein Kommentar dazu. So entsteht eine normale „deutsche“ Diskussion. Nicht in Spanien! Spanische Diskussionen sind sehr schwer zu verstehen, da teilweise zwei oder doch gleich mehrere Leute auf einmal reden. Es will aber keiner Nachgeben und dem anderen zuhören, also muss man sich schnellstmöglich entscheiden, welcher Person man zuhört. Dieses Gesprächsphänomen gibt es aber nicht nur in Spanien, wie ich jetzt bemerkt habe. Irgendwie ist das so eine Sache aller Südländer. Sie wollen die arme Deutsche einfach nicht ausreden lassen, geschweige denn zu Wort kommen lassen!!
2. Die Sprache
2.1 Es ist bekannt, dass die Deutschen mehrere Sprachen sprechen. So findet man Deutsche, die deutsch, englisch, vielleicht noch spanisch oder französisch, oder sogar noch mehr Sprachen sprechen. Die Spanier hingegen sind echte Sprachtalente! Sie sprechen so viele Sprachen, die kein Schwein versteht. Sie können zum Beispiel spanisch und valencianisch oder catalán und weiterhin noch spanisch, spanisch, spanisch und zu guter -letzt spanisch. In diesem besonderen, multilingualem Fall hat es der ein oder andere Ausländer, der halt doch kein spanisch spricht, sehr schwer.
2.2 Im seltenen Fall, dass der „Extranjero“ doch einen englisch sprechenden Spanier trifft, hat er es nicht unbedingt leichter. Diese besondere Sprache, die man „Spanglisch“, ein Mix aus Spanisch und Englisch, nennt, ist nicht unbedingt leicht zu verstehen! Hier kann man dann Satzkonstellationen wie: „The woman, which...“ oder „He don´t...“ hören. Mittlerweile bin ich der Meinung, dass in einem englisch – spanischen Wörterbuch das Wort „doesn´t“ nicht existiert.
Weiterhin ist das Geschlecht einer Person nicht unbedingt von Bedeutung. So kann es des öfteren vorkommen, dass eine Frau mit „he“ oder „his“ bezeichnet wird.
2.3 Auch wenn der Großteil der Spanier keine weitere Sprache als spanisch spricht, gibt es doch einige Personen, die darauf beharren, dass Fremde (wie ich) sofort perfekt spanisch sprechen können. Zum Glück ist diese Meinung nicht so weit verbreitet.
2.4 Am meisten vermisse ich die deutsche Sprache in Geschäften. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ich einfach nur eine Milch kaufen will. In Deutschland geht man in den Supermarkt, da hat man dann drei oder vier verschiedene Marken von Milch, von denen man sich dann wahrscheinlich die Billigste aussucht. Nicht in Spanien! Hier gibt es 134 verschiedene Sorten, Marken und Größen von Milch. Da gäbe es zum Beispiel „leche semidesnata, leche alucinate, leche de soja, leche desnata, leche condensata,...?!“ Verdammt?! Ich will doch nur eine scheiß Milch für mein Müsli haben?? Dieser Vorgang geschieht nicht nur bei dem Produkt „Milch“. Es ist dasselbe Szenario mit Butter, Müsli, Brot, Käse,... Aber eines habe ich aus diesem Fall gelernt: Unterschätze niemals die Sprache!
In Deutschland fühle ich mich nackt, wenn ich ohne Klamotten auf die Straße gehe. In Spanien fühle ich mich nackt, wenn ich ohne mein elektronisches Wörterbuch unterwegs bin!
3. Die materiellen Dinge
3.1 Mir fehlen hier ganz besonders Heizungen oder Kachelöfen. In Deutschland ist es normal, dass man mindestens eine oder zwei Heizungen in einem Zimmer hat. Nicht in Spanien! Hier hat man sehr nette elektronische Heizteile, die erstens sehr sehr viel Strom verbrauchen und zweitens entweder zu heiß oder zu kalt sind! Weiterhin haben wir hier in unserer Wohnung noch eine Abmachung, so dass die Stromrechnung nicht vollends in die Höhe schießen kann: Man darf den „estuva“ nur drei Stunden pro Tag anmachen. Unter der Woche ist das kein Problem, weil man eh arbeiten muss oder einkaufen geht oder sich mal zu einem Bombon in der Stadt trifft. Problematisch wird es an kalten Tagen und am Wochenende. Da hat man dann nicht wirklich den Anreiz in die Außenwelt zu dringen. Wenn man dann aber schon seine drei Stunden Heizung pro Tag verbraucht hat, hat man ein „kaltes“ Problem!
3.2 In Deutschland konnte ich einfach duschen, wann ich wollte. Nicht im schönen Spanien! Hier (zumindest glaube ich das) hat jedes Haus einen Boiler. Zu unserem Nachteil ist unser Boiler nicht sehr groß. Wir sind insgesamt vier Leute in der Wohnung plus ein kleiner Boiler. Das kann nur zu Problemen führen! Stell dir vor: Du stehst gerade in der Dusche und einer deiner netten Mitbewohner hat plötzlich die Idee seine oder ihre Klamotten zu waschen. Für die folgenden fünf Minuten kein Problem. Aber nach diesen besagten fünf Minuten hast du kein warmes Wasser mehr in der Dusche. Es ist auch noch schöner, wenn du leider noch nicht fertig bist und das Shampoo noch im Haar hast. Dann kannst du jodelnd dein Shampoo mit sehr sehr kaltem Wasser ausspülen. Wobei ich hinzufügen muss, dass es doch den ein oder anderen Vorteil in dieser Situation gibt: Du lernst in kürzester Zeit sehr viele spanische Schimpfwörter!!
3.3 Wenn du aber dann die Person bist, die ihre Wäsche säubern will, während jemand in der Dusche ist, kannst du dich glücklich fühlen. Aber STOPP! Wir sind hier in Spanien, d.h. in jeder Ecke versteckt sich ein kleiner Hinterhalt. Wenn du also deine Wäsche gewaschen hast und dich vielleicht auch noch gefreut hast, dass du gerade nicht in der Dusche stehen musst, wartet bestimmt ein anderes Problem auf dich. Jeder weiß doch insgeheim, dass die Spanier keine Techniker oder Mechaniker sind. So kann es dazu kommen, dass man seine Wäsche aufhängt und in sein Zimmer geht. Nach ein paar Minuten merkt man, dass man doch zufälligerweise etwas im Wäscheraum vergessen hat. Man läuft also zurück, öffnet völlig ohne Vorurteile die Tür und sieht, dass die ganze Wäsche samt der Wäscheleine auf dem dreckigen Boden liegt. „Joder! Porqué??“ Warum? Weil die Spanier einfach keinen doofen Dübel richtig in die Wand machen können!!!! In dieser Situation wird das schlechte Vokabular wieder um einige „palabras malas“ erweitert.
3.4 Das spanische Wasser ist nicht gerade „deutscher Standart“. Sobald man den Wasserhahn aufdreht, denkt man, man steht in einem Schwimmbad, weil das Wasser so nach Chlor riecht. Aber was ich hier gelernt habe: Immer die Vorteile sehen! Also was ist ein Vorteil von chlorhaltigem Wasser, außer dass man es nicht unbedingt trinken will?... Ja! Meine Haare, die ich extra für Spanien abgeschnitten habe, wachsen dadurch schneller. Wieder eine Situation gemeistert!
3.5 Die Türen in Spanien sind mir ein Rätsel. Jetzt wird der ein oder andere Leser schmunzeln, da er vielleicht schon Zeuge eines Kampfes zwischen mir und spanischen Türen war? Aber ich kann euch versichern, ich finde immer neue Situationen! In Deutschland gibt es einen Schlüssen und ein Schlüsselloch. So kann man dann die Tür verschließen oder öffnen. Nicht in meinem Spanien! Hier muss man die Türklinke drehen und drücken, um die Tür zu verschließen oder drehen und ziehen, um sie aufzusperren. Das kann dann schon bei einer Deutschen zur Verwirrung führen, zumal die Deutsche noch blond ist! Eines Nachts also ist die kleine Deutsche in ihrem kleinen spanischen Zimmerchen aufgewacht und wollte nur aufs Klo. Sie stand mindestens fünf Minuten an ihrer Tür und versuchte diese zu öffnen. Es half alles nichts. Also was sollte sie tun? Irgendwann hatte sie dann die Idee an ihre Wand zu klopfen und zu hoffen, dass die Italienerin im Nebenzimmer noch nicht in tiefen Träumen schwebt. Zum Glück war dies noch nicht der Fall und die Italienerin hörte die stummen Hilfeschreie der blonden Deutschen. Circa zehn Minuten später war dann die ganze Wohngemeinschaft versammelt an der Tür der Deutschen. Das Problem aber war, dass die Italienerin, die Slowakin und der Ungar auf der einen Seite, nämlich im Gang, und die Deutsche auf der anderen Seite, in ihrem Zimmer, stand. Die fleißigen Mitbewohner versuchten alles, sogar die Tür aufzubrechen. Aber es half nichts. Die Tür blieb verschlossen! Bis dann die Deutsche doch selbst auf die Idee kam, mit einer Schere das Schloss zu öffnen, was dann auch glücklicherweise klappte. So konnte die holde Maid zu guterletzt doch noch aufs WC und die Mitbewohner konnten beruhigt in ihre Träume fliehen.
4. Persönliche Dinge
4.1 Klar vermisst jeder hier irgendetwas. Aber ich dachte zum Beispiel nicht, dass ich mein Klavier, unseren großen Garten, meine Musikwand, meinen schwarzen Boden im Bad, meine Totenköpfe oder mein großes Bett vermissen würde. Dies sind die Dinge, die mich ausmachen und sie sind in Deutschland. Ich hab natürlich hier schon versucht, mein Zimmerchen etwas persönlicher zu gestalten, aber es ist irgendwie nicht dasselbe.
4.2 Was ich auch ganz arg vermisse, dass mein Haus in Deutschland irgendwo im Nichts steht. Wir haben zu Hause keine Nachbarn, also konnte ich einfach Musik hören, so laut ich wollte oder ungestylt im Garten herumlaufen, was hier nicht mehr geht. Aber ich vermisse auch die Stille in der Nacht. In Deutschland gibt es keine verrückten Spanier, die nachts um halb vier mit ihrem Auto und voll aufgedrehter, komischer Musik an meinem Fenster vorbeifahren, oder sogar noch anhalten, weil die Ampel dummerweise auf rot umgesprungen ist. In Deutschland habe ich auch keine Mitbewohner, die mitten in der Nacht auf die Idee kommen, sich zu duschen (weil ja nachts keiner seiner Wäsche wäscht und sie somit kontinuierlich warmes Wasser haben!). In Deutschland habe ich auch keine Untermieter, mit bellenden Hunden oder kreischenden Papageien oder nette Übermieterinnen, die morgens um halb sieben mit ihren Highheels 35 mal über mir auf und ab rennen!
4.3 Man sagt ja, dass die Spanier klein sind. Das stimmt. Aber leider habe ich nicht daran gedacht, dass somit auch die Betten kleiner sind. Also habe ich, die ja in Deutschland nicht die Größte ist, ein Problem hier in Spanien. Es gibt genau zwei Möglichkeiten in meinem spanischen Bett zu schlafen: Erstens ich schlafe diagonal in meinem Bett oder zweitens ich schlafe normal und meine Zehen ragen über der Bettkante heraus, was auf Dauer ziemlich kalt wird.
4.4 Die spanische Musik?! Muss ich dazu eigentlich noch etwas sagen? Anfangs dachte ich mir noch, ach ist ja schön, so Gitarren – Gedudel und kreischende Mädels, die anscheinend versuchen zu singen. Aber mittlerweile bin ich schon oft in Disco´s oder Pubs verzweifelt. Eines Tages habe ich dann doch eine Bar gefunden, von der man sagt, dass sie da harte Musik spielen. Ich weiß ja nicht, wie hart „hart“ auf spanisch ist, aber wenn man zu Red Hot Chili Peppers „harte Musik“ sagt, ist es für meinen Begriff NICHT hart genug!
Somit habe ich einen weiteren Begriff im spanischen Wörterbuch gefunden, der nicht existiert: „Metal“ oder „Punk“ - Musik!
5. Essen und Trinken in Spanien
5.1 Ich dachte eigentlich, dass es Eistee überall auf der Welt gibt. Nein, dem ist nicht so. Klar gibt es hier Eistee. Aber nicht die Marke, die ich in Deutschland ausschließlich trinke! Die anderen Marken schmecken entweder richtig mies oder sind wirklich teuer! Also trinke ich hier nur noch Wasser und Tee. Ich weiß, wenn diejenigen das lesen, die mich kennen, werden sie diese Tatsache entweder nicht glauben oder sie haben gerade einen Lachanfall. Mitleid wäre mir lieber!
5.2 Leider gibt es hier auch keine Person, die täglich für mich kocht?! Das vermisse ich hier am meisten. Jeden Tag muss ich mir Gedanken machen, was und wann ich zu Mittag und zu Abend esse. Meistens läuft es dann auf diese Lösung hinaus: 11.00 Uhr Frühstück: Müsli, 16.00 Uhr Mittagessen: Müsli und 21.00 Uhr Abendessen: Wie wär´s mal mit Müsli? Also hier eine Nachricht an meine Mami: Wenn ich nach Hause komme, will ich nur bekocht werden!! Und ja dein Essen ist doch nicht so schlecht, wie ich immer gesagt habe. Ich vermiss es hier!! Danke für die 19 Jahre, in denen ich täglich bekocht wurde!! Ich weiß es jetzt zu schätzen! Kannst du jetzt kommen und für mich kochen? :)
5.3 Muss ich eigentlich etwas hierzu etwas schreiben oder reichen einfach die folgenden Worte: Klöß mit Brüh und Wirsing, Herrencreme, Salat mit panierten Pfiffern, Örpflbaggers und Apfelmus, Fertigsoßen. Ich vermisse es!?!?!?
6. Leute, die ich hier vermisse
6.1 Klar vermiss ich meine ganze Familie (ab und an :D). Aber ganz besonders vermiss ich meinen kleinen, großen Bruder. Hier gibt es keinen „Chico“ mit grünen Haaren, der mit mir Dummheiten macht, der mit mir Wii oder Guitar Hero spielt, der mit mir auf doofe Hip Hop Musik tanzt, der meine nicht unbedingt lustigen Witze versteht, der mich zum Weinen bringt (Ich sag nur Abschied?????), der mit mir um die Wette rülpst,...
6.2 In Deutschland hätte ich nie gedacht, dass ich das einmal sagen werde: Ich vermisse meine Freunde! Ich war immer der Meinung, dass man Freunde überall auf der Welt finden kann. Kann man auch, aber nicht die gleichen Freunde, die man sonst hat. Hier gibt es niemanden, der für mich Baileys macht, der mit meinen Haare wetteifert, der sich mit mir über Kandinsky streitet, der lustige Wii – Abende und Singstar – Abende mit mir macht, der mich auf seinem / ihrem Motorrad mitnimmt, der mir „dirty – sanchez“ Witze erzählt, … da könnte ich jetzt noch ewig aufzählen.
Ich weiß auch nicht wieso. Vielleicht liegt es daran, dass alle anderen Freiwilligen mindestens fünf Jahre älter sind als ich, oder dass einfach eine andere Kultur zwischen uns liegt? Man weiß es nicht! Auf jeden Fall weiß ich jetzt, was ich an meinen Freunden habe!!
Die Kunst eines schönen Textes ist, einen roten Faden zu haben und im Schluss eine Überleitung zum Anfang zu finden. Muss ich mich jetzt also entscheiden ob ich Deutsche bin oder nicht? Ich glaube nicht, weil ich das auch gar nicht könnte. Ich will mit diesem Text eigentlich nur sagen, dass es mir hier in Spanien sehr gut geht, ich aber auch in den zwei Monaten gemerkt habe, was ich so an oder in Deutschland vermisse. Teilweise sind das simple Dinge, die in Deutschland für mich „normal“ und „alltäglich“ waren. Deshalb ist so ein Auslandsaufenthalt sehr gut, so kann ich dann die kleinen, alltäglichen Dinge schätzen, wenn ich wieder zurück bin! Aber fürs erste darf ich noch ein Weilchen hierbleiben. Hehe :)
Adios y besos a Alemania
Eure Anika
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