Reisima
Ich bin in den letzten zwei Monaten noch einmal in viele Länder gereist. Hier die Zusammenfassung
Tere Tere!
Jetzt ist durchaus schon viel Zeit vergangen seit dem letzten Eintrag. Ganze zwei Monate. In diesen zwei Monaten war ich jedes Wochenende unterwegs.
Nach meinem Besuch in Lettland war ich am Wochenende des 8.3. auf dem Geburtstag einer Freiwilligen, die ein kleines Haus direkt am See gemietet hat. Der See war Anfang März noch komplett zugefroren und wir konnten darauf laufen. Sauna gab es natürlich auch und eine Menge zu essen haben wir alle mitgebracht. Um erst mal zu dem Haus im Wald hin- und zurückzukommen, geht schon mal ein ganzes Wochenende drauf, so dass ich da nichts anderes mehr gemacht habe, als die Gesellschaft der vielen Freiwilligen zu genießen, wieder mal ein paar neue Kontakte zu knüpfen und ein neues Kartenspiel zu erlernen.
Am Wochenende des 15.3. hat ein Freiwilliger, der ganze 14 Monate in Estland war, seine Abschiedsfeier veranstaltet. Er wohnt in einem kleinen Dorf und wir sind in die Sauna gegangen. Es war eine schöne Party und für ihn mit Sicherheit so traurig, doch irgendwann einmal nach Hause gehen zu müssen.
Am Wochenende des 22.3. war ich in der Stadt Viljandi. Das ist eine Stadt, die ich von Anfang an unbedingt einmal sehen wollte. Dort habe ich nämlich eigentlich meine Zusage letztes Jahr im Dezember bekommen. Leider wurde das Projekt im Mai abgesagt, sodass ich erst einmal für einen Monat ohne Freiwilligendienst dastand. Gott sei Dank hat mir meine Coordinating Organisation eine andere Stelle angeboten: meine jetzige in Tallinn. Aber ich habe mich damals schon so auf Viljandi eingestellt und habe auch schon mit den Freiwilligen dort geschrieben, dass ich unbedingt einmal dorthin wollte. Deswegen war ich sehr froh, es geschafft zu haben :)
Viljandi ist eine kleine Stadt mit ca. 20.000 Einwohnern. Es gibt schöne alte Burgruinen, auf denen jedes Jahr ein Folkstanzfestival stattfindet. Leider ist dies im August, weswegen ich es nicht sehen kann. Sehr schade!
Am Wochenende des 29.3. habe ich es dann auch endlich nach Finnland geschafft. Gemeinsam mit der Freiwilligen Eva bin ich samstags morgens ganz früh mit der Fähre nach Helsinki gefahren, wo wir drei Nächte bei einem Couchsurfer geschlafen haben. Noch am Samstag sind wir auf die Festungsinsel Suomenlinna gefahren. Das ist eine kleine Schäre, wo früher eine riesige Burganlage zur Verteidigung war. Heute kann man sich die noch gut erhaltenen Ruinen anschauen. Die Sonne hat zwar geschienen, aber es war durch den heftigen Wind doch sehr kalt und ich konnte es nicht so genießen wie ich wollte.
Am Sonntag sind wir direkt nach Porvoo gefahren. Ein kleiner Ort ca. eine Stunde entfernt von Helsinki. Dort sind wirklich wundervolle Holzhäuser in allen möglichen Farben. Jedes davon war ein Foto wert. Ich habe mich gefühlt wie bei Michel aus Lönneberger :)
Am Montag sind wir nach Turku gefahren, eine größere Stadt ca. zwei Stunden entfernt. An sich war Turku nicht so speziell. Eine Stadt mit Fluss und Burg, die leider geschlossen war. Aber die Fahrt hat sich trotzdem wohl gelohnt.
Am Dienstag sind wir noch mal ein bisschen in Helsinki rumgelaufen. Wir waren zum Beispiel auf dem Olypiaturm, um die Stadt von oben zu sehen.
Allgemein kann man über Finnland sagen: super teuer. Ungefähr doppelt so teuer wie Estland. Aber es war sehr schön, endlich mal wieder in einer westeuropäischen Stadt zu sein und nicht überall russisch zu hören. Die Trams waren modern und nicht so abgewrackt wie hier in Tallinn und es gab viele Einkaufsläden, die es in Estland nicht gibt (in Estland gibt es wenig Läden, die wir aus Deutschland kennen).
Die zwei Wochenenden danach war ich zwar in Tallinn, aber ich war auf Geburtstagen und noch irgendwo unterwegs. Am 4.4. war Anas Geburtstag und wir haben Freitag, Samstag und Sonntag gefeiert :) Freitag Abend mit unseren Kollegen in einem Pub, Samstag Abend bei uns zu Hause und Party und Sonntag Morgen haben wir unser Geburtstagsgeschenk für Ana gemacht: Ein Frühstück. Oder besser gesagt ein Katerfrühstück, denn wir waren bis sieben Uhr morgens feiern :)
Am 12.4. haben wir den Geburstag einer anderen Freiwilligen gefeiert, die ich allerdings nicht so gut kenne. Ich bin auch nicht mehr mit in die Stadt gegangen danach, aber ich habe mal wieder neue Freiwillige kennengelernt :) Am Sonntag haben wir vom deutschen Chor in einer Messe gesungen. Ich habe ein Solo gesungen und war natürlich ganz schön aufgeregt. Es hat zwar nicht so gut geklappt wie bei den Proben, aber ich bin ja auch kein Profi :) Wenigstens waren kaum Leute in der Messe.
Übringens werde ich jetzt ganz fest bei dem Sängerfestival Anfang Juli singen. Ich singe aber nicht mit dem deutschen Chor, sondern mit einem anderen Chor dort, denn der deutsche Chor hat es nicht geschafft. Es ist eine große Ehre, dort singen zu können, denn es wollen so viele Leute mitmachen, dass nicht alle können. Dass ich als Nicht-Estin darf ist schon toll! Wir lassen uns sogar extra Röcke dafür schneidern in den typisch estnischen Mustern.
Mein EVS ist leider schon am 6.6. zu Ende, mein Flug geht am 9.6., aber ich komme am 21.6. wieder nach Estland und bleibe bis zum 12.7. Ich werde dann am Ende noch einmal berichten :)
Am Ostersamstag, den 19.4. haben mich dann endlich meine Eltern besucht. Sie haben in einem Hotel gewohnt und ein Mietauto bestellt, mit dem wir durch Estland gekurvt sind. Es war sehr schön, Mama und Papa meine neue Heimat zu zeigen :) Wir sind in den Lahemaa Nationalpark gefahren, in die hässliche Grenzstadt (zu Russland) Narva, nach Haapsalu, zum Keila-Joa Wasserfall und haben viel in Tallinn gesehen. Zum Beispiel sind wir mit dem Fahrrad durchs Freilichmuseum gefahren. Wir haben also zehn schöne Tage zusammen verbracht und es war wirklich schade, sie wieder verabschieden zu müssen.
Am ersten Mai begann dann die größte, längste, weiteste, schwierigste, spannendste und interessanteste Reise: es ging nach Russland! Viele Freiwillige fahren nach Sankt-Petersburg, was mit dem Bus gerade einmal sieben Stunden entfernt ist. Aber drei andere Freiwillige und ich haben uns gedacht: jetzt sind wir einmal so nah an Russland, dann fahren wir auch nach Moskau. Also haben wir ein Visum beantragt, ein Zugticket nach Moskau gebucht und dann gings los. Zwölf Stunden später und 1000 Kilometer weiter südöstlich waren wir in Moskau. Die Bevölkerung spricht leider kein Englisch, also mussten wir uns mit unseren Kyrillisch-Lesekenntnischen und zehn Worten in Russisch durchschlagen. Gegen alle Stimmen, die sagen, dass man jetzt nicht nach Russland fahren sollte: es gab gar keine Probleme. Wir haben von den Unruhen nichts gemerkt. Nicht einmal Demonstrationen haben wir miterlebt, da Volksversammlungen über zwanzig Personen verboten wurden (?!). Auch den Grenzübergang haben wir ohne Probleme passieren können. Ruckzuck waren wir auf der russischen Seite.
In Moskau haben wir natürlich auch dem Kreml besucht. Für umgerechnet zwei Euro (1 Euro = 50 Rubel) konnten wir alle Kirchen dort sehen. Russisch-orthodoxe Kirchen sind tatsächlich atemberaubend. Kirchen außerhalb des Kremls, zum Beispiel die Christ-Erlöser-Kirche, wo das Video von Pussy Riot gedreht wurde, konnten wir leider nicht sehen, weil die Kirchen entweder zu teuer oder geschlossen waren. Aber dafür sind wir die Moskva entlang zum Gorky Park gelaufen (Man erinnere sich: Wind of Change von den Scorpions: „Follow the Moskva, down to Gorky Park, listening to the wind of change“). Am letzten Tag in Moskau waren wir noch ausgiebig shoppen, denn wir mussten es ja ausnutzen, all die internationalen Läden zu haben, die es in Estland nicht gibt. Es gibt noch nicht einmal Burger Kind in Estland...... Es gab auch einige amerikanische Läden in Moskau, die eine Freiwillige kannte, da sie ein Jahr in Kanada war.
Nach vier Tagen in Moskau sind wir mit dem Nachtzug für vier weitere Tage nach Sankt-Petersburg gefahren. Das war auch noch mal ein Erlebnis. Wir sind mit der dritten Klasse gefahren und haben für neun Stunden Fahrt 26 Euro bezahlt. In dem Wagon hat es extrem nach altem Schweiß gestunken und es waren so viele Betten auf kleinstem Raum gebaut, dass ich mich frage, was gewesen wäre, wenn der Zug ausgebucht wäre. Irgendwie haben wir aber nicht Nacht auf den harten Pritschen überstanden und waren froh, als wir mittags in Sankt-Petersburg in unserem überaus schönen Hostel ankamen. Gogol Mogol Hostel heißt das, ist nur weiterzuempfehlen. In Sankt-Petersburg waren wir natürlich in der Heremitage, sind zum Peterhof gefahren und haben genossen, dass wenigstens mal mehr Menschen Englisch reden und dass auch die Metro auf Englisch war. Am heftigsten war allerdings der neunte Mai: Tag des Sieges. Am größten Feiertag Russlands – größer als Weihnachten oder Ostern – wird der Sieg gegen Nazideutschland gefeiert. Nicht das Ende des zweiten Weltkrieges, nein, der Sieg gegen den Gegner. Das ist Russland....
Alle Straßen waren gesperrt und für Fußgänger frei, auf dem Platz vor der Heremitage fand eine Militärshow statt und alle Menschen waren auf der Straße mit orange-schwarz gestreiften Schleifen. Orange für Feuer und schwarz für Schießpulver. Dort standen Panzerfahrzeuge und Bombenfahrzeuge und die Menschen haben zu diesen Fahrzeugen Hurra gerufen. Mir wurde richtig schlecht dabei in einer Menschenmenge zu stehen, die praktisch Hurra zum Krieg ruft.
Wir sind mit einer Frau aus unserem Hostel, die deutsch spricht, durch die Straßen gelaufen und die meinte vorher, dass wir besser vorsorglich Englisch reden sollten. Man weiß ja nie.....
In Deutschland gibt es kaum Momente, an denen wir an den zweiten Weltkrieg erinnern. Noch nicht einmal das Ende. Daher war es für uns so seltsam, dass der Sieg über den Krieg so intensiv gefeiert wird. Auch Nationalstolz haben die Deutschen nicht und wir sollten es auch nicht haben, schließlich schauen wir auf eine schreckliche Vergangenheit zurück. Dass die Esten so stolz auf ihr Land sind war mir schon fremd, aber die Russen sind noch patriotischer. Aber ich denke, dass sie genauso wenig patriotisch sein sollten wie wir, denn ihre Vergangenheit ist glaube ich noch schlimmer als unsere, aber trotzdem wird sie heute noch hoch gepriesen.
Es war wirklich unglaublich dort und ich könnte noch so viel mehr erzählen, aber ich will Russland nicht in falsches Licht stellen. Zum Beispiel war später am Tag noch ein Umzug von Kriegsveteranen und Menschen, die Bilder von verstorbenen Verwandten hochgehalten haben. Das war schon ergreifend. Und auch die Gastfreundlichkeit von Russen ist uns positiv aufgefallen. Obwohl sie kaum Englisch sprachen, haben sie so oft versucht uns zu helfen. Das hätte kein Este getan.
Ich habe mir jetzt definitiv ein neues Bild über Russland gebildet. Es ist positiver als vorher, aber auch der Wahrheit näher, denn einmal dort zu sein und mit Einheimischen zu sprechen lässt einen erkennen, wie das Land tatsächlich ist.
Ich war also sehr froh, in Russland gewesen zu sein und den neunten Mai erlebt zu haben.
Und ich bin so traurig, dass ich nur noch vier Wochen hier bin. Ich habe noch nicht so viele Pläne für die nächsten Wochen, also mal schauen was kommt.
Bis dann!
Eure Teresa