Rap als Reaktion
Junge, glatzköpfige Männer mischen sich unter die normal gekleideten Bewohner, protestieren gleichermaßen gegen den Rassismus gegen Weißen. Die Solidarität gegenüber Roma hat noch einen langen Weg vor sich.
In der Kleinstadt Duchcov versammelten sich rund 800 bis 1.000 Menschen zu einer „Anti-Roma-Demonstration“. Unter ihnen Junge wie Alte. Knapp die Hälfte sind Einwohner aus der Stadt und Umgebung, aber auch bekannte Hooligans aus Teplice, Ùstí, Liberec und vom Fußballclub Sparta Prag sowie Anhänger der rechtsextremen Partei DSSS sind unter den Demonstranten. Letztere tragen Partei- und Nationalfahnen.
Alle haben sich auf dem Námestí Legií versammelt und applaudieren dem DSSS-Chef Tomas Vandal, als dieser in seiner Rede auf die „Unangepassten“, die Roma, zu sprechen kommt.
Spezialeinheiten der Polizei stehen am Rande, haben schon Messer, Baseballschläger und Macheten beschlagnahmt. Journalisten tragen Helme.
Dies ist schon die zweite Kundgebung innerhalb von vier Wochen. Die erste, unter dem Titel „Versammlung unzufriedener Bürger“ angemeldete Veranstaltung, wurde von einem Mann aus Duchcov organisiert, der für seine rassistische Hetzte im Internet bekannt ist. Rund 500 bis 1000 Menschen kamen, gleichfalls sonst politisch nichtaktive Menschen, als auch viele Neonazis. Nach dieser Demo Ende Mai musste die Polizei das Roma-Viertel der Stadt vor den wütenden Demonstranten schützen.
Was war geschehen? Was hat die Einwohner der Stadt so wütend gemacht? Warum diese Kundgebungen in so kurzer Zeit nacheinander?
In dem nordböhmischen Städtchen kam es zu Mitte Mai zu einem brutalen Angriff auf ein Ehepaar durch fünf Betrunkene. Daraufhin schrieben die Medien „Roma überfielen Ehepaar“, was die Stimmung gegen die Roma anheizte. Die Stadtverwaltung ordnete in Folge des Übergriffes Kontrollen im Roma-Viertel durch Polizei, Sozial- und Hygieneamt an.
Bei der zweiten Demo gelten nun verschärfte Sicherheitsmaßnahmen.
Die Rede von Vandal ist zu Ende und der Demonstrationszug setzt sich mit „Tschechien den Tschechen“-Parolen in Bewegung, „Zigeuner an die Arbeit“ rufen Nazis, aber wer soll ihnen Arbeit geben? Weiße haben hier selber kaum Arbeit.
Nach 200 Metern verlassen die Demonstranten die angemeldete Route und biegen nach links ins Roma-Vierte ab. Als sie auf die Polizeisperren treffen knallt es. Die Polizei versucht die Demonstranten zurückzudrängen. Schreckschusswaffen, Tränengas und Wasserwerfern der Polizei gegen Gasflaschen, Müll, Steine und „Zigeuner“-Rufe. Die Demonstration wird aufgelöst, nur noch eine wütende Gruppe ruft „Lasst uns zu ihnen“. Aber das hören die Duchcover Roma hören es nicht, denn hier, zwei Straßen von den Kundgebung entfernt, findet ein kleines Straßenfest statt und vier Roma-Jungs, die sich selbst „Cikáni“ nennen, rappen auf einer kleinen Bühne – mit Megafon. Das Plakat des Vereins „Konexe“, welches dieses Straßenfest organisiert hat, hängt am Pavillon. „Schwarze, Weiße, bündeln wir die Kräfte“ steht dort drauf.
„Wir wollen eine Oase schaffen, Alternative für Bewohner von Duchcov, die nicht zur Demo gehen wollen“ sagt Ivana Conková, Organisatorin.
Ungefähr 200 Menschen sind zu dieser Gegen-Demo gekommen, hauptsächlich Roma aus Duchcov und Umgebung. Vorab hatten viele Angst durch das Fest die Rechtsextremisten nur zu provozieren und noch mehr anzulocken. Ein paar wenige Nicht-Roma kann man unter den Gegendemonstranten trotzdem finden: einige Aktivisten mit Gitarre und Dreadlocks und eine Gruppe aus Dresden. Auch das libertäre Netzwerk Dresden rief zur Teilnahme auf.
Was aber sehr zu denken gibt ist, dass selbst die Bürgermeisterin ihrer Einladung nicht gefolgt war. Den Medien gegenüber wertete sie „Konexe“ als „Linksextremisten“ ab. Dabei schenkte sie noch vor den Wahlen Roma-Jungs Zigaretten.
Natürlich hat man schon fröhlichere Straßenfeste gesehen, trotzdem ist es ein Mittel gegen die Angst.
Die rechtsextreme Partei DSSS jedenfalls hat ihr Ziel wieder einmal erreicht. Durch die Zurückdrängung der Demonstranten und den Einsatz von Tränengas etc. fühlen sich nun die Einheimischen als Opfer der Polizei, Wut wird weiter geschürt. Die DSSS fährt erneut ihre altbekannte Schiene: sucht die Miseren des Landes, legt die Lunte ans Pulverfass und wartet, bis der Konflikt eskaliert.