Project Minimalism goes Latvia
Veganer Minimalismus in Liepaja, Lettland. Ob das gut geht?
Hi,
ich bin Anna. 18 Jahre alt, momentan im Schwarzwald vorhanden und Öko mit ganzer Seele und seit zwei Jahren auch noch Veganerin (um Gottet Willen, et wird ja immer schlimmer!).
Ihr denkt es euch vermutlich, die Schwarzwälder können sich nur schwer für eine Öko-Veganerin mit Großstadtambitionen, die weder den Dialekt beherrscht (sell Allemannisch isch bigott ä it grod liechte Sach), noch sich für die dortigen Traditionen (Fasnacht!!! #igittigitt) interessiert, begeistern. Deswegen ist es jetzt nach dem Abitur wirklich an der Zeit, zu neuen Ufern aufzubrechen, die Welt zu entdecken. Und beginnen werde ich damit, wie es der Zufall so wollte, in Lettland. Eine Veganerin bricht auf in das Land der sauren Sahne und mit Käse überbackenen Gerichte! Warum auch nicht.
Die Öko-Schiene ist bei mir keine neue Sache. Ich fahre auf dieser Strecke, dank Öko-Mutter eigentlich schon mein gesamtes Leben lang. Meine Kindheit bestand aus Dinkelkeksen mit Reissirup gesüßt, dem Multivitaminzwergensaft aus dem Reformhaus und vegetarischem Bio-Tomaten-Brotaufstrich. Dazu gab es Brokkolibrei, gedünstete Steckrüben und Pastinaken. Lecker, lecker.
Das ist im Übrigen in keinster Weise ironisch gemeint, sondern mein voller Ernst. Es war toll, als Bio-Kind aufzuwachsen, Naturkostläden sind die schönsten Geschäfte, die es gibt und zuckerfreie, vegane Biodinkelkekse sind wirklich köstlich, wenn die Zuckergeschmacksknospen noch nicht von "Milka"-Schokolade gecrasht worden sind. Aber irgendwann kommt natürlich die rebellische Jugend und man wechselt von Haarseife zu Elvital oder so und die Vollkorn-Tomatenaufstrich-Brote verwandeln sich in einen fetten BigMac und ein McFlurry von McDonalds. Diese Phase ist bei mir jetzt circa fünf Jahre her und was soll ich sagen: Man wird alt und besinnt sich zurück zu seinen Wurzeln. Oder wie meine ehemalige Englischlehrerin (ebenfalls das Kind einer Öko-Mutter) zu mir sagte: "Du kannst dich nicht dagegen wehren. Wenn du öko aufwächst, wirste selber irgendwann wieder Öko, das holt dich ein. Und das wird dann auch nicht besser, das wird immer schlimmer."
Was soll ich sagen, außer: Sie hat Recht. Inzwischen kann ich stolz behaupten, dass es sogar noch eine Nummer krasser gelaufen ist bei meiner Öko-Rückmetamorphose. Schließlich hat die Verwandlung nicht beim Bio-Liebhaber mit Faible zum 7-Zwerge-Saft gestoppt, nein, mittlerweile habe ich beim Up-Leveln, die Vegetarier und anschließend die Veganer-Stufe gemeistert und damit die gesamte Obst- und Gemüsepalette freigeschaltet, abgesehen von Roter Beete, Spargel und Süßkartoffel, aber gut, man muss ja nicht alles mögen. Jetzt gilt es jedenfalls sich der nächsten Quest zu widmen: Plastik reduzieren und Besitz und Konsum minimieren. Die perfekte Challenge für mein EFD in Lettland, das in zwei Wochen beginnt.
Liepaja, die Stadt, in der ich die nächsten zehn Monate meines Lebens verbringen werde liegt im Westen des Landes, direkt an der Ostseeküste, ist mit ihrem weißen Sandstrand beliebtes Reiseziel im Baltikum und mit ihren 78.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Lettlands. Ihr merkt an dieser Stelle sicher, da hat jemand den Wikipedia-Artikel gelesen. Und wenn wir schon bei Wikipedia-Artikeln sind, hier noch ein paar weitere Eckdaten zu Lettland:
- In Lettland leben knapp zwei Millionen Menschen, 700 Tausend davon in der Hauptstadt Riga, dabei ist das Land ungefähr so groß wie Bayern (zum Vergleich: Bayern hat circa 13 Millionen Einwohner). Man könnte zusammenfassend sagen, das Land ist rar besiedelt.
- Nur 62 Prozent der lettischen Bevölkerung sind Letten, 27 Prozent gehören der im Land lebenden russischen Minderheit an (durch die sowjetische Okkupation des Baltikums zwischen 1944 und 1989, die dort russische Personen ansiedelte, leben dort noch heute viele Russen)
- Seit 2004 ist Lettland EU-Mitglied und seit 2014 Teil der Eurozone.
- Am 18. November 1918 erklärten die Letten zum ersten Mal ihre Unabhängigkeit (Ich mache an dieser Stelle mal kurz den Trump und merke an: November 18th - my birthday :D), das bedeutet, dieses Jahr feiert Lettland das 99. Jubiläum. Bin wohl ein Jahr zu früh da ...
- Lettland liegt zeitlich eine Stunde vor Deutschland.
So genug der harten Fakten. Zurück zum Minimalismus. Und zur Challenge.
Wenn es ums Reduzieren geht, ist beim weiblichen Geschlecht natürlich zuallererst (Klischeeeee!!!) der Kleiderschrank dran. Wer von euch sich in den letzten Jahren mit Minimalismus beschäftigt hat, ist sicherlich irgendwo über das "Project 333" gestolpert. Für diejenigen, die es nicht kennen: Das "Project 333" ist das ultmative Kleiderschrankprojekt: Drei Monate, 33 Teile, inklusive Jacken, Schuhe und Schmuck, exklusive Unterwäsche, Socken, Sport- und Schlafsachen. Tja, drei Monate ... trifft es in meinem Fall nicht ganz, weswegen ich mir den Luxus gönne und mir 7 Teile mehr zugestatte und das exklusive Sommersachen. Ich teile das Projekt also in "Project 840", acht Monate mit 40 Teilen und "Project 2xx", so weit lässt sich noch nicht vorrausplanen, deshalb bleiben die letzten zwei Monate erst mal offen.
Zweite Station ist das Badezimmer: Der Plan besteht darin, so wenig Plastik wie möglich im Waschbeutel landen zu lassen. Das bedeutet, anstatt normaler Zahnbürste, gibt es die komplett kompostierbare Bambuszahnbürste, Seife ersetzt Duschgel, Haarseife das Shampoo und ein kleines Glasflässchen mit Jojobaöl die Crème.
Dritte Haltestelle sind Bücher und Filme. Mit ins Handgepäck kommen:
- Die Känguru-Chroniken-Trilogie
- Julia Engelmann - "Eines Tages, Baby" und "Wir können alles sein, Baby"
- "Die Poetry-Slam Fibel" von Bas Böttcher herausgegeben
- "Weiß wie Schnee, rot wie Blut, grün vor Neid", ein moderner Schneewittchen-Roman
- "Ich mag Regen - traurige Liebesgeschichten aus meinem Leben" von Marvin Ruppert
- "tschick" von Wolfgang Herrndorf
- "Weihnachtszauber - Ein Kuss kann alles verändern" (mein liebster Weihnachtsfilm <3)
- Ass-Dur; "Erster Satz Pesto" und "Zweiter Satz Largo Maggiore"
- "alles ist Liebe", nochmal Weihnachten :D
Alles gerade Genannte ist übrigens wärmstens zu empfehlen, ganz besonders "tschick".
Viertens noch die Technik: Handy+Kopfhörer+Ladekabel, Laptop+Ladekabel, Kamera+Ladestation+Verbindungskabel
Ganz fertig ist der Koffer natürlich noch nicht, es geht ja erst in zwei Wochen los. Das ultimative Update erfolgt nach meiner Ankunft, zusammen mit ein paar ersten Eindrücken aus Liepaja :D
Viele Grüße mitten aus einem der vielen Schwarzwälder Sommergewitter
Eure Anna
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