Populismus - Der Schatten der Demokratie?
Trotz langzeitiger Präsenz von rechtspopulistischen Strukturen in Europa war der Wahlerfolg der AfD (Alternative für Deutschland) erschreckend und aufrüttelnd zugleich – Wie entsteht Rechtspopulismus und wie hat er sich in das politische System etabliert? Abschließend ein Ländervergleich mit dem Libanon
InPopulismus- Wie ein Gespenst scheint er über Europa zu schweben, bedrohlich aber irgendwie ungreifbar. Auch Politikwissenschaftler und Soziologen können sich nicht auf eine einheitliche Definition einigen: Manche beschreiben das Exklusive, die Abgrenzung zu anderen als das Erkennungsmerkmal, viele sehen in der starken Vereinfachung politischer Zusammenhänge das Kennzeichen – Womit jeder Politiker spätestens im Wahlkampf zum Populisten wird. Ist Populismus an sich denn verwerflich?
Jein. Die Schwierigkeit liegt darin, dass der Anspruch der Demokratie ist, alle Bürger in den Entscheidungsprozess einzubeziehen, jeder soll zumindest das Recht dazu haben. Das wiederum gestaltet sich schwierig: Zum einen funktioniert Politik besser, wenn sich nicht alle einmischen und gegen Entschlüsse protestieren, sondern eine breite Masse den Entscheidungen einfach folgt. Zum anderen kann man politische Prozess, die gerade durch Globalisierung und Ökonomisierung viel komplexer geworden sind, nicht soweit runterbrechen, dass sie jeder Bürger versteht. Daher benötigt es Repräsentanten und Experten, die Politik machen. Die amerikanische Politikwissenschaftlerin Margareth Canovan sieht darin das Paradox der Demokratie.
Eine andere Tendenz ist die Beeinflussung durch Massenmedien: Durch die weitgehende Privatisierung von Medien, womit sie viel kommerzieller geworden sind und mehr auf Zuschauerzahlen als auf Inhalt aus sind, und die Digitalisierung sind Menschen attraktionssüchtig geworden: Langwierige und komplexe Politikprozesse werden so nicht länger dargestellt, es wird weit mehr über politische Skandale berichtet oder die Angst- und Empörungstrommel gerührt (siehe Bild-Zeitschrift). Hinzu kommen gezielt verbreitete Fake-News, die die Stimmung im Land beeinflussen sollen und das Vertrauen in etablierte Medien mindert. Wie Massenmedien und Populismus zusammenhängen untersuchte Thomas Meyer in seiner Studie: Medien werden von der Politik instrumentalisiert um Wählerstimmen zu gewinnen, andererseits nutzen Medien Politik um Schlagzeilen zu machen – Und die Bürger? Sie können sich dem Einfluss der Medien nicht entziehen und müssen versuchen, ihre Wahrheit zwischen den Zeilen zu lesen.
Zur Erklärung des Phänomens Populismus gibt es zahllose Erklärungsansätze, grob kategorisieren lassen sie sich in sozio-ökonomische Erklärungsmuster, psychologisch-kulturelle und politische-systematische (nach Frank Decker): Sozio-Ökonomische begründen sich in der Annahme, dass sich durch die Globalisierung die Gesellschaft immer weiter spaltet, sie immer heterogener wird und ihr so das Sozialkapital, die "Bindekraft", fehlt. Zudem entwickelt sich die Tendenz, dass Bildung immer mehr über den politischen Einfluss entscheidet – Und die, die abgehängt wurden haben können den kulturellen Wandel nicht mal mehr mitgestalten und so werden diskriminierende Verhältnisse reproduziert. Psychologisch ist die sogenannte "Modernisierungsverlierer-These" (nach Lipset): Diese beschreibt den subjektiv wahrgenommenen Zustand der Benachteiligung durch Internationalisierung und Migration. Tatsächlich kann man gerade in nordeuropäischen Ländern eher von einer subjektiv wahrgenommen Benachteiligung sprechen, da es diesen Ländern ökonomisch bessergeht als dem Durchschnitt. Kulturell umfasst Aspekte wie beispielsweise Medien, aber auch die kulturelle Prägung gewisser Milieus, beispielsweise gibt es interessante Studien über den Populismus, der in der Arbeiterklasse verbreitet ist. Auf einer politisch-systematischen Ebene lässt sich Populismus ebenfalls erklären: Ist er das Ergebnis einer tiefen Vertrauenskrise? Bedeutet er die fehlende Legitimation unserer Regierung? Ist er vielleicht system-immanent, als ein notweniger Bestandteil des politischen Systems?
Dieser Ansatz wird momentan von vielen Wissenschaftlern als handlungsweisend gesehen: Wenn wir Populismus als Korrektiv der Demokratie verstehen, können wir unser demokratisches System überdenken - Wie kommt es dazu, dass sich so viele Menschen nicht repräsentiert fühlen, sich benachteiligt sehen und keinen Zugang mehr zu einem sozialen Aufstieg finden? Dieser Diskurs wäre ein erster Ansatz, Globalisierung und Moderne menschlicher zu gestalten.
Interessant ist es natürlich auch, diese politikwissenschaftlichen, theoretischen Überlegungen an der Politik in meinem Gastland, dem Libanon, zu betrachten. Die libanesische Politik ist völlig anders strukturiert als unser deutsches System, hier erfolgt eine Quotierung in den wichtigen Posten: EIn Staatsoberhaupt muss sunnitischer Moslem sein, eins schiitischer Moslem und einer Christ. Dies sollte die Machtkämpfe im Land zwischen den Konfessionen ruhiger stellen, facht sie aber letzlich nur noch mehr an. Die Reglung ist nicht demokratisch und sichert einigen Wenigen Machtvorteile: So sind Christen mittlerweile eine Minderheit im Land, und werden trotzdem noch politisch bevorzugt. Mit diesem Hintergrund lässt sich verstehen, warum jede "demokratische" Wahl im Libanon bisher mit populistischen und teilweise sogar radikaleren Mitteln angegangen wurde. Junge Menschen, mit denen ich über Politik ins Gespräch kam, sind vor allem enttäuscht und hoffnungslos wenn es um Demokrarie geht: Sie sehen ihre politische Führung als sehr korrupt, der Konfessionalismus in der Politik verhindert jede Art der Demokratie und die letzte Wahl liegt bereits 9 Jahre zurück - Probleme wie Populismus in Deutschland sehen daneben wie ein aktiver demokratische Prozess aus!