POLEN | Masurische Impressionen: Zeit der unendlichen Seen und Wälder
Der Zeitpunkt, Polen für sich zu entdecken, ist wohl kaum besser gewählt als jetzt. Unser östlicher Nachbar mit ca. 40 Millionen Einwohnern wird Mitglied der EU. Die unterschiedlichen Landstriche, Städte sind vielfältig und voller kultureller Besonderheiten.
Der Zeitpunkt, Polen für sich zu entdecken, ist wohl kaum besser gewählt als jetzt. Unser östlicher Nachbar mit ca. 40 Millionen Einwohnern wird Mitglied der EU. Die unterschiedlichen Landstriche, Städte sind vielfältig und voller kultureller Besonderheiten. Ein spezieller Reiz geht von der Gegend im Nordosten Polens aus, die unter dem Namen Masuren (zum Teil mit dem Zusatz „Seenplatte“ versehen) einigen bekannt sein sollte.
Als ich mit meiner Familie im Oktober vergangenen Jahres mit einem Wohnwagen im Schlepptau, diese Region bereiste, hatte ich dies nicht so erwartet. Der Weg dahin zieht sich schon etwas wie ein altes Kaugummi, egal ob man mit dem Auto oder der Bahn unterwegs ist. Mit dieser sind übrigens die bekannteren Städte gut zu erreichen. Auch die Straßen erwiesen sich als unerwartet gut und waren teilweise frisch „renoviert“. Die blauen Schilder mit dem Sternenkreis deuten auf den finanziellen Einfluss, den die EU hier schon heute ausübt.
In Masuren selber und vor allem auch immer mal wieder abseits der Hauptstraßen empfangen den Fahrenden endlose Alleen. Mal etwas lichter, mal als richtiges Blätterdach über den Wegen, die dadurch geschützt wie auch abgedunkelt wirken, kann man die Baumreihen im Herbst in allen Farben sehen und genießen. Und zwischen den Bäumen findet sich der zweite ständiger Begleiter, wenn auch in wechselnden Rollen: ein See. Die Seen, in allen Formen und Größen, haben alle ihre besondere Geschichte und Stimmung - manchmal wechselnd nach Wind und Wetter.
Erstes Ziel unserer Reise ist Allenstein/Olsztyn. Die größte Stadt in Masuren bietet eine fast vollständig restaurierte Altstadt, dazu eine Burg mit masurischem Museum. Kopernikus hat hier lange Zeit gelebt. Allerdings wirkt die Innenstadt selber ein wenig museal, wie ein Fremdkörper in der Stadt. Denn schon die Ausstattung der Geschäfte lässt auf rein touristische Nachfrage schließen. Wer die einheimische Bevölkerung sehen möchte, geht lieber auf den etwas außerhalb gelegenen Markt. Allenstein ist zwar einen Abstecher wert, aber das Besondere erschließt sich hier nicht.
Weiter geht es nach Mikolajki/Nikolaiken, ins Herz der Seenplatte. Diese Stadt muss im Sommer fast nur von Touristen bevölkert sein. Überall hängen „Zimmer zu vermieten“-Schilder. Es gibt kleine und große Pensionen, aber nur wenig Hotels - dazu Geschäfte und Restaurants. Aber man kann es sich schlimmer vorstellen, mit riesigen, stilistisch verunstalteten Hotels um den ganzen See. Solcherart findet sich in Mikolajki nur eines. Der Zuspruch liegt nicht zuletzt an der Lage: Selber an der Schnittstelle der Seen Mikolajki und Talty gelegen, kann man sich von hier aus in alle Richtungen auf dem Wasser bewegen. Der See „Sniardwy“, der größte polnische See, liegt direkt hinter dem „Mikolajki-See“. Bootstouren werden in verschiedener Länge angeboten. Der „Sniardwy“ vom Wasser aus ist auf jeden Fall unvergesslich.
Überhaupt Seen: Sie bieten den unbeschreiblichen Vorteil, dass sie still sind. Nur das leichte Glucksen des Wassers berichtet manchmal etwas aus den Tiefen. Von unserem Camping-Platz am See aus (der einzige, der im Herbst noch geöffnet hatte, weil eine Pension dazu gehörte) konnte ich dieses Erlebnis täglich genießen. Einfach nur schauen. Und manchmal denken, wenn’s denn sein muss.
Auch Geschichte kann hier besichtigt werden. Neben den regionalen Sehenswürdigkeiten sowie Zeugnissen der Vergangenheit und Museen, die auch die ostpreußische-deutsche Zeit beschreiben, findet sich in Masuren ein Mahnmahl des zweiten Weltkrieges: Die Wolfsschanze („Wilozy Szaniec“). Das Hauptquartier Adolf Hitlers während der Kriegsführung gegen Russland findet sich in einem Wald nahe Ketrzyn/Rastenburg. Ein ziemlich schäbiges Museum ist auf dem Gelände zu finden, wo am 20. August 1944 der berühmteste Attentatsversuch auf Hitler unter der Führung von General von Stauffenberg scheiterte. Beeindruckend sind vor allem die riesigen Bunker-Anlagen, zum Teil verfallen und von versuchten Sprengungen gezeichnet. Sie befinden sich auf einem großen Areal, das während des Krieges von den Alliierten nicht entdeckt wurde. Man spürt Befriedigung, dass der damalige Faschismus (auch unter aufopfernder Mithilfe der polnischen Bevölkerung) besiegt worden ist. Auf unserem Rückweg nach Deutschland steifen wir noch für einen langen Tag die Ostseeküste östlich von Gdansk /Danzig und nördlich von Elblag/Elbing: Hier liegt das das „Zalew Wislany“ – das „frische Haff“. Das Wasser im Haff ist still und glatt wie ein großer See. Und auch die Ostsee ist vom Stand vor „Krynica Morska“ auf der Nehrung aus betrachtet eher in einer ruhigen Stimmung. Auch hier sind im Oktober keine Touristen, schon gar nicht mit Camping-Wagen. Die Seele baumelt bei Standspaziergängen im leichten Wind, dem Meer zuschauend.
Etwas Wehmut überfällt mich dann auf der Rückreise. So schön hatte ich es nicht erwartet. Zwar hatte ich Filme gesehen und mit Menschen gesprochen, die mir ihre Erfahrungen mitgeteilt hatten. Aber es war trotzdem alles anders. Stiller, schöner, Seen ohne Zeit und manchmal Ort. Das habe ich zumindest gefunden in Masuren.
Wie dieser Artikel entstand: Der Artikel entstand für die von Studenten gemachte Zeitung „Sojus“ in Sachsen. Die Redaktion trifft sich jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat im Semester in der Villa, Lessingstraße 7 in Leipzig.
Kontakt: Sojus e.V. In der Villa Lessingstraße 7 04109 Leipzig T 0341-9803269 F 0341-9603262