Paris, die zweite
Beinahe hätte Bianca ein einsames Silvester in Paris erlebt, doch gerade dadurch lernte sie viele nette Menschen kennen. Auf diese Weise kann man sogar zu einem halben Schneewittchen werden.
In Paris angekommen kämpfte ich mich erstmal mit meinem Gepäck durch das labyrinthartige Metrosystem um zum MIJE zu kommen, einem Jugendhotel, dass ich von meiner Kursfahrt hierher schon kannte und dessen Komfort ich zu schätzen wusste. Na ja, es wurde Abend, bevor ich dort endlich ankam. Ich versuchte sogleich, Jan und Rosita zu erreichen und erfuhr, dass ihr Flug gecancelt worden war und ich Silvester somit alleine zubringen durfte - na toll! Da hätte ich ja gleich in Deutschland bleiben können!
Aber nein, nicht ganz. Immerhin hätte ich dann nicht Yuki kennen gelernt, eine Japanerin, die das Zimmer mit mir teilte. Auch sie war allein an diesem Tag, so dass wir spontan beschlossen, zusammen das neue Jahr zu begrüßen! Im Laufe unserer Konversation stellten wir u.a. fest, dass unsere Namen ähnliche Bedeutungen haben: Yuki ist Japanisch und bedeutet „Schnee“, mein Name bedeutet „Weiß“. Seit dieser Entdeckung stellten wir uns nur noch als „Blanche-Neige“ vor, dem französischen Pendant zu Schneewittchen und die wörtliche Übertragung unserer Namen ^^.
Zum Eiffelturm sind wir nicht mehr vorgedrungen, denn als wir uns gegen neun auf den Weg machten, war der Platz schon derart bevölkert, dass kein Durchkommen mehr war. Machte nix, wir sind dann zum Arc de Triomphe gegangen. Von dort kann man den Eiffelturm ja auch sehen. Auch dort waren einige Leute auf der Straße, um zu feiern und wir haben zwei Schweizer getroffen, mit denen wir schlussendlich zusammen gefeiert haben. Um ehrlich zu sein: Ich war ein wenig enttäuscht, denn ein Feuerwerk gab es nicht! Im Nachhinein hat man mir erklärt, dass das hier gar keine Tradition hat das neue Jahr mit Feuerwerk zu begrüßen, das wird eher am Nationalfeiertag gemacht. Der einzig erhellende Moment waren die Lichtspiele des Eiffelturms…
Was habe ich in Paris sonst noch so angestellt? Neujahr habe ich Charlène, Loïc und friends in ihrer Wohnung im chinesischen Viertel besucht, das war cool! Ihre Wohnung ist riesig! Wir saßen bis früh morgens zusammen, so dass ich mein Schlafdefizit erst am 02. Januar nachgeholt habe. Außerdem habe ich an diesem Tag das MIJE verlassen, nachdem die anderen eh nicht da waren, hielt mich da nicht viel. Dass ich eine gute Entscheidung getroffen hatte, zeigte sich nun, als ich das „D’Artagnan“ betrat, eine Jugendherberge, in der ich umsonst wohnen konnte, da ich ja für die gleiche Dachorganisation arbeite. Sowas habe ich vorher noch nicht gesehen, ein riesiger Speisesaal mit angeschlossener Bar, unten ebenfalls eine Bar, ein eigenes Kino, das man umsonst besuchen kann, Bühne, Tanzfläche, Spielautomaten, Billardtisch, Waschsalon, wohnen auf acht Etagen! Unglaublich! Warum war ich da nicht von vornherein?
Am folgenden Tag sollte ich endlich Vianney treffen, den Koordinator, der mir meine Stelle hier verschafft hat. Irgendwie hatte ich leichte Schwierigkeiten, die Rue Pajol zu finden, aber letzten Endes habe ich den FUAJ-Hauptsitz entdeckt und Vianney hat mich – ganz typisch französisch – zum Döneressen eingeladen ^^. War sympathisch. Anschließend habe ich meinem Lieblingsviertel in Paris einen ausgedehnten Besuch abgestattet: Montmartre. Drei Stunden habe ich dort zugebracht, habe mich malen lassen und einfach die Atmosphäre genossen, mich nochmal von Sacre Cœur beeindrucken lassen und mich mit einem Künstler angefreundet, der mich zum Salsatanzen einladen wollte. Danach bin ich einem Insider-Tipp gefolgt und habe den Tour Montparnasse aufgesucht, einen Turm von 209 Metern Höhe, der den Ruf genießt, den schönsten Ausblick über die Stadt zu bieten. Ich bin noch bei Tageslicht dort angekommen und ein Fahrstuhl hat mich in 38 Sekunden in den 56. Stock katapultiert (das war ein Druck auf den Ohren, schlimmer als im Flugzeug!), das entspricht etwa 198 Metern Höhe. Die letzten Meter zur Aussichtsplattform musste man per Treppe erklimmen. War das ein sensationeller Anblick, der sich mir da bot! Ich habe eine Stunde dort gestanden, den Sonnenuntergang beobachtet und Paris bei Nacht gesehen. Ich bin vermutlich doch ein hoffnungsloser Romantiker. Aber das war es mir wert!
Am 04.01. bin ich die 284 Stufen zum Arc de Triomphe hinaufgestiegen (ÄCHZ), da eine von den Freiwilligen, die ich am Flughafen getroffen hatte, mir dazu geraten hatte. Und sie hatte Recht, so zu tun! Man überblickt den ganzen „Etoile“, diesen einzigartigen Knotenpunkt, dessen Strassen in zwölf Richtungen führen. Die bekannteste darunter ist vermutlich die Champs-Elysée, deren Verlauf man bis zum Horizont verfolgen kann. Dann, ganz im Sinne einer komplementierten Tour durch Paris, war ich im Rodin-Museum und habe eine Führung mitgemacht. Ah, was habe ich da bisher verpasst! Ich habe eine Bildungslücke aufgefüllt und weiß nun manches über den guten Mann zu sagen. Das Höllentor. Die drei Schatten. Ugolino. Der Denker, der erst der Dichter hieß. Aber ich reiße mich hier zusammen, in dem Bewusstsein, dass das nicht jeden interessiert ^^.
Als ich am Abend zum Essen in die JH zurückkehrte, machte ich die Bekanntschaft von mehreren Amerikanern, die die vergangenen Wochen in Afrika zugebracht hatten. Ich habe spannenden Geschichten gelauscht und ein bisschen von dem erzählt, was ich so mache… Jedenfalls führte unsere Konversation dazu, dass ich meine vorgesehene Bootstour auf der Seine nicht alleine machen musste, Brandon kam mit ^^. Irgendwie war die Tour kürzer als auf dem Flyer verzeichnet, denn die Original-Freiheitsstatue haben wir nicht gesehen. Aber wir hatten ja immer noch unsere Füße und so haben wir uns im Anschluss an die Tour einfach zu Fuß auf den Weg gemacht, immer der Nase nach. Und wir haben sie gefunden! Das Modell der Freiheitsstatue! Mitten auf der Seine! Es war ein herrlicher Abend.
Meinen letzten Tag in Paris habe ich für einen Ausflug geopfert, den ich schon letztes Mal unternehmen wollte: Versailles! Der Morgen begrüßte mich erstmal mit Schnee, als ob er wüsste, dass ich ausgerechnet heute viel im Freien sein würde. Ich ließ mir die Stimmung nicht vermiesen, kaufte mir mein RER-Ticket und versuchtre den richtigen Zug zu finden… Ähem… Warum gibt es dafür keine Anleitung? Zunächst habe ich nämlich eine falsche Entscheidung getroffen, musste umdrehen, mein Ticket umtauschen et cetera. Anderthalb Stunden später habe ich schließlich Versailles erreicht und habe fast den ganzen Tag dort verbracht. Das Schloss ist riesig, und überall in der Stadt findet man Gebäude, die noch dazu gehören. Wahnsinn! Bei meinem Glück allerdings war der Spiegelsaal grade in Restauration, man konnte nur die Hälfte des Prachtsaals bewundern, was aber auch schon beeindruckend war!
Als ich am Abend Versailles den Rücken kehrte, hatte ich keine Lust sofort zur JH zurückzukehren und stattete Les Halles einen kleinen Besuch ab, Paris’ Megaeinkaufszentrum. Von der Existenz eines Shoppingparadieses nahe Disneyworld habe ich leider erst zu spät Kenntnis erlangt; so habe ich mich mit Les Halles ein bisschen getröstet. Les Halles ist eine Welt für sich, ich habe mich einfach mal schlafwandlerisch durch die Gänge bewegt, hier und da in einen Laden reingeschaut, aber nichts gekauft (wovon auch?). Schlussendlich musste ich aber doch in die Jugendherberge zurück und packen, denn am nächsten Morgen hieß es: BRIVE, ich komme!
Die letzte Woche lässt sich (ausnahmsweise mal) kurz zusammenfassen: ich habe meine Freunde wieder gesehen, wir haben ein bisschen was zusammen unternommen, ich habe an dieser sacré (= verdammten) E-Mail gearbeitet und mich piercen lassen. Voilà, also nichts besonderes, da die JH ja noch immer zu hat.