Otros Mentalidades
Die erste Woche in Spanien voller Überraschungen und neuer Erfahrungen.
Ich glaube wirklich, dass es noch einige Zeit dauert ehe ich die ganz persönliche Zeitrechnung der Spanier so richtig verstanden habe. Morgens beginnt der Arbeitstag so gegen 10 Uhr (plus/minus eine halbe Stunde) und nach mindestens 1h Mittagspause gegen 13:00 Uhr, ist auch 17:00 Uhr schon wieder alles vorbei. Allerdings nützt einem das auch nicht so viel, da die übliche Abfahrtszeit der Busse meist noch eine traditionelle Verspätung von sensationellen 15-30 min. nach sich zieht. So sitzt man da, spürt die heiße Sonne auf der Haut und wirft als pünktlichkeitsliebender Mitteleuropäer minütlich einen hoffnungsfrohen Blick auf das Ende der Straße, um die Ankunft des Busses auch ja nicht doch zu verpassen, während die Einheimischen gemütlich einen schattigen Platz suchen und erst noch entspannt, genüsslich einen kleinen Nachmittagssnack zu sich nehmen...
Diese Besonderheiten gehören zu den eher gewöhnungsbedürftigen Erfahrungen, die ich nach meiner ersten Woche, hier in Katalonien, machen durfte. Bereits an meinem ersten Arbeitstag, kam ich aufgrund dieser südlichen Gemütlichkeit unsagbare 60 min. zu spät. Nach unzähligen Bedauerungen und peinlich berührten Entschuldigungen meinerseits, sah ich in vollkommen entspannte Gesichter meiner Kollegen, deren einzige Sorge war, dass sie mich nicht erreichen konnten. Sie hatten sogar ein Banner über der Eingangstreppe aufgehängt mit der Aufschrift "Welcome Nicola", womit wir auch später noch ein Foto machten.
Ohne auch nur einen bösen Blick oder Rüge ihrerseits wurde schnell eine zuverlässigere >Hust< Bushaltestelle für mich gesucht. Damit ich diese auch am nächsten Morgen finden würde, wurde der Plan für den vormittäglichen Ausflug mit mir und Sandra's Gruppe kurzfristig geändert und wir begaben uns zurück nach Manresa, wo eine 9 köpfige Gruppe von Behinderten, Sandra und ich von meiner Wohnung zum Busbahnhof und zurück spazierten, nur um mir den Weg auch sicher einprägen zu können.
Nach unserer Rückkehr waren unsere "Kinder" vollkommen erschöpft und freuten sich auf das Mittagessen, welches ich gemeinsam mit den anderen Betreuern in einem abgetrennten Raum zu mir nahm. Nach vorsichtigen Klopfen öffnete ich die Tür und mir strahlten 4 begeistert lachende Gesichter entgegen. Im Anschluss an die übliche Begrüßung, die ich übrigens inzwischen meisterlich beherrsche, begann eine wunderbare Unterhaltung, die auch meinen weiteren Aufenthalt im "occupational centre" prägen sollte. Bei einem Wirrwar von spanisch, katalanisch und englischen Wortfetzen wurde ich schließlich einmal komplett ausgefragt und lernte nebenbei meine Kollegen super kennen.
Eine Zuccinisuppe, Eierkuchen, Apfelmus, Brot und Salat später, führten wir unsere lebhafte Unterhaltung auf einer schnell ausgebreiteten Decke draußen vor dem Gebäude im Halbschatten fort. Doch nach 15 min. wurde es für Paul und mich Zeit, zum Schwimmbad hinüber zu schlendern. Dort beaufsichtigten wir die Kinder, die von der Schule für behinderte Jugendliche, gleich nebenan, zu uns herüber kamen, um im Gras liegend zu entspannen oder das kühle Nass zu genießen. Ein kurzes Gespräch mit einem jungen Mädchen, in einfachem Englisch, über meine Lieblingsfarbe und Ähnliches, versüßte uns die Zeit und ließ mich über die vielseitige Arbeit und Möglichkeiten für die Behinderten hier staunen.
Nachdem 90 min. verstrichen waren, begleitete ich Paul zur nächsten Aktivität: dem Boccia (Botcha), das hier bei allen sehr beliebt ist. Bei einem mitreißenden und enthusiastischen Spiel verging die Zeit, sowie mein erster Arbeitstag unglaublich schnell. Im Rückblick bin ich ausgesprochen glücklich mit meiner Arbeit und den Menschen, mit denen ich hier zusammenarbeite. Es ist ein wunderschönes Gefühl die Behinderten unterstützen zu können und auf der anderen Seite so viel Dankbarkeit zu erhalten. Viele der Bewohner sprechen sogar ein klein wenig Englisch und freuen sich über jede Neuigkeit die wir austauschen. Immer mehr begeistert mich der Aufbau und das Konzept meiner Aufnahmeorganisation:
Die AMPANS Organisation befindet sich zum Großteil in einem abgegrenzten Areal in Santpedor, das sich aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Gebäudekomplexen zusammensetzt. Im "occupational centre" befinden sich hauptsächlich Menschen mit einer sehr leichten Behinderung, die nur den Tag über betreut und nachmittags von ihren Familien abgeholte werden. In der "residence", dem Arbeitsplatz einer meiner Mitbewohnerinnen Marie, arbeitet man mit schwer behinderten Menschen, die in speziellen Wohnungen das ganze Jahr über dort untergebracht sind. Außerdem betreut die Organisation viele Außenstellen, unter anderem in Manresa oder arbeitet mit Krankenhäusern zusammen, in denen man sich beispielsweise zum Boccia spielen trifft.Gemeinsam mit meinen zwei Mitbewohnerinnen: Marie aus Österreich und Magda aus Polen wurde uns nämlich am Dienstag von den Leitern das komplette Programm vorgestellt.
Glücklicherweise bin ich jetzt nicht mehr allein, sondern habe endlich zwei tolle Mädels hier in der Wohnung. Bis auf die Tatsache, dass Maries Koffer leider nicht wie vereinbart nach Barcelona mitgereist, sondern stattdessen den Umweg über Nürnberg gemacht und heute am Sonntag endlich wieder aufgetaucht ist, und dass Magda erst am Dienstag gegen 1 Uhr früh anreiste, wobei ich ihr im Schlafanzug und mit zerzausten Haaren die Tür öffnete, ist alles gut gelaufen und wir verstehen uns super!
Marie und ich teilen sogar die Leidenschaft für Volleyball, woraufhin uns Alba am späten Dienstagabend gleich mit zum Training ihrer Tochter Berta im nahegelegenen Volleyballverein in Santpedor entführte. Nach schweißtreibenden 90 min. waren wir restlos begeistert von der Atmosphäre und dem Kontakt mit beinahe Gleichaltrigen. Leider hat die Sache einen Haken, nämlich ein stolzer Preis von mindestens 300 Euro für ein halbes Jahr Mitgliedschaft, dass wir bei unserem monatlichen Freiwilligengeld nur sehr schwer bezahlen können. Doch vielleicht finden wir noch eine Möglichkeit, die sich mir zumindest auch gleich am Donnerstag bot. Ein junger Kollege bei der Arbeit berichtete mir von einem Handballverein in der Nähe, der auch eine Frauenmannschaft besitzt. Daraufhin stellte Alba mich dem Coach vor. Ich habe bereits am nächsten Dienstag die Chance mir das Training anzusehen. Ein weiterer Pluspunkt ist auch, dass viele der Mitspielerinnen französisch sprechen, weshalb ich nun auch eine weitere Fremdsprache vertiefen, anwenden und mich mit einigen der Mädels gut unterhalten kann.
Aber gute Spanischkenntnisse wären doch langsam mal echt nicht schlecht. Daher nahm uns Alba am Donnerstag, mit zu unserer spanischen Sprachschule in Manresa. Ein freundlicher Lehrer vereinbarte mit uns die ersten Stunde am nächsten Mittwoch, worauf wir 3 uns schon richtig freuen. Bei unserer weiteren Tour durch die Stadt regelten wir die ersten Auszahlungen für diesen Monat und setzten uns anschließend in ein hübsches Cafe, von denen es hier an jeder Straßenecke eines gibt. Dort quatschten wir bestimmt 1 1/2 h über die Schulsysteme in den verschiedenen Ländern, sowie Sprachkenntnisse und andere Dinge. Die lustige Unterhaltung auf Englisch, bei der jeder etwas beizutragen hatte, setzten wir auch auf unserem weiteren Weg durch die Straßen fort.
Wir lernten den "Abacus" kennen, ein wirklich schöner Schreibwarenladen, in dem wir uns mit Schulsachen eindecken können und 2 heimische Theater, wobei wir das Programm später noch bei unserem Mittagessen in einer nahen Pizzeria studierten. Vorher allerdings präsentierte uns Alba noch ihre Arbeitsstelle. Das "Consell Comarcal del Bages", wo viele verschiedene Abteilungen u. a. für Umwelt, Finanzen,... zusammenarbeiten. Dort verließ sie uns dann schon wieder und wir machten uns auf Nahrungssuche, welche uns an einem süßen Cupcake Laden und einem Shop für besondere Gewürze u. ä. vorbeiführte. Nachdem wir uns bei Pizza und Pasta gestärkt hatten, trennten sich unsere Wege, da Marie noch arbeiten musste. Magda ließ sich ihren Nasenpiercing neu stechen und ich bereitete mich zurück in der Wohnung auf die Fahrt zum Handballverein vor.
Alles in allem war das wirklich ein gelungener Tag und ich war schon gespannt auf den nächsten. Einerseits weil ich diesmal gern, das doch eigentlich gar nicht so schwere Busfahren, auf die Reihe krigen wollte und andererseits, weil ich viel Spaß und neue Erlebnisse mit den Behinderten und Betreuern erwartete.
Vorsichtshalber nahm ich daher auch an dem nächsten Morgen den Bus (gegen 9 Uhr) und war in den Augen der Kollegen viel zu zeitig da. Fast überfordert mit einer so überpünklichen Ankunft vertrödelte ich schließlich die Zeit mit duolingo Spanischlernen, bis Sandra's Gruppe und ich, uns gemeinsam zu einem Krankenhaus in Manresa, speziell für Rollstuhlfahrer aufmachten. Es ist wirklich eine unglaubliche Tortour 2 Rollstühle in einem kleinen Bus zu vertäuen, bei dem ich mir garantiert vielerlei blaue Flecken geholt hätte, doch dank Sandra verlief dies ohne Probleme. Nach einem spaßigen Boccia Spiel mit uns und den Bewohnern des Krankenhauses, dem Mittagessen und der Aufsicht im Schwimmbad, fand sich wieder eine kleine Gruppe zum Boccia spielen in meiner Einrichtung zusammen. Während des Spiels unterhielt ich mich mit Oli, der sehr introvertiert ist, aber super englisch und auch ein wenig japanisch spricht. Er freut sich jedesmal mit mir reden zu können und teilte mir mit, dass er sich dies alles selbst beigebracht hat. Ich war wirklich total begeistert. Nachdem mir auch noch einer der Bewohner eine selbstgemachte Zeichnung für mich überreichte, fuhr ich überglücklich nachhause.
Den nächsten Tag wollten wir entspannt in der Wohnung verbringen und das Wetter war anscheinend auch unserer Meinung. Es regnete in Strömen und war wirklich ungewohnt kalt. Zum Glück begann es erst zu tröpfeln, als wir auf dem Rückweg vom "Mercadona", einem großen Supermarkt waren, bei dem wir uns mit allem Grundlegenden eindeckten. Wir müssen für Außenstehende ein echt komisches Bild abgegeben haben, da wir einen vollbepackten geblümten Einkaufsrolli, zahlreiche Tüten und Beutel die Straßen hinauf zurück zu unserer Wohnung bugsierten. Später, als wir endlich alles verstaut hatten, setzten wir uns erstmal und entspannten bei Gemüsereis und Kuchen. Diesen buken wir, nach dem Essen, da wir Magdas Geburtstag am Donnerstag leider noch nicht so richtig feiern konnten. Obwohl wir dem Ofen, sowie dem veganen Rezept (Magda ist Veganerin) erst einmal sehr skeptisch gegenüberstanden, war das Ergebnis des Schokokuchens mit Erdbeermarmelade ausgesprochen lecker, wenn auch nur einen gut geschätzten Zentimeter hoch.
Da wir nun endlich auch Waschmittel im Haus hatten, wagten wir uns anschließend erstmalig an die Waschmaschine heran und waren hinterher stolz auf 2 Ladungen saubere Wäsche. Nach ein wenig spanisch lernen, lesen und einem gemeinsamen Abendbrot beendeten wir auch schon unseren "Chilltag".
Schließlich wollten wir uns heute auf nach Terraga zum Straßentheater Festival machen, doch wiedereinmal machten uns die öffentlichen Verkehrsmittel einen Strich durch die Rechnung. Der Bus nach Terraga war wohl doch zu einer anderen Zeit abgefahren. Der nächste würde erst gegen 16:00 Uhr losfahren. Resigniert pausierten Marie und ich, Magda fühlte sich nicht so wohl und blieb zuhause, auf einem der Bänke in der Bahnhofshalle und überlegte, was wir denn nun mit dem angebrochenen Tag anfangen sollten.
Ein Blick auf die Anzeigetafel brachte uns auf die Idee doch den nächsten Zug nach Terrassa zu nehmen, da uns ein kurzer Blick bei Google sehr schöne Plätze in dieser Stadt anzeigte. Kurz entschlossen stiegen wir ein und fuhren 40 min. lang vorbei an wunderschönen Städten, hohen Bergen und weiten Ebenen.
Angekommen beschlossen wir zunächst zum "Tourist Office" zu gehen, dessen moderne Bauweise uns wirklich überraschte und indem wir uns gleich mit ausreichend Infomaterial eindecken konnten. Auf der weiteren Tour, besuchten wir das Technikmuseum, in dem viele praktische Anwendungen und orginal getreue Ausstellungsstücke das Technikerlebnis komplett machten. Weiterhin besuchten wir das "Casa Alegre De Sagrera". Ein altes restauriertes Haus einer Familie aus dem 19. Jhd. mit tollen Gemälden, Wandmalereien und Einrichtungsgegenständen. Eine kurze Rast legten wir schließlich an unserem letzten Punkt, dem "Parc de Vallparadis" ein. Zwischen den hohen Bäumen lauschten wir einer Sängerin begleitet von einer Gitarre, deren wunderschöner Gesang durch den ganzen Park drang. Damit wir nicht schon wieder den Zug verpassen, holte sich Marie noch schnell einen "Latte to go" und wir reisten pünktlich zurück.
Nach einem kleinen Rückweg über die Basilica de la Seu erreichten wir die Wohnung und tranken erstmal einen großen Schluck Leitungswasser, dass man zwar trinken kann, aber unglaublich eklig nach Chlor schmeckt.
Glücklich essen wir nun noch eine Kleinigkeit und gehen dann vermutlich früh ins Bett, denn morgen erwartet uns ein neues spannendes Abenteuer. Ihr wollt wissen wo und was wir erleben werden? Dann lest einfach meinen nächsten Eintrag und bis dahin:
Ciao mis amigos
Mein Lied des Tages:
It's raining men - weather girls