Ostern Total
Johannson hat in Lodz ein ganz besonderes Osterfest verbracht und alle Messen besucht. "Es ist Ostern, und niemand feiert so wie das Land, das sich selbst als gekreuzigt und wiederauferstanden sieht."
Wow. Seit Weihnachten als Kind hatte ich nicht mehr so das Gefühl, dass wirklich etwas ganz besonderes geschieht. Es ist Ostern, und niemand feiert so wie das Land, das sich selbst als gekreuzigt und wiederauferstanden sieht.
Die Passionszeit
Ostern hatte sich bereits die Passionszeit über angekündigt. Leider habe ich das meiste davon in Magdeburg verpasst. Einige Wochen vorher hatte ich in Warschau bereits einem Kreuzweg beigewohnt. Zum Palmsonntag war ich wieder in der Stadt und ging mit Monika selbstverständlich zur Kirche. Auf dem Weg kamen uns bereits viele Leute mit Blumen und Farnblättern entgegen. Wir kauften auch einen Strauß, der dann in der Messe geweiht und danach zum Verblühen ins Haus gestellt wird.
Donnerstag
Die eigentlichen Feiertage begannen eine Woche später am Donnerstagabend. Ich fuhr zur Kirche in der Nähe meines alten Wohnheims, kam aber nicht zum letzten Mal an diesem Wochenende zu spät. Die erste große Messe lief bereits seit einer Stunde, und auch wenn sie noch eine weitere Stunde dauerte, ärgere ich mich sehr. Denn Ostern ist nur einmal im Jahr, und sichtlich das wichtigste religiöse Fest im Kalender. Christus ist vom Kreuz genommen oder verhüllt, liegt dafür unter einem Schleier in einem symbolischen Grab umgeben von Blumen, wo die Menschen beten; die alten Frauen küssen seine Füße. Statt nur eines Priesters war am Altar die gesamte Kirchenhierarchie bis zum Bischof angetreten, eine lange Reihe von Männern in goldenen Röcken. Die Kirche war voll wie immer, aber weit mehr Sonntagskleidung als an Sonntagen. Die Orgel hallte durch die Kuppel, der Chor sang, die Gemeinde sang lauter als sonst, es war wundervoll.
Karfreitag (Großer Freitag)
Karfreitag habe ich mit Monika in Warschau am großen, traditionellen Kreuzweg teilgenommen. Dabei wird ein großes Kreuz über eine Kreisroute vom Schloss über den Königstrakt, den Pilsudskiplatz und zurück zum Schloss getragen. Es wird 15 Mal angehalten, je zu einer Leidensstation Christi. Auf jedem Abschnitt trägt eine andere gesellschaftliche Gruppe das Kreuz, angeführt wird der Zug von Abordnungen der Kirche, der Armee, Veteranen, Pfadfinder etc. Letztere halten Lautsprecher, über die die Stimme des Pfarrers ganz vorne übertragen wird. Bei jeder Station kniet die Menge nieder, sagt eine bestimmte Formel, es gibt eine kurze Predigt, zwischen den Abschnitten singt es aus den Lautsprechern und je nach echter Frömmigkeit aus den Gläubigen. Am Ende waren alle kalt und müde, aber es war wiederum war es eine sehr beeindruckende Erfahrung. Es war bereits dunkel, Fackeln gaben Licht, vor der Kaserne am Pilsudskiplatz stand ein Chor der Armee und sang 'Oh Haupt voll Blut und Wunden' auf Polnisch.
Karsamstag (Großer Samstag)
Das Osterwochenende ist das einzige im Jahr, an dem keine regelmäßigen Messen stattfinden. Die Kirchen sind natürlich durchweg offen. Samstag liegt der Gekreuzigte noch aufgebart, und die Leute scheinen wirklich betroffen von seinem Tod. Alle kommen mit Blumen und Essen in kleinen Bastkörbchen, die geweiht und am Sonntag gegessen werden. Vor den Beichtstühlen sind lange Schlangen.
Erst abends findet eine große Messe statt, an der ich zurück in der Lodzer Kathedrale teilnahm. Das beeindruckendsten, was ich in Kirchen gesehen habe. Kein Wunder, denn nachdem drei Tage getrauert wurde, bereitet man die Gemeinde nun an die bevorstehende Auferstehung, den endgültigen Sieg über Ursünde und Tod vor. Selbst hier sind das für die meisten erkennbar nur Formeln, aber das lässt immer noch bemerkenswert viele, für die es wirklich etwas bedeutet, und das merkt man. Dementsprechend ist der Gottesdienst ist ein Großangriff auf alle Sinne: hier sieht man, warum die katholische Kirche in den letzten Jahren Boden zurück gewinnen konnte. Knappe drei Stunden, vom Bischof persönlich geleitet, das erste Mal, dass ich seinen roten Spitzhut und goldenen Stab außerhalb einer Sakristei sehe. Die typisch katholische, prächtige Raumausstattung, kombiniert mit den glänzenden Gewändern der Priester berührt das Auge. Für die Ohren klingt die Orgel durch das große Gebäude und der exzellente Domchor macht aus den Liedern echte Geschichten: als die drei Marias zum leeren Grab kommen, singt plötzlich eine klare Frauenstimme, sie hat einen Engel gesehen. Selbst die Nase ist irgendwann mit dem Geruch von Weihrauch beschäftigt. Am Ende zog der Bischof mit seinen Pfarrern durch die Menge, spritzte Weihwasser nach beiden Seiten, wozu sich alle bekreuzigen, und verschwand in der Sakristei an der Seite. Nach drei Stunden konnte ich kein weiteres Halleluja singen, war schwach auf den Beinen und draußen war es dunkel geworden. Aber auch wenn viele Leute die Zeit erkennbar absitzen wie jedes Jahr, verlässt ein Fremder die Kathedrale wirklich dem diffusen Gefühl, diese Nacht würde wirklich etwas Wichtiges geschehen.
Ostersonntag
Die große Messe am Sonntag ist die 'Resurekcja', die 'Auferstehung' – morgens um sechs. Vermutlich mit göttlicher Hilfe komme ich um fünf ohne Probleme aus dem Bett, bin wach und auf einmal gesund. Die Kathedrale ist bereits voll, ich finde zum Glück noch einen Platz. Alles steht kurz auf, als der Bischof durchs Schiff läuft, noch vor Beginn der Messe. Dann läutet das Glöckchen, wir stehen wieder auf, Orgel und Sänger legen los und eine Prozession bewegt sich durch den Mittelgang plötzlich wieder aus der Kirche hinaus. Angeführt wird sie von Bannerträgern und Doppelreihen aus Priestern und Nonnen. Nach ihnen hält ein älterer Geistlicher eine Monstranz in die Höhe, die von einem portablen Baldachin geschützt wird. Ihm gefolgt von der Gemeinde. Der Zug bewegt sich dreimal um die Kirche, durch Außenlautsprecher stets beschallt von der Musik aus dem Innern und verhalten mitsingend. Davon hatte ich gehört, und die Utensilien in Museen betrachtet, aber es noch nie selbst gesehen. Nach der ersten Umrundung kehren immer mehr Menschen durch die Seiteneingänge in die Kirche zurück, ich will natürlich alles bis zum Ende sehen. Zurück im Schiff merke ich, warum: keine Chance mehr auf einen Sitzplatz. Diese Messe dauert nur zwei Stunden, wie am Vortag wird die normale Struktur ausgebaut mit speziellen Oster-Eucharistien und besonderes Gebeten. Am Ende weiht der Bischof wieder alle, bevor er als erster aus der Kirche zieht.
Ostermontag
Sonntag und Montagabend gehe ich noch zu Gottesdiensten, um zu sehen ob es noch etwas besonders gibt, aber es werden nur noch die normalen Messen gelesen. Montag gibt es eigentlich die Tradition, Mitmenschen einen Eimer Wasser ins Gesicht zu schütten, aber davon habe ich nichts gesehen. Erst Dienstag sind die Feiertage vorbei. Bis dahin sind die Straßen leer und wer nicht rechtzeitig einkaufen war, lebt von Kebabs.