One month later
May hat im letzten Monat viel erlebt. Die Arbeit mit den Kindern macht ihr riesigen Spaß und sie hatte Besuch aus Deutschland. Mit diesem verbrachte sie schöne Tage, unter anderem in Athen.
Nachdem ich schon besorgte Anrufe erhalten habe, was denn mit mir los sei, widme ich diesen Abend endlich mal wieder meinem Tagebuch. Mittlerweile ist soviel passiert, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Ich unternehme jetzt also den Versuch, die Ereignisse ein bisschen zu ordnen...
Volunteers
Unsere Volunteerfamily hat Zuwachs bekommen. Vor ungefähr einem Monat kam Greta aus Ungarn hier an. Sie ist 24, hat Psychologie studiert und arbeitet mit Anne in einem Kindergarten Projekt in Xylokastro. Außerdem ist sie immer für Überraschungen gut. Nach anfänglich Bedenken unsererseits, die natürlich niemand zugeben wollte, haben wir festgestellt, dass man mit ihr wirklich gut reden kann. Nicht weil sie studierte Psychologin, sondern weil sie einfach eine Nette ist... Mit den anderen Freiwilligen ist, bis auf ein paar kleine Unstimmigkeiten ab und zu, alles in bester Ordnung.
Nachdem ich jetzt drei Wochen lang (Gründe später) bei Anne und Greta in Xylokastro gelebt habe, fiel mir die Trennung vom Stadtleben und den beiden etwas schwer, aber nachdem ich auch von meinen Vasilikoschwestern Annemari und Klara herzlich aufgenommen und gleich wieder ins tägliche Leben integriert wurde ("Können wir deinen Baileys trinken?"), genieße ich jetzt die etwas ruhigere (normalerweise kommt die mir eher isolierend und langweilig vor) Bergatmosphäre. Da kann ich endlich mal alles erledigen, wozu ich in letzter Zeit nicht gekommen bin: Wäsche waschen, Putzen, Aufräumen, Griechisch nachlernen, Flöte spielen, Maniküre...
Organisation
Unsere lieben Betreuer Eva und Efthimios haben nun, vor drei Wochen, in Ungarn (Evas Heimatland) geheiratet... Cute... =) Deswegen wurden wir auch für zehn Tage nach Xylokastro (bessere Busverbindung zur Arbeit) umquartiert. Außer den Ringen haben die beiden noch leckere Hochzeitssüßigkeiten und eine starke Erkältung mitgebracht. Wir Freiwilligen haben, nett wie wir sind, zusammengelegt und ein Kochbuch gekauft, das, wie uns allerdings erst im Nachhinein aufgefallen ist, als Titel "Einfaches Kochen für Studenten" hatte. Na jaaa... Der Wille zählt, oder?
Innerhalb der Organisation scheint es allerdings trotz des privaten Glücks einige Probleme zu geben, denn aus unerfindlichen Gründen oder eigentlich deswegen, weil die Nationalagentur kein Geld rausrückt, kommt bis auf eine Österreicherin im Dezember, erst einmal niemand in ein Projekt. Das ist natürlich sehr schaden für die Leute, die noch bis zum Frühling bleiben... Denn obwohl Efthimios versuchte, uns mit verschiedenen Metaphern und philosophischen Gesprächen davon zu überzeugen, unser Projekt zu verlängern, hat sich dazu niemand bereit erklärt (Arbeit daheim, Schule...). Im Moment ist sowieso jeder ein bisschen gereizt.
Wir dürfen nämlich, da es ja noch überhaupt nicht nötig ist bei 14 Grad, in unseren Schlafzimmern nicht heizen. Das macht noch niemand in Griechenland... Schön für die Griechen, aber sitzen die dann auch mit zwei Pullis, Skisocken, Snowboardanorak und Wolldecke vor dem Fernseher? Ich weiß ja nicht. Wir haben allerdings schon Überlebensstrategien entwickelt. Wir machen Sport vor dem Duschen, essen nur noch warme Mahlzeiten und Annemari und Klara versuchen gerade, sich mit meinem Baileys von innen zu wärmen.
Arbeit
Die Arbeit im Kindergarten macht mir immer noch Spaß, doch, doch, auch wenn böse Zungen behaupten, dass ein Kinderwunsch, nach sechs Monaten mit den lieben Kleinen, für den Rest des Lebens vergessen ist... NEIN! Stimmt nicht. Auch wenn man manches als "Erwachsener" nicht ganz nachvollziehen kann (warum spuckt, beißt, schreit, schlägt das Kind gerade?), ist die Zeit mit meinen Minigriechen toll. Ich weiß jetzt schon, dass ich sie vermissen werde, wenn ich mich von ihnen verabschieden muss... Seufz... Mittlerweile habe ich auch schon ein Lieblingskinderlied (Aaaaa-taaaa-tuck-tuck-tuck), bei dem ich fast mehr abgehe als die Kleinen, von denen manche wirklich schon einen Shakirahüftschwung drauf haben, das solltet ihr sehen!
Heute haben Annemari und ich uns mal künstlerisch betätigt und Weihnachtsdekoration für die Fenster gebastelt. Ich bin richtig stolz auf mein "Engelchen-Tannenbaum-Mobile". Ein Keyboard hab ich mittlerweile auch bekommen, sodass ich bei der Weihnachtsfeier ein bisschen begleiten kann. Seit Neuestem werden wir auch verköstigt, das heißt, wir dürfen zusammen mit den Kindern essen. Das Essen ist köstlich, nur leider trägt es nicht sehr zu unseren Diätplänen bei. Na ja, wenn die Heizung weiterhin abgeschaltet bleibt, brauchen wir die Fettschicht sowieso, um nicht zu erfrieren. ;) Ansonsten gibt es von der Arbeit nicht mehr viel zu berichten.
Ereignisse und Unternehmungen
Ich hatte Besuch aus Deutschland. Die Andis (Andrea und Andreas, für die, die sie nicht kennen) waren hier und haben ein bisschen griechische Luft geschnuppert. Zuerst war es sehr, sehr komisch jemanden aus meinen "alten Leben in Deutschland" hier in meinem "griechischen Leben" zu haben, aber nach zwei Tagen hab ich es genossen, ihnen alles zeigen zu können, von daheim zu erfahren und einfach die Zeit mit ihnen zu verbringen.
a) Navplio
Zusammen mit Greta haben wir uns mit dem Bus auf nach Navplio, einer Künstlerstadt an der Nordostküste der Peleponnes, gemacht (hab ich schon mal beschrieben). Abgesehen von einem nicht bekömmlichen Nagasaki - Saganaki - war der Ausflug auch wirklich toll. Die Stadt war wegen des Nationalfeiertags am nächsten Tag sehr belebt, die Geschäfte geöffnet und wir konnten herumbummeln. Der Aufstieg zur Festung hat sich für die Andi dann weniger, für Greta und mich wegen der Aussicht sehr, und für den Andi am meisten gelohnt, denn er traf auf einen baptistischen Pfarrer aus Florida, mit dem er eine geschlagene Stunde über diverse Bibelstellen diskutiert hat. Ergebnis: Ich besitze nun eine griechische Bibel. Ich habe meinen Wortschatz um mindestens zehn religiöse Vokabeln erweitert.
Abends hatten wir dann allerdings ein kleines Problem, da wir den Bus um acht nehmen mussten und dann etwas verlassen in Korinth herumstanden, von wo aus natürlich KEIN Bus mehr nach Xylokastro ging. Kreativ, flexibel und geduldig wie wir sind, war das natürlich kein Problem für uns und schlussendlich sind wir wohlbehalten in Xylokastro angekommen... (Details bitte nachfragen=).
b) Nationalfeiertag
Dem konnte man gar nicht entgehen. Schon Tage vorher mussten wir im Kindergarten Lieder über den 2. Weltkrieg, Mussolini und Nationalstolz lernen, griechische Flaggen auf jede erdenkliche Art imitieren (weißes Popcorn auf blaues Tonpapier kleben) und mit den Kleinen Gedichte üben. Am Sonntag, 28.Oktober, war es dann soweit. Nach dem Aufwand, den wir miterlebt haben, hätten wir allerdings mehr als eine kleine Parade und die Verlesung der im Krieg Gefallenen erwartet. Na ja. Es war trotzdem interessant zu sehen, wie ein Land so etwas feiert, vor allem, weil es in Deutschland undenkbar wäre. Für Interessierte hier die Gesichte, wie ich sie gehört habe (keine Garantie):
Also: 2. Weltkrieg: Italien wollte durch Griechenland marschieren. Griechenland hat das verweigert und erfolgreich gegen die Italiener gekämpft. Auch Deutschland durfte nicht passieren. Gegen die Deutschen haben sie zwar dann verloren, aber wegen der Verzögerung konnten die Soldaten nicht schnell genug nach Russland gelangen, weswegen Deutschland dort letztendlich den Krieg verlor. Ich weiß, ganz neutral und faktentreu ist das nicht, omos afti ine i historia, nae? Was ich davon halte dreijährige Kinder, steif mit angelegten Händen vor ihren Stühlen zu stellen und die griechische Nationalhymne singen zu lassen, sage ich jetzt lieber nicht...
c) Alt- und Akrokorinth
Dieser Ausflug, wieder in der Kombi Greta + Andis + ich, war wirklich toll. Auch wenn die Meinungen über die Bedeutung der Tempelanlagen manchmal sehr auseinander ging, haben wir alle die Aussicht von der Spitze des akrokorinthischen Berges genossen. Man hat ein Gefühl, als wäre man über die Welt erhaben. Unter einem geht das Leben auf den Straßen und in den Häusern weiter, aber man selbst ist zeitlos da oben. Das Gefühl kann man kaum beschreiben - man muss es selbst erleben. Außerdem kamen, nachdem die Barende jegliches Leben dort vernichtet hatten, zarte, grüne Pflänzchen zwischen dem schwarzen Gestein hervor, was sehr faszinierend war zu sehen, wie Leben entsteht.
d) Kässpätzleessen
Jaaa... wir (Andis und ich) hatten beschlossen, den anderen Freiwilligen einmal die kulinarischen Köstlichkeiten unserer Gegend daheim nahezubringen und haben (ohne Spätzlehobel!!!) einen Riesenberg an Kässpätzle fabriziert. Wie zu erwarten war (räusper) hat es allen super geschmeckt, was aber auch daran liegen könnte, das der Hunger nach zweistündigem Warten einfach zu groß war. ;)
e) Athen
Donnerstag: Nachdem Efthimios uns leider über zwei Stunden vor dem Kindergarten warten ließ, brachen Karel und die Andi schon mal nach Athen auf, währned ich mit dem Andi, nachdem ich dann auch endlich zuhause war und gepackt hatte, mit dem Abendzug nachkam. Netterweise hatte die Andi schon eine Jugendherberge namens "Victor Hugo" *(ja, Mama!) organisiert, die sehr alt und somit interessant für mich, sauber, billig und günstig gelegen war... Am ersten Abend haben wir dann allerdings nicht mehr viel unternommen, nachdem unser Versuch, die Akropolis zu finden fehl geschlagen war... Aber ein bisschen Schlaf war auch nicht schlecht.
Freitag: Nachdem wir es geschafft hatten, Nutella für unser Frühstück zu organisieren, wurden wir mit einem weiteren Fehlschlag unseres Orientierungsvermögens bedacht, da wir (erneut) nicht fähig waren die Akropolis zu finden. Aber das Frühstück in dem kleinen Park, immerhin mit SICHT auf die alten Gemäuer, war auch nicht schlecht. Man sollte meinen, dass dann wenigstens der Rest des Tages positiv verlief.
Sollte man. Falls man unseren Orientierungssinn kennt, hat man da vielleicht schon eher Zweifel. Nach zahllosen Versuchen die Karte zu lesen, Athens Bewohner nach dem Weg zu fragen (gut, ich konnte auf Griechisch fragen, leider verstand ich die griechische Antwort nicht immer), landeten Andi und ich (die Andi war bummeln), schließlich nicht Im THEATER, sondern VOR dem archäologischen Museum, wo wir dann resigniert herumsaßen. Zumindest entdeckte Andi dann später in einem Bücherladen die griechische CD, die sie toll fand, und ich konnte meinen Frust durch den Kauf eines braunen Wollkleides im H&M (ja, wir mussten nach dem Weg dorthin fragen), bekämpfen.
Abends schafften wir es dann aber tatsächlich uns mit Karel und seinem Freund Elko auf den Felsen vor der Akropolis zu treffen und die Aussicht aufs nächtliche Athen zu genießen. Leider musste Adi dabei Bekanntschaft mit einer der wenigern kriminellen Naturen Athens machen, die Karel ausrauben wollte, nach dessen Bemerkung, das sein Handy alt sei, aber wieder verschwand (Anfänger?). Nach diesem Schock, haben wir erst mal ausgeschlafen.
Samstag: Nach einem Frühstück im National Garden haben wir uns mit Greta und Anne, die ebenfalls nach Athen gekommen waren, getroffen und sind dann mit Greta in die Nationalgalerie gefahren. Wer mich kennt, weiß, dass ich absolut begeistert war!!! Ich glaube ich bin mit offenem Mund vor den Bildern gestanden und hab sie minutenlang angestarrt... This is my world... Leider war es dann schon zu spät um die Akropolis zu besuchen. Nach einem Kaffe im belebten Viertel Monasteraki, sind Greta und Anne dann weiter - wir irgendwann später in die Jugendherberge gefahren.
Sonntag: ... war der erfolgreichste Tag. Zunächst waren wir auf dem Flohmarkt in Monasteraki, der auch bei Regen, sehenswert ist!!! Soviel Krimskrams, Kuriositäten aber auch alte, wertvolle Stücke auf einem Platz hab ich noch nie gesehen. Nach einen kleinen Einkaufsbummel in verschiedene Geschäfte (ich habe schwarze Ballerinas gefunden!), sind wir dann zur Akropolis aufgebrochen und haben sie tatsächlich (man glaubt es kaum) gefunden. Da am selben Tag ein Marathon in Athen war, war ein bisschen viel los, aber wir haben jetzt viele Fotos mit uns vor dem Parthenon und anderen Säulen.
Abends haben sich Greta und Andi noch mal auf die Akropolisfelsen gesetzt, noch später in der Nach hatten wir dann eine Schokoorgie in der Jugendherberge.
Montag: Tag des Abschieds. Nach einem Besuch im Thetaermuseum (wirklich toll!), sind wir nur noch ein bisschen herumgesessen, haben gegessen und geredet. Nachdem ich dann noch beinahe meinen Zug verpasst hätte (tja... wenigstens ist mir aufgefallen, dass mein Handy in der Jugendherberge lag), haben mich die beiden Andis noch verabschiedet und ich bin zurück in Richtung griechische Heimat getuckert...
Alles in Allem war es wirklich ein traumhafte Zeit mit euch! Danke noch mal für die schönen Tage und für alles Andere (ihr wisst schon).
Back home
So. Ich bin wieder in Vasiliko. Nach der langen Zeit weg, war es seltsam wieder zurückzukehren, aber wie gesagt: das geruhsame Leben tut mir jetzt ganz gut, auch wenn ich noch viel Mails und Briefe zu schreiben, Vokabeln zu lernen und Wäsche zu bügeln habe. Mir ist aufgefallen, dass ich nun schon fast vier Monate hier bin! Das ist unglaublich! Ich werde schon fast trübsinnig bei dem Gedanken, dass ich mich in eineinhalb Monaten von den anderen Freiwilligen, den Kinder und meinem ganzen griechischen Leben verabschieden soll. Das kann ich mir im Moment noch gar nicht vorstellen, auch wenn ich mich natürlich auch auf daheim freue... Na ja, wir haben aber auch noch einige...
Pläne
Von diversen Parties, zum Filmfestival in Thessaloniki, hab ich noch eine Menge vor. Da langsam auch Weihnachtsstimmung aufkommt, werd ich mich wohl auch bald ans Plätzchenbacken machen. Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke will ich auch noch kaufen und machen, also Langeweile kommt bestimmt keine auf.
Da es schon spät ist und ich ein paar Stunden Schlaf nachholen muss, verabschiede ich mich für heute und gelobe Besserung in der Berichterstattung =). Kalinichta, eure May.
P.S.: Wenn ich Fotos habe, versuche ich, den PC dazu zu bringen, sie hochzuladen und stelle sie hier rein.