On arrival training in Zderaz
Endlich, die 5 Tage auf die ich mich schon seit Monaten gefreut habe und die mich nicht entäuscht haben.
Ganz Horazdovice wird gecheckt haben, dass Emma jetzt auf ihr on arrival training fährt, als ich früh morgends mit meinem Rollkoffer zum Bahnhof gerattert bin. Besonders in der morgendlichen Stille kommt mir dieses typische Rollkoffergeräusch unnatürlich laut vor.
Es ist noch ganz dunkel, die Straßen sind nebelverhangen. Außer mir läuft niemand um diese Zeit in der kleinen Stadt herum und ich bin echt neidisch auf alle die noch in ihrem Bett liegen dürfen.
Die Bahn ist dann doch erstaunlich voll, es gibt viele Pendler und Schüler, die unter der Woche täglich nach Pilsen müssen. Wir fahren in den Sonnenaufgang hinein, auch wenn Sonnenstrahlen gegen die dichte Wolkendecke heute keine Chance haben, verwandelt Morgenrot die Berge durch die der Regiozug rast in eine rosarote magische Welt.
Mit Zugpersonal werde ich aber definitiv kein Glück heute haben. Meine Reservierung im nächsten Zug wird nicht angezeigt und ich nehme erstmal auf dem Boden Platz, wofür ich von der Schaffnerin auf Tschechisch zur Schnecke gemacht werde.
Schließlich erreiche ich Pardubice, eine außerordentlich hässliche Stadt. Den richtigen Bussbahnhof finde ich nicht rechtzeitig, weswegen der Bus weg ist. Meine Mentorin hat mir eigentlich gesagt, dass ich Tickets im Bus kaufen in mir aber ich paranoide versuche es trotzdem am offiziellen Schalter. Die Verkäuferin versteht mich nicht und als ich sie frage ob sie Deutsch oder Englisch verstehen würde, werde ich zum zweiten Mal an diesem Tag angebrüllt.
Später treffe ich dann auf einen anderen Freiwilligen dessen Namen ich von anderen Freiwilligen schon mal kannte. Er reißt einen Witz nach dem anderen und die Zeit im Bus vergeht wie im Flug. Nachdem wir nochmal ein bisschen durch Zderaz gedackelt sind, erreichen wir endlich unser Ziel. Im Eingang begrüßt uns ein Weihnachtsbaum. An der Rezeption kriegen wir Zimmerschlüssel, vor uns sind erst zwei andere Freiwillige angekommen. Nach schwarzem Tee und sehr leckerem Schokokuchen geht es zwei Stunden später endlich mit dem Training los auf das ich mich schon seit Monaten gefreut hatte.
Es sind 13 Nationalitäten unter den Freiwilligen vertreten, die meisten kommen aus Spanien oder Deutschland. Wir lernen uns über speed dating und Fotos besser kennen. Nach dem Abendessen wird noch internationales Werwölfe gespielt und das ein oder andere Bier genossen. Ein halber Liter kostet nur 27 Kronen, also umgerechnet einen Euro, unverschämt günstig. Es wird noch ein langer Abend und einige werden ihn erst gegen 6 Uhr morgens beenden.
Am nächsten Morgen werden wir in Teams aufgeteilt und erkunden unsere Umgebung. Wir versuchen uns an Land-art, haben viel Spaß auf der großen Holz-Hollywood-Schaukel im Wald, finden tschechische Freunde, merkwürdige Orte und schreiben Gedichte. Danach begeben wir uns auf die Reise eines Helden, die unsere Zeit im Freiwilligendienst beschreiben soll. Auf einem Spaziergang durch den Wald sprechen wir mit den anderen über ihr esk, über Warums, die Arbeit, Probleme und entdecken, dass wir damit echt nicht alleine sind. Mir wird das erste Mal so richtig bewusst in welcher tollen Gemeinschaft aus Freiwilligen ich mich befinde. Später geht es noch Diskussionsrunden zu verschiedenen Themen wie Politik und Geschichte, aber auch Rassismus. Es hat mich teilweise sehr schockiert, auch was andere Freiwillige für Erfahrungen gemacht haben.
Wir beenden den Tag mit Evaluationsrunden und dem Film Kolja, den ich jedem nur ans Herz legen kann. Es ist ein typisch tschechischer Film, der sogar einen Oskar gewann, in dem es um einen Musiker geht der zwangsmäßig einen kleinen Jungen adoptiert, weil seine Mutter in den Westen abgehauen ist. So einige haben Rotz und Wasser geheult.
Am Sonntag geht es wandern. Wir erkunden die berühmten Felsschluchten ganz in der Nähe. Zwischen den Felsen lässt es sich super klettern und ich bin hin und weg. Später geht es um kulturelle Unterschiede, den berühmten Kulturschock. Am Abend basteln wir Traumfänger und bei einem Spiel entwickelt sich der,, Running Gag“ der nächsten Tage.
An unserem letzten Tag geht es um unsere Leidenschaften und Talente und wir basteln Vision boards mit unseren Zielen, Wünschen und Träumen, die wir bis zum midterm training realisieren wollen. Schließlich schließen wir das on arrival training ab, mit Kerzenzeremonie und Gruppenkuscheln. Die Tage sind unfassbar schnell vergangen. Es werden erste Verabredungen getroffen und unsere WhatsApp Gruppe vervollständigt.
Später feiern wir in der so genannten Garage und die Spanier erfüllen alle Cliches die es beim Tanzen so über sie gibt. Neben denen kann man das was wir Deutsche fabrizieren nicht als tanzen bezeichnen. Zu einer Party gehört natürlich auch jede Menge Gossip. An der Bar entstehen Mind maps zu Beziehungen von verschiedenen Leuten und das Cliche , dass Leute von Eurasmus nur das eine im Kopf haben ist eines das auf so einige definitiv zutrifft. Wir lachen viel und gröhlen zu Riptide und Seniorita.
Doch auch viel Alkohol und wenig Schlaf können am nächsten Morgen nicht über die melancholische Abschiedsstimmung hinwegtäuschen und den Fakt, dass einige von uns sich erst in 3 Monaten wiedersehen werden.
Die Zeit in den 5 Tagen ist uns davongelaufen. Mir hat das Training viel gebracht und ich hätte mir gewünscht dass es mindestens noch eine Woche weitergehen würde.
Bei mir hat es besonders bewirkt, dass ich mich als einzige Freiwillige in einem größeren Umkreis hier nicht mehr alleine fühle und Tschechien wirklich zu meiner Heimat geworden ist.