Oktoberwinter
Habe ich in meinem letzten Bericht noch optimistisch vom Oktobersommer gesprochen, so kann ich jetzt, nur zwei Wochen später, das ganze schon um 180 Grad drehen, auch wenn das Thermometer „nur“ 25 Grad weniger anzeigt. Denn pünktlich zur Zeitumstellung hat sich auch das Wetter geändert. Doch auch vieles Anderes ist in den letzten zwei Wochen geschehen.
So möchte ich zuerst von unserer großen Theaterpremiere schreiben. Nach langer Probenzeit und noch längerer Arbeitszeit bezüglich der Requisiten und Kostüme war es nämlich so weit: Geschätzt 30 Zuschauer kamen und sahen die kurze, aber humoristische und ergreifende Liebesgeschichte des Troubadours, der mit Esel, Hund, Katze und Hahn durch das Land zieht, um schließlich erfolglos beim eitlen König um die Hand der Prinzessin anzuhalten. Als dieser jedoch nach einem Überfall heimtückischer Räuber durch den Troubadour und seine ungewöhnlichen Freunde gerettet wird, gibt der König ihm und seiner Tochter den Segen.
Die Freude und Begeisterung, die dabei von der Bühne auf die Zuschauer übertragen wurde, war einmalig. So wurde geklatscht, gesungen, gelacht und danach bei Keksen und Tee miteinander geredet. Stolz und erleichtert konnten alle nach Hause gehen. Meinen Spitznamen „Karol“ – König werde ich wahrscheinlich nicht allzu schnell loswerden.
Auch in unserer Freizeit sind wir (noch) nicht im Winterschlaf. Um das kalte, aber sonnige Wetter bestmöglich zu nutzen, waren wir – ausgeruht durch die Zusatzstunde der Zeitumstellung – am Sonntag früh auf den Beinen. Unser Ziel hieß Căpriana. Das Kloster dessen wichtige kulturelle Bedeutung nicht zuletzt durch den Abdruck auf der 1 Leu Banknote bestätigt wird und etwa 40 km nordwestlich der Hauptstadt liegt. Nach kurzer Suche war die richtige Marschrutka (etwa 15-sitziger Minibus) gefunden und wir nahmen Platz. Hier wird die Abfahrt jedoch nicht von einem Fahrplan festgeschrieben, sondern einfach gewartet bis der Bus voll ist. „Voll“ liegt hier allein in der Einschätzung des Fahrers. (Vorsicht Witz: „Wie viele Personen passen in eine Marschrutka? – Eine mehr!“) Nach holpriger Fahrt kamen wir an der besagten Klosteranlage an, die laut meinem Reiseführer „einem russischen Märchenfilm entsprungen“ sein könnte. In der Tat liegt die Hauptkirche (Winterkirche) des Klosters mit ihren vielen Türmchen malerisch im Tal und auf den Gipfeln der Hügel zauberte uns der Frost weiße Wälder. Nach einem Spaziergang durch den angrenzenden Wald und kurzer Begegnung mit zwei Kühen, brachen wir auch schon wieder auf nach Chişinău. Beim gemeinsamen Essen daraufhin trotzten wir der Kälte, die hier auch in den Wohnungen spürbar ist. Zumindest in unserer WG wird noch vergeblich auf ein Rauschen in den Heizungsleitungen gewartet. Doch wie immer gilt: Es gibt kein falsches Wetter, nur die falsche Kleidung. Und so genießen wir Freiwillige hier den Herbst, egal ob sommer- oder winterlich.
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