Ohne Gewähr auf Vollständigkeit
Schottische Odysseen im öffentlichen Nahverkehr - da mutet Autofahren auf der linken Seite geradezu harmlos an. Daneben gibt es feuchtfröhliche Parties, unzählige Bergbesteigungen und Übernachtungen bei wildfremden Leuten in Freddys Bericht über die letzten Wochen.
Und schon wieder ein Monat rum… wie die Zeit vergeht!
Was ich ganz vergessen habe: ich habe mein driver assessment bestanden und kurve also seit einem Monat durch Schottland auf der linken Seite. Ist gar nicht so schlimm, wenn andere Autos da sind, kann man sich an denen orientieren. Und wenn nicht ist es ja egal, auf welcher Seite man fährt. Ganz so einfach ist es natürlich nicht, aber selbst der rechte Arm haut nicht mehr gegen die Fahrertür, wenn man schalten möchte und da die Gänge und die Pedale ja identisch sind, ist das Ganze auch nur halb so schwer.
Braendam Alltag
Wenn es so etwas überhaupt gibt. Am Montag hatte ein neuer Stay angefangen und wir sind gleich am Abend zu Disney on Ice nach Glasgow gefahren, war echt lustig. Bei diesem Stay hatten wir fünf Kinder zwischen ein und zwei Jahren. Ich kann nicht ganz verstehen, warum Kinder der Meinung sind, sie müssten schreien, wenn das Kind neben ihnen schreit, aber irgendwie haben wir es trotzdem geschafft.
Am Mittwoch hatte ich frei und ich wollte Callander Crag besteigen, was leider wegen Baumfällarbeiten gesperrt war, so habe ich das aufregende Rob Roy Visitor Centre besucht. Ich sage Euch, das war toll! Zum Glück konnte ich es auf Grund eines Meetings im Filmraum umsonst angucken, sonst hätte ich noch 4 £ für einen 30-Meter-Rundgang bezahlt. So habe ich zwar den Film verpasst, aber ich denke nicht, dass er es noch rausgerissen hätte. Aber man es muss ja zumindest mal gesehen haben.
Am Freitag war ich dann zum ersten und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht letzten Mal im Blair Dummond Safari Park. Dieser wird normalerweise jeden Stay besucht, aber ich hatte es die letzten anderthalb Monate durch meine Schichten nicht geschafft, mitzukommen. Über den Winter schließt er, aber ich habe danach noch sechs Monate, um ihn zu besuchen. Man muss halt auch beim 17. Mal Safari Park noch alles ganz toll finden können, aber Begeisterung zu spielen ist wohl eines der einfacheren Dinge.
Am Sonntag waren wir in Callander auf einem Red Big Suirrel Stroll, da ja - wie jeder weiß - die Woche des einheimischen Roten Eichhörnchens war, das von dem bösen amerikanischen Grauen Eichhörnchen vertrieben wird.
Damit ihr mal eine Vorstellung bekomme, wo ich denn Hause, habe ich eine Frontaufnahme vom Braendam Haus gemacht. Der zweite Stock ist Staffbereich, wobei mein Zimmer auf der rechten Seite nach hinten raus liegt. Zwischendurch bin ich meinem Bürgerrecht gefolgt und habe per Briefwahl zu diesem Ergebnis beigetragen und ich hätte nicht gedacht, das die hier soviel über die deutsche Wahl berichten. Liegt wohl daran, dass wir die stärkste Wirtschaftsmacht Europas und der zweithöchste Importeur britischer Waren sind. Ich darf sogar hier wählen, habe mich aber nicht eingetragen, da ich ehrlich gesagt nicht so richtig den Plan von den britischen Parteien habe.
Abschiedsdinner und Alkoholprobleme
Am Dienstag, den 20.09. stand dann mal wieder ein Abschied an. Gill verließ nach sechs Monaten Braendam und Julia nach vier Monaten Teilzeitfreiwilligkeitsarbeit (sprich drei von neun Tagen Stay). Gill wollte keine Abschiedsparty veranstalten, so haben wir uns zu einem Abschiedsessen im “The Crown”, unserer Stammkneipe in Thornhill (welche zu meiner Verwunderung auch ein nettes Restaurant hat), getroffen. Ich hatte genüsslich drei Pint Bier getrunken und wollte auch gar nicht mehr trinken, da kam Allan, Hazels Mann, auf die Idee, allen was auszugeben - so hatte ich ein neuen Pint. Zehn Minuten später hatte Richard, der Braendam gerade analysiert, die gleiche Idee und dann auch noch Brian. So kam es zu der Situation, dass ich zweieinhalbe Pints vor mir stehen hatte, welche ich natürlich ohne zu meckern bewältigte. Als Richard mir während eines Gespräches dann noch einen Whisky ausgab, war ich froh, dass sonst keiner mehr der Meinung war, einen Ausgeben zu müssen, die Gesellschaft sich langsam auflöste und ich in mein Bett konnte. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich im Gegensatz zu Gill nicht auf allen vieren vom Auto in mein Zimmer kriechen musste.
Das mit dem Alkohol ist hier an sich so eine Sache: wenn ich zum Beispiel in Edinburgh über die Royal Mile laufe und in die Pubs gucke, sind die schon alle am Trinken. Die fangen wirklich frühnachmittags an, sich das erste Bier zu genehmigen. Das könnte ich schon allein aus Kostengründen nicht, in Malvern habe ich doch tatsächlich sechs 275-ml-Flaschen Beck’s für 6.35 £ gesehen. Das sind 3.85 £ pro Liter, also ca. 5,50 Euro! Ich kann es mir gar nicht leisten, zuviel Alkohol zu trinken. Alkohol ist jedoch in Großbritannien, vor allem unter Jugendlichen, wohl ein großes Problem.
Am Donnerstag sind Sarah, Karolin und ich dann zum ersten Mal zum Scottish Country Dancing nach Callander gegangen. Wir haben den Altersdurchschnitt zwar so auf die 50 runtergezogen, aber es war supernett und wir tanzen jetzt regelmäßig, wenn es die Schichten zulassen. Das ganze sind Gruppentänze mit meist vier Paaren. Es wirkt am Anfang etwas wüst, macht aber total Spaß!
Multikulti im (für mich) Süden der Insel
Am Montag, den 26.09. ging es für mich auf nach Malvern. Das liegt in England and der Grenze zu Wales und ich brauchte nur sieben Stunden mit dem Zug. Da sie mich beim letzten Training vergessen hatten, musste ich einen etwas weiteren Weg auf mich nehmen. Ich musste (wie so oft) auf die Toilette, wollte 20 Pence sparen, und die im Zug benutzen. Da wurde ich, da ich eine Platzreservierung hatte, ans vordere Ende des Zuges geschickt. Ich also mit Gepäck, Jacke, Zeitung, Getränk und Essen am Ende angekommen, da wurde bekannt gegeben, dass der Zug von einem anderen Gleis abfährt, natürlich am anderen Ende der Station.
Wie auch immer, es trafen sich 15 Freiwillige aus ganz Großbritannien! Na ja, ganz Großbritannien war etwas übertrieben, sechs kamen aus Breadford/Leeds, drei aus Nordlondon, fünf waren aus irgendwie dazwischen und ich aus Schottland. Das Ganze war ein Mix aus sieben Deutschen, wovon eine halb Italienerin war, einem Italiener, einer Polin, welche ebenfalls halb Italienerin war, drei Spaniern, einer Schwedin, die aber eigentlich aus Spanien kommt, einer Französin und einem Kolumbianer. Außerdem war da noch die Lorrain aus England, die Seminarleiterin, und Yvor aus den Niederlanden, welcher solche Seminare dort durchführt und mal ein anderes sehen wollte.
Das Seminar war echt „reläxxed“, vor allem da man jede Stunde eine kurze 15-minütige Teepause macht. Wir sind als Gruppenhydraulische Maßnahme die Malvern Hills (425 Meter) hochgeklettert und als einige von der Aussicht schwärmten, merkte ich, dass ich von Schottland wohl ein wenig verwöhnt bin. Am ersten Abend waren wir in einem Pub und haben versucht, uns gegenseitig Kartenspiele beizubringen. Die beiden anderen Abende haben wir jeweils etwa zwei Stunden Prominentenraten (klingt jetzt etwas langweilig, war aber ein Heidenspaß) und andere Spiele gespielt.
AGM und Ceilidh
Am 29.09. ging es wieder ab nach Hause. Am Abend wurde noch schnell zwei Stunden getanzt und dann am 30.09. machte ich mich auf zum Annual General Meeting Braendam, welches ungefähr genau so spannend war, wie jede andere Jahreshauptversammlung.
Viel spannender war meine erste Ceilidh am Abend in Port of Menteith. Ceilidh Dancing ist schneller als Scottish Country Dancing und macht mir noch mehr Spaß, mag aber auch daran liegen, dass es mehr eine Feier war und nicht nur Unterricht. Für uns war es allerdings Unterricht, da wir keinen Plan von den Schritten hatten. Was uns aber nicht daran hinderte, die ersten auf der Tanzfläche zu sein und dann darauf zu warten, bis anderen kamen, die wir kopieren konnten. Es waren Paartänze und 4er-Paartänze bis zu 12er-Paartänzen und ist, wenn man merkt, dass man immer nur bis acht zählen muss, auch gar nicht so schwierig.
Fahrradtour
Am Tag der Deutschen Einheit hatte ich frei und ich dachte, ich zelebriere ihn mit einer kleinen Radtour. So bin ich also am Loch Venachar entlangeradelt, am Loch Achray vorbei bis zum Duke’s Pass, welcher nur existiert, damit Touris ihn entlangfahren können und die schöne Aussicht genießen können (auf 243 Metern Höhe!). Danach bin ich über Aberfoyle und der David Marshall Lodge, Port of Menteith und Thornhill zurück nach Braendam. Das Ganze hat fünf Stunden gedauert, von denen ich vier auf dem Fahrrad saß. Dementsprechend bin ich danach auf dem Sofa eingeschlafen - bis mich Karolin weckte und fragte, ob ich das Video noch gucken möchte oder sie ihr neu erworbene DVD angucken kann.
Schottische Geschichte mit Sicherheitsalarm
Am Dienstag sind wir mit den Familien den Ben A’an (461 Meter) hochgeklettert, welcher trotz seiner geringen Höhe eine herrliche Aussicht über Loch Katrine, the Trossachs und die Anfänge der Highlands bietet. Am Donnerstag waren wir nach einem kurzen Abstecher beim David Stirling Memorial im Stirling Castle. Dort kam Richard - wohlgemerkt ein Vater - auf die glorreiche Idee, das Schild “Nicht Betreten – Wird von Detektoren überwacht” zu ignorieren und über die Absperrung in einen eigentlich total langweiligen Schlafraum von Wachposten zu hüpfen, woraufhin ein verdammt lauter Signalton ertönte, den man wahrscheinlich in der ganzen Burg hören konnte. Wir sind dann ganz unauffällig (wie alle anderen Besucher auch) weitergegangen und nach fünf Minuten verstummte der Alarm auch schon, ohne dass jemand erschien.
Edinburgh-Odyssee
Nach einen eher ruhigen freien Montag (10.10.) sind wir gestern nach Edinburgh gefahren. Ich dachte mir, es wäre netter, eine Nacht in Edinburgh zu verbringen, um hier mal rauszukommen. So schrieb ich also Mattias , dem Schweden, bei dem ich letztes Mal mit Annkathrin übernachtete, eine EMail. Leider antwortete er, dass jemand aus seiner WG heiratet und so kein Platz sei. David aus Spanien, einen anderen Mitbewohner der WG, brauchte ich dann ja nicht zu fragen. Da fiel mir Manu ein, eine Freiwillige, welche ich in Eisenach auf meinem Ausreiseseminar traf. Leider hat sie sehr wüste Regeln in ihrem Projekt, unter anderem, dass keine männlichen Gäste bei ihr übernachten dürfen. Sie gab mir aber die Nummer von Beate, die sie auf einem anderen Seminar getroffen hatte. So habe ich also einfach mal Beate angerufen, nach dem Motto:”Hey, Du kennst mich zwar nicht und ich kenn Dich nicht, aber kann ich bei Dir pennen?”. Ging klar, das Blöde war nur, dass die Verbindung dank des Regens sehr schlecht war, und ich so eine lückenhafte Wegbeschreibung hatte. In Edinburgh angekommen bin ich erstmal Salisbury Crags und Arthur’s Seat (251 Meter) hochgeklettert, ein Hügel, der mitten in Edinburgh liegt, leider war es bewölkt und ich hatte auf dem Gipfel etwa 20 Meter Sichtweite.
Danach nahm ich noch ein paar Touri-Dinger wie die Camera Obscura mit und suchte den Bus nach Prestonpans. Ich fand dann auch die Haltestelle auf der Karte, die so klang, wie das, was ich durchs Telefon verstanden hatte. Da ich aber keine Ahnung hatte, wo das war, merkte ich mir - klug wie ich bin - einfach die drei Stationen davor, um rechtzeitig den roten Stopknopf zu drücken. Leider merkte ich schnell, dass die Stationen kein großes Namensschild haben, man also aus dem Bus nicht erkennen kann, wo man gerade ist. Darauf habe ich ein älteres Ehepaar gefragt, aber leider gerieten die bei der Beschreibung untereinander in einen kleinen Streit, da sie sich nicht sicher waren, ob da denn nu so'n blödes Kraftwerk kommt oder nicht. Hat mir also kein Stück weitergeholfen. Deshalb habe ich einfach den Busfahrer gebeten, er solle mich doch bitte bei Johnnie Cope Stone rausschmeißen. Hat er auch gemacht, doch es war Railway Bridge, eine Haltestelle zu früh. So bin ich einfach zur nächsten Station gelaufen, welche aber leider von einer anderen Linie war. Das hat mich ungefähr 40 Minuten gekostet. Als ich dann zurück war, bin ich in einen anderen Bus der gleichen Linie gestiegen und habe den Busfahrer meine Situation erklärt. Der meinte nur, dass dies Johnny Cope Stone sei, und auf meine Erwiderung, dass da aber Railway Bridge dransteht meinte er nur, dass der Stein doch da vorne läge. Wie auch immer, ich war wohl richtig. So habe ich beschlossen, Beate anzurufen und mir den Straßennamen geben zu lassen, um mich durchfragen zu können, da ihre Wegbeschreibung meiner Meinung nach nicht mit den örtlichen Gegebenheiten übereinstimmten. Da ich leider am Anfang in die falsche Richtung gestartet bin, brauchte ich dann nochmal eine knappe Stunde, um endlich anzukommen. Da es den ganzen Tag durchgehend geregnet hatte, war ich komplett nass.
Zum Glück hatten wir den Plan, noch in einen Pub zu gehen, auf Grund des Wetters gestrichen, denn ich war wirklich komplett nass. Für die Nacht hatte ich sogar eine Matratze und eine richtige Decke - ich hatte mich geistig schon auf Schlafsack und Couch vorbereitet. So bin ich dann einigermaßen ausgeschlafen am Morgen aufgewacht und bin mit dem Bus und getrockneten Klamotten zurück in die Old Town, dem Stadtzentrum Edinburghs.
Da Manu noch arbeiten musste, habe ich mir den Tag mit (kostenlosen) Attraktionen wie der National Gallery of Scotland und der Tartan Weaving Mill & Exhibition vertrieben. Leider blieben uns zwischen ihrem Arbeitsschluss und meinem letzten Zug genau 50 Minuten für einen Kaffee und Informationsaustausch. Am Gleis angekommen wurden wir noch per Lautsprecherdurchsagen von dem einen zu dem anderen gescheucht, um dann 20 Minuten verspätet abzufahren. Leider hielten wir zwischendurch nochmal an, da wir ja nicht in den Fahrplan der ganzen anderen Züge passten. So wurden aus den geplanten 40 Minuten dann zehn, die ich hatte, um zum Stirlingbusbahnhof zu laufen und den richtigen Bus zu finden. Da ich diesen aber noch nie benutzt hatte, habe ich erst versucht, die Fahrpläne zu studieren. Leider war da nur der Zielort angegeben, aber durch Fragen der Busfahrer habe ich es dann noch rechtzeitig geschafft. Was ich ganz vergessen habe, am 26.09. ist Soner aus der Türkei zu uns gestoßen und morgen wird Sonja aus Norwegen eintreffen, dann sind wir sechs. Irgendwann soll dann noch Alessandro aus Italien kommen, um die glorreichen Sieben zu vervollständigen, bis dann im Dezember Karolin schon wieder geht. Langweilig wird’s hier also nicht.
Soweit von hier.
Mir geht’s gut!
Freddy
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