Oh, wie schön ist Panama
Was anderthalb Wochen in Deutschland mit Panama zu tun haben, über Heinrich Böll und Europas Zukunft und warum spontane Planänderungen einen inspirieren können. (09.06.2019)
„Oh, wie schön ist Panama“, so heißt eine Kindergeschichte von Janosch, die über die Erlebnisse vom kleinen Tiger und dem kleinen Bär erzählt. Diese Geschichte habe ich von Kindesbeinen an gerne gehört und auch in zwei Büchern, die ich in den letzten Monaten gelesen habe, wurde sie thematisiert.
Der kleine Tiger und der kleine Bär leben gemeinsam in einem Haus in der Nähe eines Flusses. Eines Tags finden sie eine Kiste mit der Aufschrift „Panama“, die im Wasser treibt. Am Holz hängt noch der Geruch von Bananen und so wird Panama das Land ihrer Träume, in dem alles schöner, größer und besser ist. Der kleine Tiger und der kleine Bär machen sich also auf, diesen Ort zu finden. Auf ihrer Reise laufen sie aber unbemerkt im Kreis und kommen so schließlich wieder an ihrem alten Zuhause an. Die Zeit hat hier jedoch ihre Spuren hinterlassen, das Haus ist von der Witterung zerstört, das Gestrüpp hat alles überwuchert. So erkennen die beiden Abenteurer ihre alte Heimat nicht wieder, fühlen sich jedoch irgendwie zuhause. Am Boden finden sie ein Stück der Holzkiste, auf dem groß „Panama“ geschrieben steht. In der Annahme endlich das Land ihrer Träume erreicht zu haben, bauen der kleine Tiger und der kleine Bär das Haus wieder auf und leben glücklich in ihrem alten und zugleich neuen Zuhause.
So oder so ähnlich ging es mir die vergangenen Tage, die ich hauptsächlich zuhause bei meiner Familie verbracht habe. Ich bin zwar nicht im Kreis gelaufen, sondern habe mich bewusst von Schweden mit dem Flixbus für ein bisschen Urlaub auf den Heimweg gemacht, aber das Ergebnis ist das selbe. Von Dänemark ging es mit der Fähre nach Rostock und von da weiter mit dem Bus über Berlin nach Leipzig. Vor meinem Freiwilligendienst hatte ich meistens die Einstellung, dass Schweden wunderschöne Natur zu bieten hätte wohingegen Deutschland mir zu „normal“ und nicht so spannend vorkam. Als ich jetzt hingegen durch Brandenburg fuhr, schaute ich aus dem Fenster und musste immer wieder daran denken, wie schön wir hier es doch haben. Ich fand mein Panama, so wie der kleine Tiger und der kleine Bär ihr Panama gefunden haben. Erst aus der Distanz konnten wir erkennen, was wir von nahem nicht gesehen habe: Was unsere Heimat eigentlich Schönes zu bieten hat.
Die anderthalb Wochen in Deutschland boten aber auch weiter Möglichkeiten neue Eindrücke zu gewinnen sowie Freunde wieder zu treffen, die ich seit einer ganzen Weile nicht mehr gesehen habe. So nutzte ich die Zeit, um mit meiner Familie wandern zu gehen, einen entspannten Abend mit Freunden in Leipzig zu genießen, meine Cousine in Halle zu besuchen und schlussendlich für zwei Tage nach Berlin zu fahren. Hier befand sich nämlich der eigentliche Hauptgrund für meine weite Anreise: ein Auswahlseminar für ein Stipendium bei der Heinrich-Böll Stiftung.
Auch wenn ich das Stipendium am Ende nicht bekommen habe, war es doch eine tolle Erfahrung. Nicht nur weil ich die Chance hatte an einer Gruppendiskussion über die Zukunft der Europäischen Union nach den Europawahlen teilzunehmen, mich ausgiebig mit anderen Bewerbern austauschen konnte und während der längeren Mittagspause Zeit hatte an einer Fridays for Future Demonstration teilzunehmen, sondern insbesondere, weil ich so viele inspirierende junge Menschen kennenlernen durfte. Schon alleine deswegen hat es sich absolut gelohnt!
Nach diesen ereignisreichen Tagen in Deutschland sollte es für mich dann eher unspektakulär zurück nach Åmål gehen. Eigentlich. Geplant war mit dem Bus Nachts in Göteborg anzukommen und dort bei Freiwilligen zu übernachten. Nur leider oder im Nachhinein zum Glück gab es mit den Freiwilligen ein kleines Abspracheproblem. Zwar hätte sich das zügig lösen lassen, aber es eröffnete mir die Möglichkeit über Alternativen nachzudenken. Bevor ich die Einladung zum Auswahlworkshop bekommen hatte, wollte ich das lange Wochenende nutzen, um Freunde in Helsingborg und Malmö zu besuchen und einen kleinen Abstecher nach Kopenhagen zu machen. Nun hatte ich Donnerstag und Freitag in Berlin verbracht und saß fast den gesamten Samstag im Bus. Dieser hielt auf dem Weg nach Göteborg auch in Malmö und das gegen 21:30 Uhr sogar noch relativ früh am Abend. Da alle, mit denen der Trip geplant gewesen war, bei anderen Freiwilligen in Malmö übernachteten, die wir beim Mid-term Training kennengelernt hatten, reichte ein kleiner Anruf und ein paar Nachrichten auf WhatsApp und schon konnte ich mir Zugtickets nach Åmål für Sonntag Nachmittag buchen. Anstatt Bus zu fahren und übermüdet in Göteborg anzukommen, hieß es jetzt tanzen gehen und am Sonntag Vormittag zum Strand. Definitiv die bessere Wahl!
Die Erfahrung, wie unkompliziert solche spontanen Planänderungen funktionieren können, wie aus einem scheinbaren Problem ein so grandioses Wochenende werden kann und wie die positive Einstellung und Offenheit anderer einem selbst neue Wege eröffnet, hat mich inspiriert und einmal mehr das Leben feiern lassen. Wenn ich jetzt auf diese anderthalb Wochen zurückschaue, dann fühle ich mich unheimlich glücklich, so etwas erleben zu dürfen. Meine Heimat mit anderen Augen zu sehen, neue Leute zu treffen, die mich inspirieren und mir helfen mich zu entwickeln, und zu fühlen, dass ich genau hier, genau jetzt am richtigen Ort bin. Für mich heißt es damit nicht nur „Oh, wie schön ist Panama“ sondern auch „Oh, wie schön ist dieses Leben“!
comentarios