Non ti preoccupare feeling auf Sizilien
Im Rahmen meines Auslandssemesters, das ich in Catania verbracht habe, hatte ich die Möglichkeit, Sizilien ein wenig kennen zu lernen. Heute möchte ich gerne meine Erfahrungen mit euch teilen.
Solltet ihr jemals die Möglichkeit haben, ins Ausland zu gehen, nutzt diese ! Zu Beginn hatte ich auch gezögert, da ich der Sprache überhaupt nicht mächtig war und nicht wusste, was finanziell auf mich zu kommt. Doch mein Herz hat für diese Idee so sehr geschlagen, die Neugierde war so groß, dass der Traum wahr geworden ist.
Vorwort
Mein Auslandssemester in Catania war ein absolutes Abenteuer, geprägt von Chaos und unglaublicher sizilianischer Gelassenheit. Eine Gelassenheit, die uns Deutschen total fremd ist, und die ich wirklich jeden Tag aufs neue erfuhr in den Standardparolen : ,, Non ti preoccupare" ( zu deutsch: ,,Mach dir keine Sorgen "), tranquilla ( ,, ruhig "), piano ( ,,langsam"), figurati (,,macht nichts!"). Am Anfang fühlte ich mich nicht ernst genommen, als ich immer wieder gesagt bekam, ich solle mir doch keine Sorgen machen, auch bei meinen Problemen- als ob es keine Probleme gebe. Und mittlerweile muss ich sagen, dass ich diese Gelassenheit, die ich einst kritisierte, liebe , da sie einem das unendliche Gefühl der Sorgenfreiheit gibt. Ein Gefühl, das mir in Deutschland absolut fehlt. Wo wir schon bei Gefühlen sind, auch das Zeitfeeling ist auf Sizilien ein anderes. Es ist, als würden die Uhren dort anders ticken, alles langsamer, entspannter sein und an die deutsche Pünktlichkeit sollte man erst gar nicht denken. Ja, es kann sogar vorkommen, dass sich das einstige akademische Viertel auf eine Stunde ausdehnt. Aber trotz dieser Verlangsamung sollte man das italienische Temperament nicht unterschätzen, besonders im Straßenverkehr - fängt auch nur eine Person an zu hupen, startet eine katalysierte Kettenreaktion und alle hupen, auch wenn es keinen Grund gibt, als ob die Ampel davon grüner wird, total konträr zu dieser Gelassenheit.
Wohnmöglichkeiten
Ich hätte es mir niemals so ausgemalt und kann es selbst kaum glauben, dass ich tatsächlich dreimal umgezogen bin und vier verschiedene Zimmer an verschiedenen Orten bewohnt habe. Meine Wohnkarriere startete in dem Wohnheim Toscano Scuderi in der Via Etnea, die sagenhafte einzigartige Hauptstraße die direkt zum Ätna Vulkan führt. Das Wohnheim bietet Doppelzimmer ( ein Zimmer mit zwei Betten, das man sich teilt), aber auch Einzelzimmer an. Dazu hat man sein eigenes Bad und seine Küche oder eben Bad und Küche, die man sich teilt. Toscano Scuderi ist zentral gelegen und wunderschön saniert, die Deckenverzierungen geben einem das Gefühl in einem Museum zu wohnen, deswegen ist dieses Wohnheim unbedingt empfehlenswert, es gibt sogar eine Reinigungskraft, die sechs mal pro Woche die Zimmer reinigt. Die Wohnheime verfügen auch über Wlan, da dieses aber im ersten Monat aufgrund technischer Probleme nicht möglich war, habe ich mir eine italienische Sim-Karte (wind) besorgt und darüber mobiles Internet bezogen. Zu Beginn bewohnte ich ein Doppelzimmer für zwei Wochen, leider hat die Chemie zwischen mir und meiner Mitbewohnerin absolut nicht gestimmt, weswegen ich nach einem Einzelzimmer fragte und zu meinem Glück war tatsächlich eins frei. Da war die Freude groß. Sagenhafte drei Wochen wohnte ich in dem Einzelzimmer, bis zu einem Freitag, nicht nur einem gewöhnlichen Freitag. Es war Freitag der 13., der Tag an dem es hieß, wir müssten alle sofort das Wohnheim verlassen und umziehen. Ich hielt das erst für einen schlechten Scherz, aber das war es nicht, das komplette Wohnheim musste tatsächlich umziehen in das andere Wohnheim Caraciollo, das außerhalb gelegen ist und einen längeren Fußmarsch zum Zentrum braucht. Und so wandelte sich das einst lebendige Toscano Scuderi Wohnheim von heute auf morgen in ein Geisterhaus um. Die Gründe dieses Umzuges wurden unter uns heftig diskutiert , verschiedene Verschwörungstheorien wurden aufgestellt, widerlegt und wieder aufgestellt. Erst hieß es, es wäre nur für ein Wochenende, doch die Wochen vergingen und so wurde aus einem Wochenende mehr als drei Wochen des Wartens auf ein Comeback in die geliebte Via Etnea. Nach zwei Wochen war meine Geduld überstrapaziert und da ich mich nicht wohl fühlte in Caraciollo, begab ich mich auf Wohnungssuche. Ich hatte Glück und konnte zu einer österreichischen Freundin in eine italienische WG ziehen, die direkt im Zentrum am Teatro Massimo lag , direkt gegenüber der Oper. So hörte ich von nun an Arietten der Sänger in meinem Zimmer und von dort an, da ich nun mit Italienern zusammen wohnte, verbesserten sich meine Sprachkenntnisse enorm, weswegen ich auch diese Wohnkonstellation sehr empfehle. Wer Interesse an einer privaten Wohnung hat, der sollte Kontakt zu den Organisationen ESN oder AEGEE aufnehmen, beide unterstützen bei der Suche und organisieren auch während des Semesters viele tolle Trips und Aktivitäten für alle Erasmusstudenten . Am einfachsten gestaltet sich der Kontakt über Facebook. Auf Wunsch kann man auch über AEGEE einen Tutor zugeteilt bekommen, der einem bei allem unterstützt (mehr ist auf der Homepage der Organisation zu finden).
Sizilien / Catania selbst
Sizilien ist eine wunderschöne Insel und deswegen auch ein beliebtes Urlaubsziel. Bereits der deutsche Johann Wolfgang von Goethe erkannte diese Attraktivität, von ihm stammte das berühmte Zitat: ,,Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in meiner Seele : Hier ist der Schlüssel zu allem." Einfach jeder Ort ist sehenswert und hat seinen ganz eigenen Charme. Orte, die ich besucht habe und auch weiterempfehle sind Cefalu, Agrigento , Taormina, Siracusa und Catania. Dabei finde ich Catania persönlich am schönsten. Eine kontrastreiche Stadt mit familiärem Flair, denn wo hat man schonmal die Möglichkeit Winter und Sommer parallel zu erleben? Im Januar und Februar liegt auf dem Ätna viel Schnee, was zum Skifahren einlädt und gleichzeitig kann man am Strand baden gehen, ich selbst habe es ausprobiert. Zugegeben es war ein wenig erfrischend, da der Januar und Februar im Durchschnitt auch die kältesten Monate auf der Insel sind, aber verglichen mit Deutschland ist der Winter sehr mild ( um die 15 Grad). Meine Empfehlung für Touristen ist die Herbstsaison. Der sizilianische Oktober ist wie ein deutscher Hochsommer, sagenhafte 30 Grad sind dann anzutreffen, wohingegen im wirklichen Sommer um die 40 Grad herrschen und absolute Hochsaison. Aber nicht nur optisch, sondern auch kulinarisch hat die Insel viel zu bieten. Typische kulinarische Köstlichkeiten sind: Granita mit Briosch ( erfrischendes Speißeeis mit Hefegebäck, das gewöhnlich zum Frühstück verputzt wird), Arancini ( fritierte Reisbällchen mit Fleisch und Gemüse, aber auch andere Sorten sind erhältlich), Cantuccini getränkt in Zibibbo einem sizilanischem Likör. Die italienische Kaffeelegende spricht für sich: Kaffee ist nicht gleich Kaffee! Eine Übersetzung folgt: Wer einen Cafe bestellt bekommt nicht etwa einen normalen deutschen Kaffee, sondern nur einen Espresso. Hinter Cafe Crema verbirgt sich eine wirkliche Creme in mousseförmiger Konsistenz zum Löffeln. Wer einen Kaffee nach deutschem Standard möchte, sollte den Cafe americano bestellen. Die sizilianische Bevölkerung habe ich als sehr kontaktfreudig und gastfreundlich wahrgenommen. Die Menschen, die mir begegnet sind, waren sehr gelassen, herzlich und immer mit einem Lächeln im Gesicht unterwegs.
Universität /Sprachkurse /Kurswahl/ Anrechnung / Mensa / Lebenskosten
Die Universität für Pharmazie befindet sich auf der Citadella, wo sich so ziemlich alle naturwissenschaftliche Studiengänge befinden. Von dort aus hat man einen wundervollen Blick auf das Meer und obgleich man das Gefühl hat, das Meer wäre unmittelbar nah, ist es doch entfernt. Wer im Wohnheim Toscano Scuderi wohnt, braucht 30 Minuten zu Fuß um zur Uni zu gelangen. Man kann aber auch den Bus nehmen, 1 Euro bezahlt man pro Ticket und dieses hat 90 Minuten Gültigkeit. Das Department für Pharmazie nennt sich Drug Sciences und neben der klassischen Pharmazie kann man auch CTF (Chimica e Tecnologia Farmaceutiche ) studieren [eine mehr auf die Industrie ausgelegte Pharmazie] , oder SFA (Scienze Farmaceutiche Applicate ) [ von einem Jahr SFA ausgehend kann man sich zwei weitere Jahre spezialisieren auf TA (Tossicologia dell' Ambiente e degli Alimenti ) oder auf SE ( Scienze Erboristiche e dei Prodotti Nutraceutici). Im Rahmen des Learning Agreements legt ihr eure Kurse fest, die ihr anschließend an der Partneruniversität besucht. Je nach Universität und International Office sind verschiedene Punktzahlen erforderlich. Für Halle ist ein Nachweis von mindestens 15 ECTS Punkten pro Semester erforderlich. Das Learning Agreement könnt ihr einmal ändern, falls ihr Kurse wechseln möchtet, doch alles innerhalb von vier Wochen ab Vorlesungsbeginn. Bevor ich mein endgültiges Learning Agreement festgelegt hatte, habe ich mich zuvor noch bei Studenten vor Ort erkundigt und im Internet, welche Professoren und Kurse empfehlenswert sind, ebenso habe ich die Lebensläufe der Professoren studiert und dabei darauf geachtet, ob Sie auch über Englischkenntnisse verfügen. In der Regel sollte das der Fall sein, es gibt aber auch durchaus Ausnahmen. Kurse die ich dann letzten Endes besucht hatte und auch sehr weiterempfehle sind : Alimentazione e Nutrizione Umana ( Prof. Galvano /6 ECTS ) und Biochimica clinica e Biologia molecolare (Prof.ssa Renis/ 7 ECTS) . In dem Kurskatalog der Uni habt ihr die Möglichkeit alle Kurse mit der dazugehörigen ECTS Nummer anzusehen. Ebenso könnt ihr einen Sprachkurs belegen, der sich aus einem Crashkurs und einem weiteren Besuch der Vorlesungsreihe italienische Literatur zusammensetzt. Für den Sprachkurs werdet ihr zu Beginn des Semester entsprechend euerem Level eingestuft, 3 ECTS Punkte sind hierbei möglich. Alle Vorlesungen sind auf Italienisch, auf Anfrage könnt ihr die Prüfungen aber auch auf Englisch ablegen. Ehrlich gesagt konnte ich am Anfang wirklich gar kein Italienisch, man lernt aber schnell, gerade dadurch, dass man jeden Tag damit konfrontiert wird. Man muss es aber auch zulassen und versuchen mehr Italienisch zu sprechen, bzw. sich eine italienische WG zu suchen. Eine tolle Möglichkeit ist auch, sich ein Sprachtandem zu suchen, dh. dass man sich mit einem italienischem Muttersprachler trifft, der einem Italienisch beibringt und man selbst vermittelt ihm/ ihr Deutsch (Tipp: Hier könnt ihr Tandem Materialien finden: seagulltandem.eu/) Wo ihr ein Tandempartner finden könnt? --> Über die Organisation ESN oder eben über einen Aushang am schwarzen Brett eurerseits. Die Anrechnungen auf das deutsche Studium sind sehr schwierig, gerade bei allen Staatsexamina Studiengängen. Wer sich etwas anrechnen lassen möchte, sollte sich vorher bei den Professoren in Deutschland erkundigen. Zu den Lebensunterhaltungskosten muss ich sagen: es ist sehr günstig. Und gerade auch wenn ihr weniger Geld zur Verfügung habt ,managebar! 300 Euro Erasmus Mobilitätszuschuss gibt es pro Monat für Italien. 80 Prozent der Gesamtsumme erhaltet ihr zu Beginn des Aufenthaltes. Die restlichen 20 Prozent zum Ende. Mit den 300 Euros alleine lässt sich aber schlecht alles finanzieren. Deswegen solltet ihr versuchen Auslandsbafög zu beantragen, auch wer kein Inlandsbafög bezieht hat die Möglichkeit das zu bekommen. Wer bereits Inlandsbafög bezieht und sich noch in der Regelstudienzeit befindet wird mit Sicherheit das Auslandsbafög bekommen. Für alle die kein Auslandsbafög bekommen, können einen anderen kleinen Kredit aufnehmen oder alle die noch nicht das 25. Lebensjahr erreicht haben und noch Kindergeld erhalten können dieses nutzen. Grob gerechnet kommt man mit ca. 400 bis 500 Euro pro Monat auf Sizilien super klar.
Eine Beispielrechnung :
• 160 Euro Doppelzimmer Wohnheim / 180 Euro Einzelzimmer Wohnheim / ca. 200- 250 Euro Zimmer auf dem privaten Wohnungsmarkt
• Versicherungen 30 Euro
• Essen pro Monat 100 Euro bis 140 Euro
• Kosten für Ausflüge, weiteres ca. 80 Euro
Ein Mensaessen für Erasmusstudenten gibt es für sagenhafte 2,50 Euro. Worin enthalten sind : Ein Getränk, Obst, ein Hauptgericht, Salat, wer mag auch eine große Pizza aus dem Pizzasteinofen. Wer die Mensa in Anspruch nehmen will , muss vorher eine Mensa Karte erstellen lassen, das macht man direkt in dem Office der zentralen Hauptmensa Oberdan. Worüber ich ziemlich schmunzeln musste, ist das vor jedem Mensabesuch die Fingerabdrücke gescannt wurden.
Schluss
Ich bin unendlich glücklich darüber, dass ich dieses Auslandssemester tatsächlich gemacht habe, trotz allen Hindernissen, die einst im Weg standen, und ich kann jedem nur empfehlen ein Auslandssemester zu machen! Es ist eine unglaubliche Erfahrung, in der ihr euren Horizont in vielerlei Hinsicht erweitert. Nicht nur persönlich entwickelt ihr euch weiter, sondern ihr könnt zu dem eine neue Sprache und Kultur kennen lernen oder bereits erworbene Sprachkenntnisse vertiefen. Ihr wächst an allem, an den positiven aber auch an den negativen Erfahrungen, wichtig ist nur das ihr open minded an die Dinge heran geht und allem eine Chance und Zeit gibt. So ein Aufenthalt kann euch total beflügeln, inspirieren und ist gerade bei einem absolutem Motivationstief eine super Entscheidung. Nach diesem Aufenthalt bin ich persönlich viel motivierter, inspirierter und sehe viele Dinge anders als vorher. Nutzt diese Gelegenheit! Es lohnt sich !